Er ist wahrhaftig auferstanden -
Predigt über 1 Korinther 15,1-9
1 Ich erinnere euch aber, liebe
Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das
ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, 2 durch das
ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich
es euch verkündigt habe; es sei denn, daß ihr umsonst
gläubig geworden wärt. 3 Denn als erstes habe ich euch
weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Daß Christus
gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; 4 und
daß er begraben worden ist; und daß er auferstanden ist am
dritten Tage nach der Schrift; 5 und daß er gesehen worden ist
von Kephas, danach von den Zwölfen. 6 Danach ist er gesehen worden
von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die
meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. 7 Danach ist er
gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. 8 Zuletzt von
allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. 9
Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin,
daß ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes
verfolgt habe.
Liebe Geschwister,
mit dem rechten Verständnis der Auferstehung Christi. Damit steht
und fällt unser Glaube. Daran entscheidet sich, ob wir
teilhaben am neuen Leben Jesu Christi - oder ob wir "umsonst
gläubig geworden" sind, wie Paulus es hier ausdrückt.
1. Die Kunst des Weglassens
Als der Theologe Rudolf Bultmann 1941 seinen Aufsatz "Neues Testament
und Mythologie" veröffentlichte, sollte das die Geschichte der
evangelischen Kirche und den Dienst ihrer Verkündiger nachhaltig
verändern. Bultmann beschäftigte sich darin mit einer Frage,
vor der auch heute noch jeder Christ steht. Jeder Christ, der Jesus
Christus vor seinen nichtchristlichen Zeitgenossen bezeugen will.
Nämlich: Wie spreche ich über das Kreuz und die Auferstehung
in einer Welt, die von Vernunft, Wissenschaft und Technik bestimmt
wird? Bei der Auferstehung kam Bultmann zu dem Schluss: "Das
Osterereignis als die Auferstehung Jesu Christi ist kein historisches
Ereignis; als historisches Ereignis ist nur der Osterglaube der ersten
Jünger faßbar." (Rudolf
Bultmann, Neues Testament und Mythologie, 2. Auflage München 1985,
S.61f.). Anders ausgedrückt: Entscheidend ist nicht, was
mit dem gekreuzigten und begrabenen Leib Jesu Christi geschah.
Entscheidend ist vielmehr, was sich damals in den Köpfen bzw.
Herzen der ersten Jünger abspielte, und wie dieses Ereignis uns
heute berührt. So sollte der Glaube auch für den modernen
Menschen verständlich werden.
Viele Pastoren in allen evangelischen Kirchen haben seit dieser Zeit
bei Rudolf Bultmann, bei seinen Schülern und seinen Nachfolgern
studiert. Ganze Generationen von Verkündigern wurden von diesen
Gedanken geprägt, die immer wieder auf verschiedene Weise gelehrt
und ausgesprochen wurden. Und so üben sich - nach meiner
Beobachtung - Jahr für Jahr so manche Osterprediger in der "Kunst
des Weglassens". Ja, der Kunst des Weglassens. Denn so angriffig und
prägnant wie damals Rudolf Bultmann traut es sich heute kaum noch
einer zu sagen. Viel eher schleicht man in den Andachten und Predigten
um die Frage herum wie die sprichwörtliche "Katze um den
heißen Brei". Man spricht gern und viel davon, wie Ostern uns Mut
macht gegen alle Hoffnungslosigkeit und gegen die Mächte des
Todes. Aber wenn es darum geht zu sagen, ob das Grab nun
tatsächlich leer war, und was es mit den Erscheinungen des
Auferstandenen nach Ostern auf sich hat. Dann hält man sich am
liebsten zurück. Denn man möchte ja keinen vor den Kopf
stoßen. Viele von uns hören schon seit Jahren oder
Jahrzehnten Osterpredigten. Sie hören Osterandachten im Radio,
lesen von Ostern in christlichen Büchern, oder auch in der
Zeitung. Könnt ihr verstehen, was ich meine? Wenn ich von der
"Kunst des Weglassens" rede?
2. Die Auferstehung Jesu ist eine gut bezeugte Tatsache
Wenn die Bibel über die Auferstehung Jesu Christi redet, dann
betont sie zweierlei Gesichtspunkte: Zum einen ist es ein Wunder
Gottes, ein Geschenk, wenn ein Mensch den auferstandenen Christus im
Glauben ergreift. Schon damals war es alles andere als leicht für
die Jünger, die Auferstehung ihres Herrn zu begreifen. Als die
Frauen ihm im Garten begegnen, erkennen sie ihn zuerst nicht (Johannes 20:11-18). Als die
Emmausjünger mit ihm unterwegs sind, wissen sie zuerst nicht, wer
da mit ihnen geht (Lukas 24:13-32).
