Neue Einsichten für einen ausgebrannten Eiferer - Predigt
über 1. Könige 19,1-18
1 Und Ahab sagte Isebel alles, was
Elia getan hatte und wie er alle
Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. 2 Da sandte Isebel
einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen
mir dies und
das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen
getan hast!
3 Da fürchtete er sich, machte
sich auf und lief um sein Leben und kam
nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. 4 Er aber
ging hin
in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter
einen
Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug,
so
nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.
5
Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein
Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iß! 6
Und er sah
sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot
und ein
Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich
wieder schlafen. 7 Und der Engel des HERRN kam zum zweitenmal wieder
und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iß! Denn du hast
einen
weiten Weg vor dir.
8 Und er stand auf und aß und
trank und ging durch die Kraft der Speise
vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb. 9
Und
er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und
siehe, das
Wort des HERRN kam zu ihm: Was machst du hier, Elia? 10 Er sprach: Ich
habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat
deinen
Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit
dem
Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie
trachten
danach, dass sie mir mein Leben nehmen. 11 Der Herr sprach: Geh heraus
und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird
vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge
zerriß und
die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im
Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im
Erdbeben. 12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war
nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
13 Als das Elia hörte,
verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und
ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle. Und siehe, da kam
eine
Stimme zu ihm und sprach: Was hast du hier zu tun, Elia? 14 Er sprach:
Ich habe für den HERRN, den Gott Zebaoth, geeifert; denn Israel
hat
deinen Bund verlassen, deine Altäre zerbrochen, deine Propheten
mit dem
Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie
trachten
danach, dass sie mir das Leben nehmen.
15 Aber der HERR sprach zu ihm: Geh
wieder deines Weges durch die Wüste
nach Damaskus und geh hinein und salbe Hasaël zum König
über Aram 16
und Jehu, den Sohn Nimschis, zum König über Israel und Elisa,
den Sohn
Schafats, von Abel-Mehola zum Propheten an deiner Statt. 17 Und es soll
geschehen: Wer dem Schwert Hasaëls entrinnt, den soll Jehu
töten, und
wer dem Schwert Jehus entrinnt, den soll Elisa töten. 18 Und ich
will
übriglassen siebentausend in Israel, alle Knie, die sich nicht
gebeugt
haben vor Baal, und jeden Mund, der ihn nicht geküßt hat.
Liebe Geschwister,
Gott hat ein Herz für die, die ihm mit ganzem Ernst dienen wollen.
Die
sich einsetzen als Christ. Und die dabei müde und enttäuscht
geworden
sind. Er richtet sie auf, wenn sie müde sind. Und er schenkt ihnen
eine
neue Sicht. Eine neue Sicht für das, was er, der Herr, wirkt.
1. Mein Dienst für Jesus - vergeblich?
Immer wieder habe ich auf einen wichtigen Unterschied zwischen
christlichen Lebensbildern, Biographien, auf der einen Seite. Und der
Bibel auf der anderen Seite hingewiesen. Denn in vielen christlichen
Lebensläufen werden uns Scheinbilder und Heldensagen vor Augen
gemalt:
Männer und Frauen Gottes, die - zugegeben oft unter großen
Entsagungen
und mit großem Einsatz. Die ihr christliches Leben meistern, in
der
Regel keinen groben Sünden erliegen, und immer wieder aufstehen.
Wie anders ist das doch in der Bibel! Denn sie berichtet ungeschminkt
darüber, wie das Leben wirklich ist. Wie zum Beispiel hier
über Elia.
Er ist ein tiefgläubiger Mensch. Ein echter Mann Gottes. Und er
ist so
müde geworden. So verzagt. dass er ganz und gar aufgeben will.
Elia
"aber ging hin in die Wüste eine Tagesreise weit und kam und
setzte
sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben..." Und
nun
sitzt er da, allein. dass er gar auf sein Ende wartet.
Müde und "fertig" kann man ja als Christ aus den verschiedensten
Ursachen werden. Und es gibt die verschiedensten schweren
Lebensführungen. Elia ist weder "zu schwach im Glauben". Noch ist
er
gemütskrank - so dass er einen Seelenarzt aufsuchen müsste.
