Neue Einsichten für einen ausgebrannten Eiferer - Predigt über 1. Könige 19,1-18

1 Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. 2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. 4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. 5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iß! 6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. 7 Und der Engel des HERRN kam zum zweitenmal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iß! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb. 9 Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN kam zu ihm: Was machst du hier, Elia? 10 Er sprach: Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen. 11 Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. 12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
13 Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle. Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm und sprach: Was hast du hier zu tun, Elia? 14 Er sprach: Ich habe für den HERRN, den Gott Zebaoth, geeifert; denn Israel hat deinen Bund verlassen, deine Altäre zerbrochen, deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten danach, dass sie mir das Leben nehmen.
15 Aber der HERR sprach zu ihm: Geh wieder deines Weges durch die Wüste nach Damaskus und geh hinein und salbe Hasaël zum König über Aram 16 und Jehu, den Sohn Nimschis, zum König über Israel und Elisa, den Sohn Schafats, von Abel-Mehola zum Propheten an deiner Statt. 17 Und es soll geschehen: Wer dem Schwert Hasaëls entrinnt, den soll Jehu töten, und wer dem Schwert Jehus entrinnt, den soll Elisa töten. 18 Und ich will übriglassen siebentausend in Israel, alle Knie, die sich nicht gebeugt haben vor Baal, und jeden Mund, der ihn nicht geküßt hat.

Liebe Geschwister,
Gott hat ein Herz für die, die ihm mit ganzem Ernst dienen wollen. Die sich einsetzen als Christ. Und die dabei müde und enttäuscht geworden sind. Er richtet sie auf, wenn sie müde sind. Und er schenkt ihnen eine neue Sicht. Eine neue Sicht für das, was er, der Herr, wirkt.

1. Mein Dienst für Jesus - vergeblich?

Immer wieder habe ich auf einen wichtigen Unterschied zwischen christlichen Lebensbildern, Biographien, auf der einen Seite. Und der Bibel auf der anderen Seite hingewiesen. Denn in vielen christlichen Lebensläufen werden uns Scheinbilder und Heldensagen vor Augen gemalt: Männer und Frauen Gottes, die - zugegeben oft unter großen Entsagungen und mit großem Einsatz. Die ihr christliches Leben meistern, in der Regel keinen groben Sünden erliegen, und immer wieder aufstehen.
Wie anders ist das doch in der Bibel! Denn sie berichtet ungeschminkt darüber, wie das Leben wirklich ist. Wie zum Beispiel hier über Elia. Er ist ein tiefgläubiger Mensch. Ein echter Mann Gottes. Und er ist so müde geworden. So verzagt. dass er ganz und gar aufgeben will. Elia "aber ging hin in die Wüste eine Tagesreise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben..." Und nun sitzt er da, allein. dass er gar auf sein Ende wartet.
Müde und "fertig" kann man ja als Christ aus den verschiedensten Ursachen werden. Und es gibt die verschiedensten schweren Lebensführungen. Elia ist weder "zu schwach im Glauben". Noch ist er gemütskrank - so dass er einen Seelenarzt aufsuchen müsste. Elia ist so erschöpft und am Ende, weil er sich für Gott und für seine Gemeinde, für sein Volk eingesetzt hat. Wenn Gott ihm gleichgültig wäre. Wenn er die Dinge in seinem Volk einfach nur als Zuschauer, unbeteiligt erleben würde. Dann würde es ihm sehr wahrscheinlich besser gehen. Er könnte den Wohlstand genießen, den sich viele in seinem Volk erarbeitet hatten. Er hätte kein schlechtes Gewissen, wenn er - zusätzlich zu seinem überlieferten Glauben. Wenn er zusätzlich dazu hin und wieder zu einem Gottesdienst für den Götzen Baal gehen würde - einfach, weil das so üblich geworden war. Ja - ohne seinen konsequenten Glauben, und ohne seinen Einsatz für den Herrn. Da hätte er es - zumindest kurzfristig - leichter im Leben.
Seht ihr den Anstoß darin? Unser Glaube ist durchaus nicht immer ein "Trostpflaster". Sondern manchmal ergeht es uns gerade deshalb schlecht, weil wir es ernst meinen mit unserem Herrn. Weil wir uns für Gottes Sache einsetzen. Vielleicht haben wir im Betrieb, auf Arbeit, irgendwo "Flagge gezeigt". Weil wir bestimmte Dinge nicht mit unserem christlichen Gewissen vereinbaren konnten. Und jetzt stehen wir auf einmal am Rande, allein unter den Kollegen. Oder Schlimmeres. Ja - auf so manche Weise kann ein ernsthafter Glauben einem das Leben schwer machen.
Wir befinden uns dabei in bester Gesellschaft. Und es ist sehr passend, wenn wir gerade jetzt, in der Passionszeit daran denken: Nicht nur Elia, auch unserem Herrn Jesus Christus erging es schlecht. Ihm erging es schlecht, weil er nicht davon lief. Und als ihm klar wurde, dass der Kelch nicht an ihm vorübergehen würde. Da führte er den Auftrag des Vaters im Himmel durch, bis zuletzt - bis zum bitteren Ende am Kreuz, als er für uns starb. "Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen." So klingt das bei Elia.
Kurzum, liebe Geschwister: Dieser Text. Und diese Predigt. Die ist besonders für die, die eine Leidenschaft für unseren Herrn haben. Die nicht zufrieden sind mit einem oberflächlichen Christsein, sondern die klare Sache machen wollen. Und solche gibt es auch in unseren Gemeinden immer noch, da bin ich mir sicher. Diese Botschaft ist besonders für die, die sich nach all ihrem Mühen irgendwann sagen: was bringt das alles noch? Es bewegt sich ja doch nichts, also: etwas weniger christlicher Eifer könnte nicht schaden. Und auch, wenn wir deswegen nicht gleich mit dem Tode bedroht werden wie Elia. Und im echte Sinne "lebensmüde" sind. Trotzdem kann man sehr niedergeschlagen und frustriert sein. So niedergeschlagen, dass man es in keine "anständige" christliche Biografie hineinschreiben würde.