Als der sprichwörtlich ungläubige Thomas von den anderen die
Botschaft hört, glaubt er es zuerst nicht. Nachdem er dem
Auferstandenen dann selbst begegnet, muss er zuerst die Nägelmale
der Kreuzigung betasten - erst dann ist er sich gewiss, dass
tatsächlich Jesus vor ihm steht (Johannes
20:24-28). Und nicht zuletzt: Der neue Leib des auferstandenen
Jesus hat wunderbare Eigenschaften, aufgrund derer er durch die
Wände gehen kann und von einem Augenblick zum nächsten
erscheint, plötzlich vor den Augen der Jünger (z.B. Lukas 24:36-40). Ja, die
Auferstehung zu begreifen ist immer zuerst ein Glaubenswunder, bei dem
Jesus uns seinen Heiligen Geist gibt und uns die Augen für ihn
öffnet.
Auf der anderen Seite lässt das Neue Testament keinen Zweifel
daran, dass es sich bei der Auferstehung um eine geschichtliche
Tatsache handelt. Eine Tatsache, die sich tatsächlich in Raum und
Zeit abgespielt hat, und nicht nur in den Köpfen einiger
religiös begeisterter Anhänger des Jesus von Nazareth. Was
tut man, wenn man eine Tatsache bestätigen und untermauern will?
Ein gutes Beispiel ist ein ordentlich geführter Gerichtsprozess.
Um zu einem gerechten Urteil zu kommen, ist eine Beweisaufnahme
nötig. Und dabei spielen schon immer Augenzeugen eine besondere
Rolle: Wenn jemand eine fragliche Person an einem bestimmten Ort und zu
einer bestimmten Zeit selbst gesehen hat, und er das auch zweifelsfrei
unterscheiden kann von einer bloßen Vermutung - dann ist das ein
ganz starker Beweis. Und noch stärker wird der Beweis, wenn
verschiedene, unabhängige Zeugen das Gleiche bestätigen.
Im jüdischen und im römischen Rechtswesen zur Zeit Jesu war
das sicher nicht anders. In diesem Sinne führt Paulus hier eine
ganze Reihe von Auferstehungszeugen an: "Kephas" ist eine anderer Name
für den Jünger Petrus, der dann die Jerusalemer Gemeinde
leitete. "Die Zwölf" sind die zwölf Apostel, hier schon mit
Matthias, der als Auferstehungszeuge zum Nachfolger des Judas wurde (Apostelgeschichte 1:21-26).
"Fünfhundert Brüder auf einmal": Damit ist
möglicherweise die Versammlung gemeint, in die die
Emmausjünger nach ihrer Wanderung mit dem auferstandenen Jesus
vorfanden. Denn dort heißt es: sie "kehrten zurück nach
Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren." (Lukas 24:33) "Jakobus" ist
offensichtlich der Bruder Jesu, der auch den Jakobusbrief geschrieben
hat. Und auch sich selbst nennt Paulus in der Reihe der
Auferstehungszeugen. Mit der "unzeitigen Geburt" meint er wohl seine
plötzliche Bekehrung, als der auferstandene Jesu ihn vor Damaskus
zu Boden wirft und ihn dann zum Apostel beruft (Apostelgeschichte 9:1ff).
Ja - die Beweisaufnahme des Paulus sollte überzeugend sein, und
dabei möglichst vollständig. Spricht denn nun dagegen, dass
es sich bei all diesen Zeugnissen in Wahrheit um ein Glaubenswunder
handelt? Keineswegs! Wir selbst kennen die Erfahrung, dass man bei der
Augenzeugenschaft unserer Wahrnehmung auf die Sprünge helfen muss
- und das in ganz und gar unreligiösen Zusammenhängen. Wer
Spaß daran hat, mag zu Hause ein kleines Experiment
durchführen. Benötigt werden dazu die Fernbedienung eines
Fernsehers und eine Handykamera. Mit der Fernbedienung können wir
in Sekundenschnelle umschalten vom seriösen Nachrichtensprecher
zum Kulturschock auf RTL, und das bequem vom Sofa aus. Den Lichtstrahl,
mit dem die Fernbedienung diesen Befehl an den Fernseher weitergibt,
siehst du nicht: Er besteht aus so genanntem infraroten Licht, das dein
Auge nicht wahrnimmt. Schalte jetzt deine Handykamera ein und halte die
Fernbedienung in ihre Richtung. Wenn du einen Knopf auf der
Fernbedienung drückst, siehst du auf dem Handybildschirm
vermutlich einen blau-weiß leuchtenden Punkt vorne an der
Fernbedienung: Den infraroten Lichtstrahl. Du bist Augenzeuge geworden,
dass deine Fernbedienung funktioniert. Hat sich das alles nur in deinem
Kopf abgespielt? Nein - aber du hast die Handykamera als Sehhilfe
benötigt.