Elia ist so
erschöpft und am Ende, weil er sich für Gott und für
seine Gemeinde,
für sein Volk eingesetzt hat. Wenn Gott ihm gleichgültig
wäre. Wenn er
die Dinge in seinem Volk einfach nur als Zuschauer, unbeteiligt erleben
würde. Dann würde es ihm sehr wahrscheinlich besser gehen. Er
könnte
den Wohlstand genießen, den sich viele in seinem Volk erarbeitet
hatten. Er hätte kein schlechtes Gewissen, wenn er -
zusätzlich zu
seinem überlieferten Glauben. Wenn er zusätzlich dazu hin und
wieder zu
einem Gottesdienst für den Götzen Baal gehen würde -
einfach, weil das
so üblich geworden war. Ja - ohne seinen konsequenten Glauben, und
ohne
seinen Einsatz für den Herrn. Da hätte er es - zumindest
kurzfristig -
leichter im Leben.
Seht ihr den Anstoß darin? Unser Glaube ist durchaus nicht immer
ein
"Trostpflaster". Sondern manchmal ergeht es uns gerade deshalb
schlecht, weil wir es ernst meinen mit unserem Herrn. Weil wir uns
für
Gottes Sache einsetzen. Vielleicht haben wir im Betrieb, auf Arbeit,
irgendwo "Flagge gezeigt". Weil wir bestimmte Dinge nicht mit unserem
christlichen Gewissen vereinbaren konnten. Und jetzt stehen wir auf
einmal am Rande, allein unter den Kollegen. Oder Schlimmeres. Ja - auf
so manche Weise kann ein ernsthafter Glauben einem das Leben schwer
machen.
Wir befinden uns dabei in bester Gesellschaft. Und es ist sehr passend,
wenn wir gerade jetzt, in der Passionszeit daran denken: Nicht nur
Elia, auch unserem Herrn Jesus Christus erging es schlecht. Ihm erging
es schlecht, weil er nicht davon lief. Und als ihm klar wurde, dass der
Kelch nicht an ihm vorübergehen würde. Da führte er den
Auftrag des
Vaters im Himmel durch, bis zuletzt - bis zum bitteren Ende am Kreuz,
als er für uns starb. "Ich habe geeifert für den HERRN, den
Gott
Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre
zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich
bin
allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein
Leben nehmen." So klingt das bei Elia.
Kurzum, liebe Geschwister: Dieser Text. Und diese Predigt. Die ist
besonders für die, die eine Leidenschaft für unseren Herrn
haben. Die
nicht zufrieden sind mit einem oberflächlichen Christsein, sondern
die
klare Sache machen wollen. Und solche gibt es auch in unseren Gemeinden
immer noch, da bin ich mir sicher. Diese Botschaft ist besonders
für
die, die sich nach all ihrem Mühen irgendwann sagen: was bringt
das
alles noch? Es bewegt sich ja doch nichts, also: etwas weniger
christlicher Eifer könnte nicht schaden. Und auch, wenn wir
deswegen
nicht gleich mit dem Tode bedroht werden wie Elia. Und im echte Sinne
"lebensmüde" sind. Trotzdem kann man sehr niedergeschlagen und
frustriert sein. So niedergeschlagen, dass man es in keine
"anständige"
christliche Biografie hineinschreiben würde.
2. Gott schenkt Trost - "denn du hast einen weiten Weg vor dir..."
Es ist bemerkenswert, wie Gott hier mit dem niedergeschlagenen Elia
umgeht. Das erste was wir sehen, ist: Gott macht ihm keine
Vorwürfe. Er
fragt ihn nicht aus, was denn los sei. Er sagt ihm auch nicht:
reiß
dich zusammen. Du musst nur richtig glauben, dann wärst du nicht
so
niedergeschlagen. Nein - der Herr kümmert sich hier um ihn,
einfach
ganz praktisch. Ein Engel bringt ihm Wasser. Und auf heißen
Steinen
geröstetes Brot, ganz frisch - wie es bis heute gern von den
Menschen
in diesen Ländern gegessen wird, das war schon eine
Köstlichkeit. Also
genau das Richtige für einen erschöpften Mann in der
Wüste: Trinken,
Essen, und dann Gelegenheit zur Ruhe. Das ist jetzt nötig!