2. Gott schenkt Trost - "denn du hast einen weiten Weg vor dir..."

Es ist bemerkenswert, wie Gott hier mit dem niedergeschlagenen Elia umgeht. Das erste was wir sehen, ist: Gott macht ihm keine Vorwürfe. Er fragt ihn nicht aus, was denn los sei. Er sagt ihm auch nicht: reiß dich zusammen. Du musst nur richtig glauben, dann wärst du nicht so niedergeschlagen. Nein - der Herr kümmert sich hier um ihn, einfach ganz praktisch. Ein Engel bringt ihm Wasser. Und auf heißen Steinen geröstetes Brot, ganz frisch - wie es bis heute gern von den Menschen in diesen Ländern gegessen wird, das war schon eine Köstlichkeit. Also genau das Richtige für einen erschöpften Mann in der Wüste: Trinken, Essen, und dann Gelegenheit zur Ruhe. Das ist jetzt nötig!
Geschwister, wie gehen wir mit Menschen um, insbesondere mit Glaubensgeschwistern, die so "ganz unten" sind? Haben wir ein Gespür, für ihre ganz praktischen Bedürfnisse, die jetzt dran sind? Oder gehören wir eher zu denen, die schnell mit dem "moralischen Zeigefinger" kommen?
Wie gut, dass wenigstens der Herr genau weiß, wie er mit uns umzugehen hat. Und so könnte sicher auch der eine oder andere von uns seine Erfahrungen beisteuern. Wo er tief niedergeschlagen war, erschöpft, fertig: "Jetzt brauche ich nichts mehr!" Und Gott hat ihn aufgerichtet. Vielleicht einfach durch Aufmunterungen und Begebenheiten mitten im Alltag - wo ich dann sagen konnte: Das hat mir der Herr geschenkt, das war genau das, was mir jetzt geholfen hat! Manchmal sind es nur "Kleinigkeiten" - aber sie "passen genau". Wie sagte schon Jesus (Matthäus 6,32): "...euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft." Vergessen wir solche "Kleinigkeiten" nicht! Es ist sozusagen das "frisch geröstete Brot", das uns der Herr immer wieder an den Wegrand stellt.
Und dann? Dann kommt der zweite Teil von Gottes wunderbarer Seelsorge. Denn jetzt ist der Engel noch nicht fertig. Sondern er sagt dem Elia: "Du hast einen weiten Weg vor dir! - Und er aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb." Nein - "zur Ruhe gesetzt" hat er sich wirklich nicht, der Prophet. Er bekam keine monatelange "Auszeit", kein Sabbatjahr. Sondern jetzt bekommt er gleich wieder einen Auftrag von Gott.
Ich finde diese Beobachtung sehr wichtig. Sehr wichtig für das, was wir unter echtem biblischem Trost verstehen. Ich kenne z.B. einen Menschen, ebenfalls im hauptamtlichen geistlichen Dienst, so wie ich. Der war "ausgebrannt", wie man das heute nennt. Man setzte ihn nicht unter Druck, weiterhin etwas zu leisten. Sondern er wurde von seinen Vorgesetzten zu einer mehrwöchigen Erholungskur regelrecht "beordert". Warum diese Order? Weil man wollte, dass er wieder seinem Dienst nachgehen kann. Genau für diese Aufgabe sollte er neue Kraft schöpfen.
Ja - da gibt es manche Parallele zu unserem Leben als Christ. Das man nicht umsonst auch den "Dienst für den Herrn" nennt. Denn: Echter biblischer Trost führt immer zurück in den Dienst für Jesus - und nicht in den "geistlichen Ruhestand", wenn ich das einmal so nennen darf. Und im "geistlichen Ruhestand", da kann sich auch so mancher jüngere Christ befinden - während manche gläubigen Senioren höchst aktiv für ihren Herrn und für ihre  Mitmenschen da sind.
Warum ich das erwähne? Weil es das leider auch gibt: dass ich so sehr um meine eigenen Probleme und Sorgen kreise, dass ich für andere Menschen keinen einzigen Gedanken mehr übrig habe. Eine ältere Schwester, die selbst unter so manchen Problemen zu leiden hatte, die eben das Alter so mit sich bringt. Die aus eigener Erfahrung wusste, wie es ist, wenn es hier zwickt, und dort zwackt. Und wenn man nicht mehr so kann, wie es in jungen Jahren möglich war. Die sagte mir einmal: "Ich kann es manchmal nicht mehr hören. Immer, wenn ich mit anderen Älteren zusammen sitze, manche jünger, manche noch älter als ich. Immer geht es nur um ein Thema: Wo es zwickt und zwackt, welche Wehwehchen und Krankheiten man gerade pflegt. Usw. usw. Gibt es denn für ältere Menschen kein anderes Thema?"
Ja, ich bewundere als junger Mensch solche älteren Menschen. Die von Gott und von anderen Menschen nicht dauernd nur Trost für sich selbst haben wollen. Die von Gott und von ihrer Gemeinde nicht lediglich "betreut" werden wollen. Sondern die sich trösten lassen, in ihren mancherlei echten Nöten und Sorgen. Und die sich dann sagen: Herr, jetzt hast du mir wieder neue Kraft gegeben. Was hast du jetzt für mich zu tun? Wo brauchst du mich - auch wenn ich in meinem Alter nur begrenzte Möglichkeiten habe? Ja, da kann ich mir auch als jüngerer Mensch "eine Scheibe abschneiden", von dieser Einstellung: Jesus tröstet mich deshalb und gibt mir deshalb Kraft - damit ich wieder "fit" werde für seinen Dienst. Oder, wie er dem Elia gesagt hat: "Du hast einen weiten Weg vor dir."