Deshalb beachte, dass Jesus dir mit seinem Heiligen Geist erst eine
geistliche "Sehhilfe" geben muss. Du kannst und sollst ihn darum
bitten, dass er dir deine Sünden vergibt und dir seinen Heiligen
Geist schenkt. Erst dann erkennst du, dass er wahrhaftig auferstanden
ist. Und zwar nicht in deinem Kopf und in deinen gläubigen
Gedanken, sondern wahrhaftig in Raum und Zeit, damals vor 2000 Jahren.
Viele zuverlässige Zeugen, die ihn sogar leibhaftig gesehen haben,
bestätigen dir diese Tatsache im Neuen Testament - nicht zuletzt
Paulus, hier in unserem Text.
3. Mit dem richtigen Verständnis der Auferstehung steht
und fällt unser Glaube
Warum ist ein genaues Verständnis der Auferstehung so wichtig?
Paulus erklärt hier, dass die frohe Botschaft von Jesus vor allem
in zwei Punkten besteht: Dass er für unsere Sünden gestorben
ist, und dass er auferstanden ist. Beides gehört untrennbar
zusammen, und von dieser Botschaft, von diesem Evangelium, sagt er:
"...durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der
Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn,
daß ihr umsonst gläubig geworden wärt." Die Botschaft
von der Auferstehung macht uns also selig, sie rettet uns vor der
Sünde, dem Tod und dem Teufel. Diese Botschaft hat die Kraft, dass
wir durch sie nicht in die Hölle, sondern in den Himmel kommen.
Und deshalb ist es so wichtig, genau zu bestimmen, was und wie die
Bibel von der Auferstehung Jesu Christi bezeugt.
Wir sollen alles in der Bibel ernst nehmen und den Dingen darin auf den
Grund gehen, das ist schon wahr. Dennoch gibt es dabei Unterschiede. Im
vierzehnten Kapitel des Römerbriefs geht Paulus z.B. darauf
ein, was ein Christ essen darf und was nicht. Insbesondere für
Christen mit jüdischem Hintergrund war das damals eine wichtige
Frage. Aber Paulus sagt: Das ist eine Frage, bei der Christen durchaus
verschiedener Meinung sein können. Es ist aber nichts, über
das man sich in der Gemeinde zerstreiten muss. Am anderen Ende der
Skala sind die Dinge, die unsere Väter im Glauben als
"heilsnotwendig" bezeichneten. Um die sollen wir uns in besonderem
Maße bemühen und genau wissen, worum es dabei geht.
Vielleicht hilft uns auch hier ein Bild. Ein modernes Verkehrsflugzeug
besteht aus unzähligen hochtechnisierten Einzelteilen. Kilometer
von Kabeln, Rohren und Schläuchen sind darin verlegt. Alles nur,
damit ein Ziel erreicht wird: Die Insassen sicher und komfortabel von A
nach B zu bringen. Dabei sind die Teile von unterschiedlicher
Wichtigkeit. So ist es sicher unangenehm, wenn die Bordtoilette
ausfällt. Aber die Passagiere würden es überleben - der
eine oder andere vielleicht mit verkniffenem Gesicht... Etwas anderes
sind die so genannten systemkritischen Teile. Sie werden hundertfach
vom Hersteller und von den Behörden getestet. Manche von ihnen
sind absichtlich mehrfach ausgeführt: Wenn eine Komponente
ausfällt, kann eine andere einspringen. Wenn es hier einen
Konstruktionsfehler gibt, dann kann die Maschine mitten im Flug
abstürzen. Und keiner würde es überleben.
Das rechte Verständnis der Auferstehung. Das gehört zu den
"systemkritischen" Teilen unseres Glaubens. Paulus sagt, die
Auferstehung Jesu Christi rettet uns nur dann, wenn wir genau daran
festhalten. Genau daran, wie das Neue Testament sie uns im Evangelium
bezeugt. "...durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in
der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe." Wenn wir darum
ringen, die Auferstehung recht zu verstehen. Ihre Gestalt zu begreifen,
im Glauben zu ergreifen. Dann ist das keine nutzlose Diskussion, kein
Theologengezänk, und auch nicht etwas, das man so oder auch so
sehen könnte. Hier wird nicht "jeder nach seiner Facon selig".
Sondern wenn dieses systemkritische Teil fehlerhaft ist. Dann wird mein
Glaube geistlich "abstürzen", und im ewigen Tod statt im ewigen
Leben landen.
Paulus stellt klar und nüchtern fest, dass so etwas keinesfalls
geschehen sollte: "... es sei denn, dass ihr umsonst gläubig
geworden wäret." Doch dass das mir nicht geschieht. Dass das dir
nicht geschieht. Das können wir nicht machen und bewirken. Ja -
wir können und sollen darum ringen, dass wir die Bibel immer
besser verstehen. Dass wir genau ergründen, wie sie die
Auferstehung Jesu Christi bezeugt. Aber am Schluss bleibt immer die
Bitte: Herr, schenke mir deinen Heiligen Geist. Damit auch in mir das
Glaubenswunder geschieht. Und ich voller Freude bezeugen kann: Jesus
ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Amen.
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