Geschwister, wie gehen wir mit Menschen um, insbesondere mit
Glaubensgeschwistern, die so "ganz unten" sind? Haben wir ein
Gespür,
für ihre ganz praktischen Bedürfnisse, die jetzt dran sind?
Oder
gehören wir eher zu denen, die schnell mit dem "moralischen
Zeigefinger" kommen?
Wie gut, dass wenigstens der Herr genau weiß, wie er mit uns
umzugehen
hat. Und so könnte sicher auch der eine oder andere von uns seine
Erfahrungen beisteuern. Wo er tief niedergeschlagen war,
erschöpft,
fertig: "Jetzt brauche ich nichts mehr!" Und Gott hat ihn aufgerichtet.
Vielleicht einfach durch Aufmunterungen und Begebenheiten mitten im
Alltag - wo ich dann sagen konnte: Das hat mir der Herr geschenkt, das
war genau das, was mir jetzt geholfen hat! Manchmal sind es nur
"Kleinigkeiten" - aber sie "passen genau". Wie sagte schon Jesus
(Matthäus 6,32): "...euer himmlischer Vater weiß, dass ihr
all dessen
bedürft." Vergessen wir solche "Kleinigkeiten" nicht! Es ist
sozusagen
das "frisch geröstete Brot", das uns der Herr immer wieder an den
Wegrand stellt.
Und dann? Dann kommt der zweite Teil von Gottes wunderbarer Seelsorge.
Denn jetzt ist der Engel noch nicht fertig. Sondern er sagt dem Elia:
"Du hast einen weiten Weg vor dir! - Und er aß und trank und ging
durch
die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg
Gottes, dem Horeb." Nein - "zur Ruhe gesetzt" hat er sich wirklich
nicht, der Prophet. Er bekam keine monatelange "Auszeit", kein
Sabbatjahr. Sondern jetzt bekommt er gleich wieder einen Auftrag von
Gott.
Ich finde diese Beobachtung sehr wichtig. Sehr wichtig für das,
was wir
unter echtem biblischem Trost verstehen. Ich kenne z.B. einen Menschen,
ebenfalls im hauptamtlichen geistlichen Dienst, so wie ich. Der war
"ausgebrannt", wie man das heute nennt. Man setzte ihn nicht unter
Druck, weiterhin etwas zu leisten. Sondern er wurde von seinen
Vorgesetzten zu einer mehrwöchigen Erholungskur regelrecht
"beordert".
Warum diese Order? Weil man wollte, dass er wieder seinem Dienst
nachgehen kann. Genau für diese Aufgabe sollte er neue Kraft
schöpfen.
Ja - da gibt es manche Parallele zu unserem Leben als Christ. Das man
nicht umsonst auch den "Dienst für den Herrn" nennt. Denn: Echter
biblischer Trost führt immer zurück in den Dienst für
Jesus - und nicht
in den "geistlichen Ruhestand", wenn ich das einmal so nennen darf. Und
im "geistlichen Ruhestand", da kann sich auch so mancher jüngere
Christ
befinden - während manche gläubigen Senioren höchst
aktiv für ihren
Herrn und für ihre Mitmenschen da sind.
Warum ich das erwähne? Weil es das leider auch gibt: dass ich so
sehr
um meine eigenen Probleme und Sorgen kreise, dass ich für andere
Menschen keinen einzigen Gedanken mehr übrig habe. Eine
ältere
Schwester, die selbst unter so manchen Problemen zu leiden hatte, die
eben das Alter so mit sich bringt. Die aus eigener Erfahrung wusste,
wie es ist, wenn es hier zwickt, und dort zwackt. Und wenn man nicht
mehr so kann, wie es in jungen Jahren möglich war. Die sagte mir
einmal: "Ich kann es manchmal nicht mehr hören. Immer, wenn ich
mit
anderen Älteren zusammen sitze, manche jünger, manche noch
älter als
ich. Immer geht es nur um ein Thema: Wo es zwickt und zwackt, welche
Wehwehchen und Krankheiten man gerade pflegt. Usw. usw. Gibt es denn
für ältere Menschen kein anderes Thema?"