3. Vom Ich zum Herrn

Nachdem Elia gestärkt wurde. Nachdem er sich von Gott hat rufen lassen. Und vierzig Tage unterwegs war. Jetzt ist er bereit. Er ist am Horeb angekommen, dem Berg Gottes. Es ist ein besonderer Ort, voller Geschichte. Es ist dort, wo sich Gott schon früher offenbart hatte. Dort, wo schon Mose von Gott die Tafeln mit den Geboten empfangen hatte. Und genau hier redet der Herr mit ihm. Und er zeigt ihm, wo er, der Prophet, der Mann Gottes mit dem Feuereifer, wo er eine neue Einstellung braucht. Eine neue Einstellung zu seinem Dienst, und eine neue Einstellung zu Gottes Möglichkeiten und Plänen.
Hören wir noch einmal seine Klage, die er zweimal vor Gott bringt: "Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth." Will heißen: Ich habe mich für dich, Herr, eingesetzt. Hörst du: ich habe in deinem Namen Höchstleistungen vollbracht. Und das war nicht einmal übertrieben. Denken wir an das mutige Auftreten auf dem Berg Karmel. Hunderte von Baalspropheten standen ihm gegenüber, als Elia das Volk fragte: Wem wollt ihr dienen, Gott oder Baal? Entscheidet euch (lies 1. Könige 18)! Ich habe geeifert. Warum erwähnt er das hier? Will er sagen: ich habe vergeblich geeifert, und es hat nichts genützt? Oder ist das gar ein Vorwurf an Gott, der es zugelassen hat, dass er sich so "abstrampelt", und es ist doch - scheinbar - nichts dabei herausgekommen? "Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen." Es ist nichts herausgekommen, obwohl ich mich auf das Äußerste eingesetzt habe. Sie haben "deine Propheten mit dem Schwert getötet". Herr: Wer sich für dich wirklich einsetzt, wer klare Sache macht. Der ist nicht erwünscht, nicht einmal unter den anderen aus dem Volk Gottes. Ja - er wird sogar getötet. "Ich bin allein übrig geblieben." Außer mir gibt es keine echten Gläubigen mehr in meinem Volk. "Sie trachten mir danach, dass sie mir mein Leben nehmen." Bald "erwischt" es mich auch - Herr, wo bleibt deine Hilfe?
Merkt ihr, wie bei aller verständlichen Frustration und Niedergeschlagenheit des Elia? Wie hier noch etwas ganz anderes zutage tritt? Ich habe geeifert, ich bin allein übrig geblieben, ich bin in Lebensgefahr. Ich, ich, ich. Hast du das auch schon einmal erlebt? Du versuchst, konsequent und voller Eifer als Christ zu leben, immer mehr und immer eifriger. Bis du auf einmal erschrocken feststellst: Wenn ich ehrlich bin, geht es mir eigentlich vor allem um mich, um meinen eigenen Einsatz, um meine Kraft, und um meine Bedürfnisse. Wohl dem, den der Herr nicht erst so schmerzhaft an seine eigenen Grenzen führen muss, bis er es merkt - so, wie hier den großen Eiferer Elia.

4. Blickwechsel zum barmherzigen Gott

Was tut nun der Herr? Wie kommt seine Seelsorge zum Ziel? Nun - er öffnet Elia auf verschiedene Weise die Augen. Zunächst öffnet er ihm die Augen für seine Lage. Ja - manchmal muss Gott mir erst wieder die Augen öffnen, damit die Wirklichkeit erkenne. Damit ich nicht alles durch eine düstere Brille sehe, damit ich kein notorischer "Schwarzseher" mehr bin. Wie war es bei Elia? Wenn man es genau betrachtet, dann ist ihm auch der Blick versperrt für die Umstände, in denen er sich befindet. Denn: War Isebel überhaupt in der Lage, ihn zu töten? Hatten sein Ängste einen realen Grund? Bisher hatte Isebel - Elias "Angstgegner". Bisher hatte sie nur die Sendung eines Boten zustande gebracht - eigentlich nicht mehr, als eine - vielleicht hilflose? - Drohgebärde. Mittlerweile, nach seiner Flucht, befindet sich Elia außerdem im Südreich, also außerhalb ihres Herrschaftsbereiches. Eigentlich sollte er - jenseits der Grenze - in Sicherheit sein, wenn er es sich genau überlegt. Und weiter: Wusste er nicht, dass er mit seiner klaren geistlichen Einstellung mitnichten allein war? Immerhin hatte er sogar einen "Verbündeten" am Königshof von Ahab und Isebel. Obadja, der Hofmeister, hatte heimlich hundert andere wahre Propheten des Herrn versteckt, so dass König und Königin nicht an sie konnten. So lesen wir ein Kapitel zuvor (1. Könige 18,1ff). Und überhaupt, auch sonst ist er nicht der einzige im Volk: "Und ich will übriglassen siebentausend in Israel, alle Knie, die sich nicht gebeugt haben vor Baal, und jeden Mund, der ihn nicht geküßt hat." So sagt ihm der Herr jetzt.
Wie kleingläubig war doch Elia, der große Prophet! Aber jetzt, wo er weiß, was Gott vorhat.  Ob er da nicht beschämt war? Eigentlich geht Gott auf alle Klagen des Elia ein. Er macht ihm keine Vorwürfe - aber er sagt ihm, wie es wirklich ist. Hatte er, Gott, wirklich die Kontrolle verloren - so wie Elia es in seinem Kleinglauben befürchtete? Lässt er jetzt alles an Unrecht geschehen, und schaut tatenlos zu? Keineswegs! Der Herr hatte sogar schon Pläne für die Zukunft. Für die Zukunft seines Volkes. Und für das Leben Elias. "Salbe Jehu ... zum König über Israel..." Ahab, der Mann Isebels, der seine heidnische Frau hat gewähren lassen. Seinerzeit, als sie die Propheten des lebendigen Gottes hat töten lassen. Ahab, der schwache König. Seine Tage auf dem Thron sind gezählt - auch, wenn er es selbst noch nicht weiß. Gott hat bereits Jehu zu seinem Nachfolger bestimmt. Elia dagegen - sein Werk ist nicht nur wirksam gewesen. Nein - Gott hat sogar schon vorgesorgt, wer sein Nachfolger wird: Elisa, den er schon kurze Zeit später treffen wird. Elisa, der erst sein Schüler wird. Und dann sein Nachfolger als Prophet. D.h.: Elias Einsatz war eben nicht umsonst, sondern sein Werk wird fortgesetzt.
Ja, manchmal müssten wir Einblick in Gottes Pläne haben... Wenn ich wüsste, was Gott mit mir vorhat. Wenn ich wüsste, welche Wege er noch mit mir vorhat. Vielleicht wäre ich dann auch beschämt. Weil ich so klein, so menschlich gedacht habe. Weil ich alles nur noch schwarz gesehen habe. Als ob Gott auf meine menschlichen Möglichkeiten. Auf meine menschlichen Gedanken und Sorgen. Pläne und Ideen. Als ob er darauf beschränkt wäre!