Ja, ich bewundere als junger Mensch solche älteren Menschen. Die
von
Gott und von anderen Menschen nicht dauernd nur Trost für sich
selbst
haben wollen. Die von Gott und von ihrer Gemeinde nicht lediglich
"betreut" werden wollen. Sondern die sich trösten lassen, in ihren
mancherlei echten Nöten und Sorgen. Und die sich dann sagen: Herr,
jetzt hast du mir wieder neue Kraft gegeben. Was hast du jetzt für
mich
zu tun? Wo brauchst du mich - auch wenn ich in meinem Alter nur
begrenzte Möglichkeiten habe? Ja, da kann ich mir auch als
jüngerer
Mensch "eine Scheibe abschneiden", von dieser Einstellung: Jesus
tröstet mich deshalb und gibt mir deshalb Kraft - damit ich wieder
"fit" werde für seinen Dienst. Oder, wie er dem Elia gesagt hat:
"Du
hast einen weiten Weg vor dir."
3. Vom Ich zum Herrn
Nachdem Elia gestärkt wurde. Nachdem er sich von Gott hat rufen
lassen.
Und vierzig Tage unterwegs war. Jetzt ist er bereit. Er ist am Horeb
angekommen, dem Berg Gottes. Es ist ein besonderer Ort, voller
Geschichte. Es ist dort, wo sich Gott schon früher offenbart
hatte.
Dort, wo schon Mose von Gott die Tafeln mit den Geboten empfangen
hatte. Und genau hier redet der Herr mit ihm. Und er zeigt ihm, wo er,
der Prophet, der Mann Gottes mit dem Feuereifer, wo er eine neue
Einstellung braucht. Eine neue Einstellung zu seinem Dienst, und eine
neue Einstellung zu Gottes Möglichkeiten und Plänen.
Hören wir noch einmal seine Klage, die er zweimal vor Gott bringt:
"Ich
habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth." Will heißen:
Ich habe
mich für dich, Herr, eingesetzt. Hörst du: ich habe in deinem
Namen
Höchstleistungen vollbracht. Und das war nicht einmal
übertrieben.
Denken wir an das mutige Auftreten auf dem Berg Karmel. Hunderte von
Baalspropheten standen ihm gegenüber, als Elia das Volk fragte:
Wem
wollt ihr dienen, Gott oder Baal? Entscheidet euch (lies 1. Könige
18)!
Ich habe geeifert. Warum erwähnt er das hier? Will er sagen: ich
habe
vergeblich geeifert, und es hat nichts genützt? Oder ist das gar
ein
Vorwurf an Gott, der es zugelassen hat, dass er sich so "abstrampelt",
und es ist doch - scheinbar - nichts dabei herausgekommen? "Israel hat
deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen." Es ist nichts
herausgekommen, obwohl ich mich auf das Äußerste eingesetzt
habe. Sie
haben "deine Propheten mit dem Schwert getötet". Herr: Wer sich
für
dich wirklich einsetzt, wer klare Sache macht. Der ist nicht
erwünscht,
nicht einmal unter den anderen aus dem Volk Gottes. Ja - er wird sogar
getötet. "Ich bin allein übrig geblieben." Außer mir
gibt es keine
echten Gläubigen mehr in meinem Volk. "Sie trachten mir danach,
dass
sie mir mein Leben nehmen." Bald "erwischt" es mich auch - Herr, wo
bleibt deine Hilfe?
Merkt ihr, wie bei aller verständlichen Frustration und
Niedergeschlagenheit des Elia? Wie hier noch etwas ganz anderes zutage
tritt? Ich habe geeifert, ich bin allein übrig geblieben, ich bin
in
Lebensgefahr. Ich, ich, ich. Hast du das auch schon einmal erlebt? Du
versuchst, konsequent und voller Eifer als Christ zu leben, immer mehr
und immer eifriger. Bis du auf einmal erschrocken feststellst: Wenn ich
ehrlich bin, geht es mir eigentlich vor allem um mich, um meinen
eigenen Einsatz, um meine Kraft, und um meine Bedürfnisse. Wohl
dem,
den der Herr nicht erst so schmerzhaft an seine eigenen Grenzen
führen
muss, bis er es merkt - so, wie hier den großen Eiferer Elia.
4. Blickwechsel zum barmherzigen Gott
Was tut nun der Herr? Wie kommt seine Seelsorge zum Ziel? Nun - er
öffnet Elia auf verschiedene Weise die Augen. Zunächst
öffnet er ihm
die Augen für seine Lage. Ja - manchmal muss Gott mir erst wieder
die
Augen öffnen, damit die Wirklichkeit erkenne. Damit ich nicht
alles
durch eine düstere Brille sehe, damit ich kein notorischer
"Schwarzseher" mehr bin. Wie war es bei Elia? Wenn man es genau
betrachtet, dann ist ihm auch der Blick versperrt für die
Umstände, in
denen er sich befindet. Denn: War Isebel überhaupt in der Lage,
ihn zu
töten? Hatten sein Ängste einen realen Grund? Bisher hatte
Isebel -
Elias "Angstgegner". Bisher hatte sie nur die Sendung eines Boten
zustande gebracht - eigentlich nicht mehr, als eine - vielleicht
hilflose? - Drohgebärde. Mittlerweile, nach seiner Flucht,
befindet
sich Elia außerdem im Südreich, also außerhalb ihres
Herrschaftsbereiches. Eigentlich sollte er - jenseits der Grenze - in
Sicherheit sein, wenn er es sich genau überlegt. Und weiter:
Wusste er
nicht, dass er mit seiner klaren geistlichen Einstellung mitnichten
allein war? Immerhin hatte er sogar einen "Verbündeten" am
Königshof
von Ahab und Isebel. Obadja, der Hofmeister, hatte heimlich hundert
andere wahre Propheten des Herrn versteckt, so dass König und
Königin
nicht an sie konnten. So lesen wir ein Kapitel zuvor (1. Könige
18,1ff). Und überhaupt, auch sonst ist er nicht der einzige im
Volk:
"Und ich will übriglassen siebentausend in Israel, alle Knie, die
sich
nicht gebeugt haben vor Baal, und jeden Mund, der ihn nicht
geküßt
hat." So sagt ihm der Herr jetzt.
Wie kleingläubig war doch Elia, der große Prophet! Aber
jetzt, wo er
weiß, was Gott vorhat. Ob er da nicht beschämt war?
Eigentlich geht
Gott auf alle Klagen des Elia ein. Er macht ihm keine Vorwürfe -
aber
er sagt ihm, wie es wirklich ist. Hatte er, Gott, wirklich die
Kontrolle verloren - so wie Elia es in seinem Kleinglauben
befürchtete?
Lässt er jetzt alles an Unrecht geschehen, und schaut tatenlos zu?
Keineswegs! Der Herr hatte sogar schon Pläne für die Zukunft.
Für die
Zukunft seines Volkes. Und für das Leben Elias. "Salbe Jehu ...
zum
König über Israel..." Ahab, der Mann Isebels, der seine
heidnische Frau
hat gewähren lassen. Seinerzeit, als sie die Propheten des
lebendigen
Gottes hat töten lassen. Ahab, der schwache König. Seine Tage
auf dem
Thron sind gezählt - auch, wenn er es selbst noch nicht
weiß. Gott hat
bereits Jehu zu seinem Nachfolger bestimmt. Elia dagegen - sein Werk
ist nicht nur wirksam gewesen. Nein - Gott hat sogar schon vorgesorgt,
wer sein Nachfolger wird: Elisa, den er schon kurze Zeit später
treffen
wird. Elisa, der erst sein Schüler wird. Und dann sein Nachfolger
als
Prophet. D.h.: Elias Einsatz war eben nicht umsonst, sondern sein Werk
wird fortgesetzt.
Ja, manchmal müssten wir Einblick in Gottes Pläne haben...
Wenn ich
wüsste, was Gott mit mir vorhat. Wenn ich wüsste, welche Wege
er noch
mit mir vorhat. Vielleicht wäre ich dann auch beschämt. Weil
ich so
klein, so menschlich gedacht habe. Weil ich alles nur noch schwarz
gesehen habe. Als ob Gott auf meine menschlichen Möglichkeiten.
Auf
meine menschlichen Gedanken und Sorgen. Pläne und Ideen. Als ob er
darauf beschränkt wäre!