Bevor Gott aber dem Elia einen Einblick gibt. In seine Pläne. Vorher zeigt er sich Elia in einer Naturerscheinung. So, dass er nicht nur die Pläne Gottes versteht. Sondern auch Gottes Wesen, sozusagen seinen Charakter. Und so erscheint er ihm nicht im Sturm, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer. Sondern in einem stillen, sanften Sausen. Als ob er Elia sagen wollte: Hör zu! Mein Geist - der wirkt meistens nicht spektakulär. Der schenkt meistens keine gewaltigen, sichtbaren Siege. Mein Geist - der wirkt im Stillen. An den 7000, die mir immer noch nachfolgen. An den Anderen. Die ich noch dazu rufen werde. Ich, der Herr. Ich demonstriere meine Macht meistens nicht mit großem Pomp und Kraftdemonstrationen. Ich zeige meine Macht nicht immer sichtbar. Und wo ich, der Herr, scheinbar machtlos bin. Da ist bereits mein Sieg verborgen.
Und so ist es auch hier sicher nicht verkehrt. Gerade jetzt, in der Passionszeit. So ist es sicher nicht verkehrt, auch hier eine Brücke zum Neuen Testament zu schlagen. Wie trat Jesus gegenüber der Schar auf, die ihn verhaften sollte? Er rief keine zwölf Legionen Engel, die ihn im Sturmangriff befreit hätten (Matthäus 26:53). Sondern er ließ sich widerstandslos abführen, damit der Plan Gottes zu Ende geführt würde. Was tat er, als man ihm nahe legte: Demonstriere deine Königswürde, indem du vom Kreuz herabsteigst (Matthäus 27:42)? Er antwortete nicht, sondern er blieb hängen am Kreuz, bis er ganz und gar sein Leben ausgehaucht hatte - hingegeben zu unserer Erlösung.
Geschwister, wünschen wir uns auch manchmal, der Herr würde "so richtig auf den Putz hauen", und endlich machtvoll eingreifen? Herr - siehst du denn nicht, was hier unten auf der Erde los ist? Wenn solche Gedanken kommen. Dann denken wir an das stille, sanfte Sausen. Ja, an dem stillen Sausen - da erkennen wir auch etwas von der Niedrigkeit des Gekreuzigten. Diese Niedrigkeit - sie ist die Art und Weise, in der Gott sich uns nähert. Und wir erkennen etwas von seiner Barmherzigkeit und Gnade gegenüber uns Eiferern und Kleingläubigen, Schwachen und Sündhaften. Ob wir auch wieder mehr von diesem stillen, sanften Sausen vernehmen müssen? Damit wir einerseits - ohne Illusionen - erkennen, wer wir selbst sind? Damit wir andererseits beim Anblick des Gekreuzigten Gottes Barmherzigkeit erkennen? Die Barmherzigkeit, die gerade solche Menschen sucht, die allen Glauben an sich selbst verloren haben?
Liebe Geschwister, diese Sichtweise wünsche ich mir. Diese Sichtweise wünsche ich allen wieder ganz neu, die unserem Herrn mit Ernst dienen wollen. Er hat immer noch alles "unter Kontrolle", auch in unserem Leben. Und wenn wir denken, wir wissen den Weg nicht. Dann denken wir daran: das meiste, was er wirkt. Das geschieht ganz im Verborgenen. Und wir merken es nicht - weil er uns nicht immer in seine Pläne einweiht. Lassen wir uns aufrichten und stärken - wenn wir in seiner Nachfolge. In seinem Dienst müde geworden sind. Schauen wir weg von uns selbst. Hören wir auf das "stille, sanfte Sausen". Dieses Sausen, das wir dann vernehmen, wenn wir den gekreuzigten Christus vor Augen haben. Und wenn der Herr uns dann getröstet hat. Dann bleiben wir nicht sitzen und machen es uns bequem. Sondern lassen wir uns. Frisch gestärkt. Lassen wir uns ganz neu senden, in seinen Dienst. "... Du hast einen weiten Weg vor dir." Amen.

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