Bevor Gott aber dem Elia einen Einblick gibt. In seine Pläne.
Vorher
zeigt er sich Elia in einer Naturerscheinung. So, dass er nicht nur die
Pläne Gottes versteht. Sondern auch Gottes Wesen, sozusagen seinen
Charakter. Und so erscheint er ihm nicht im Sturm, nicht im Erdbeben,
nicht im Feuer. Sondern in einem stillen, sanften Sausen. Als ob er
Elia sagen wollte: Hör zu! Mein Geist - der wirkt meistens nicht
spektakulär. Der schenkt meistens keine gewaltigen, sichtbaren
Siege.
Mein Geist - der wirkt im Stillen. An den 7000, die mir immer noch
nachfolgen. An den Anderen. Die ich noch dazu rufen werde. Ich, der
Herr. Ich demonstriere meine Macht meistens nicht mit großem Pomp
und
Kraftdemonstrationen. Ich zeige meine Macht nicht immer sichtbar. Und
wo ich, der Herr, scheinbar machtlos bin. Da ist bereits mein Sieg
verborgen.
Und so ist es auch hier sicher nicht verkehrt. Gerade jetzt, in der
Passionszeit. So ist es sicher nicht verkehrt, auch hier eine
Brücke
zum Neuen Testament zu schlagen. Wie trat Jesus gegenüber der
Schar
auf, die ihn verhaften sollte? Er rief keine zwölf Legionen Engel,
die
ihn im Sturmangriff befreit hätten (Matthäus 26:53). Sondern
er ließ
sich widerstandslos abführen, damit der Plan Gottes zu Ende
geführt
würde. Was tat er, als man ihm nahe legte: Demonstriere deine
Königswürde, indem du vom Kreuz herabsteigst (Matthäus
27:42)? Er
antwortete nicht, sondern er blieb hängen am Kreuz, bis er ganz
und gar
sein Leben ausgehaucht hatte - hingegeben zu unserer Erlösung.
Geschwister, wünschen wir uns auch manchmal, der Herr würde
"so richtig
auf den Putz hauen", und endlich machtvoll eingreifen? Herr - siehst du
denn nicht, was hier unten auf der Erde los ist? Wenn solche Gedanken
kommen. Dann denken wir an das stille, sanfte Sausen. Ja, an dem
stillen Sausen - da erkennen wir auch etwas von der Niedrigkeit des
Gekreuzigten. Diese Niedrigkeit - sie ist die Art und Weise, in der
Gott sich uns nähert. Und wir erkennen etwas von seiner
Barmherzigkeit
und Gnade gegenüber uns Eiferern und Kleingläubigen,
Schwachen und
Sündhaften. Ob wir auch wieder mehr von diesem stillen, sanften
Sausen
vernehmen müssen? Damit wir einerseits - ohne Illusionen -
erkennen,
wer wir selbst sind? Damit wir andererseits beim Anblick des
Gekreuzigten Gottes Barmherzigkeit erkennen? Die Barmherzigkeit, die
gerade solche Menschen sucht, die allen Glauben an sich selbst verloren
haben?
Liebe Geschwister, diese Sichtweise wünsche ich mir. Diese
Sichtweise
wünsche ich allen wieder ganz neu, die unserem Herrn mit Ernst
dienen
wollen. Er hat immer noch alles "unter Kontrolle", auch in unserem
Leben. Und wenn wir denken, wir wissen den Weg nicht. Dann denken wir
daran: das meiste, was er wirkt. Das geschieht ganz im Verborgenen. Und
wir merken es nicht - weil er uns nicht immer in seine Pläne
einweiht.
Lassen wir uns aufrichten und stärken - wenn wir in seiner
Nachfolge.
In seinem Dienst müde geworden sind. Schauen wir weg von uns
selbst.
Hören wir auf das "stille, sanfte Sausen". Dieses Sausen, das wir
dann
vernehmen, wenn wir den gekreuzigten Christus vor Augen haben. Und wenn
der Herr uns dann getröstet hat. Dann bleiben wir nicht sitzen und
machen es uns bequem. Sondern lassen wir uns. Frisch gestärkt.
Lassen
wir uns ganz neu senden, in seinen Dienst. "... Du hast einen weiten
Weg vor dir." Amen.
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