Was ist "Bekehrung"?
Matthäus 13
24 Er (Jesus) legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. 25 Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. 26 Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. 27 Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? 28 Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du denn, daß wir hingehen und es ausjäten? 29 Er sprach: Nein! damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. 30 Laßt beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune.
 
Liebe Geschwister,
was ist eigentlich "Bekehrung"? Wenn wir über Bekehrung sprechen - dann sprechen wir über einen zentralen Gedanken der Bibel. Und zugleich über ein "urmethodistisches" Thema. Über etwas, das Methodisten - ja eigentlich alle Christen - verbindet in unserem ganzen Land, ja sogar über Zeiten und Kontinente hinweg.

"Ich frage mich, ob man sich bei uns noch bekehren kann", so meinte ein Kollege vor einiger Zeit im Pastorenkonvent. "Die jungen Leute, die bei uns zur Gemeinde dazukommen, haben sich meistens woanders entschieden." Unser Bischof Klaiber erinnerte im letzten Jahr (Situation und Zukunft der EmK, S.7) an "alte Zeiten" und an ungute Erfahrungen, die Mancher mit einer klaren Ausrichtung auf Bekehrung gemacht hat. Er schließt jedoch (ich zitiere): "Es ist aber eine Überreaktion, wenn heute die EmK weithin das Bild einer "Religion ohne Entscheidung" bietet, wie es einst als für die Volkskirche typisch galt." Sind wir wirklich eine "Religion ohne Entscheidung" geworden? Ich möchte deshalb drei Gedanken zum Thema "Bekehrung" weitergeben. Ein Thema, das mir - und vielleicht Manchem von Euch - immer mehr auf der Seele liegt.

1. Die "Außenseite": Bekehrung kann sehr unterschiedlich erlebt werden

"Hätte ich doch auch eine richtige Bekehrung erlebt! So eine radikale Lebenswende, wo von einem Tag zum nächsten alles anders wurde im Leben. Ach, hätte ich Jesus auch so erfahren! Vielleicht sähe in meinem Glauben manches frischer, begeisterter aus." So seufzen einige. Andere erinnern sich mit Grausen an die Zeiten, wo man noch (etwas übertrieben), "Knopflochseelsorge" betrieben hat. Ihr wisst nicht, was Knopflochseelsorge ist? Wenn einen ein Wohlmeinender am Jackenkragen, am Knopfloch zu sich heranzog, und einen fragte: "Bruder, bist du eigentlich bekehrt?" (Ich karikiere etwas). Dabei war man doch von klein auf dabei, und schon seit Jahren Sonntagsschulhelfer!

Ein Blick in die Bibel zeigt, daß Gott sich in dieser Hinsicht überhaupt nicht in ein Schema pressen läßt. Betrachten wir nur zwei Leute, beides Missionare, die ganz eng zusammengearbeitet haben. Und die in ihrem Glauben über jeden Zweifel erhaben sind. Ich meine Paulus und Timotheus.

Die Bekehrung von Saulus, dem Christenverfolger. Zu Paulus, dem großen Apostel. Sie ist ja wirklich eindrücklich, von einem Augenblick zum anderen. Paulus berichtet selbst darüber (Apostelgeschichte 26): "12 Als ich nun nach Damaskus reiste mit Vollmacht und im Auftrag der Hohenpriester, 13 sah ich mitten am Tage ... auf dem Weg ein Licht vom Himmel, heller als der Glanz der Sonne, das mich und die mit mir reisten umleuchtete. 14 Als wir aber alle zu Boden stürzten, hörte ich eine Stimme zu mir reden, die sprach auf hebräisch: Saul, Saul, was verfolgst du mich?" Geht es noch spektakulärer?

Wie anders dagegen nimmt sich die Geschichte von Timotheus aus. (2. Timotheus 3,14+15) Paulus schreibt ihm: "Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist; du weißt ja, von wem du gelernt hast und daß du von Kind auf die heilige Schrift kennst..." Wir wissen sogar, wo Timotheus in die "Sonntagsschule" gegangen ist (2 Timotheus 1,5): "Denn ich erinnere mich an den ungefärbten Glauben in dir, der zuvor schon gewohnt hat in deiner Großmutter Lois und in deiner Mutter Eunike; ich bin aber gewiss, auch in dir." Von einem besonderen Erlebnis erfahren wir bei Timotheus nichts. Anscheinend ist er einfach so in den Glauben "hineingewachsen" und dabei geblieben - und wurde ein bewährter Mann, ein hervorragender Mitarbeiter von Paulus, ein Mann mit großer Verantwortung in der Gemeinde. Zwei verschiedene Männer - zwei ganz verschiedene Wege zum Glauben. Aber kein Weg davon besser als der andere. Man könnte noch weitere Beispiele aus der Bibel anfügen. Und wenn wir erst anfangen würden, unsere eigenen Geschichten mit Gott zu erzählen...

Ich denke, manche Probleme mit der Bekehrung. Manche schlechten Erfahrungen. Würden gar nicht erst auftauchen. Wenn ich Gott einfach Gott sein lasse. Und es ihm überlasse, wie er einen Menschen zum Glauben führt. Wie er mich geführt hat, ganz speziell - dafür kann ich ihm danken. Da brauche ich nicht neidisch zu sein auf Andere. Und ich brauche auch meine Erlebnisse mit Gott. Nicht zum Schema für alle zu machen. Ja - Bekehrung kann sehr unterschiedlich erlebt werden.

2. Die "Innenseite": Bekehrung ist ein radikaler geistlicher Vorgang

So unterschiedlich wir Menschen Bekehrung erleben - aus Gottes Sicht hat jede Bekehrung etwas gemeinsam. Paulus berichtet über seine Verkündigung unter denen, die Gott nicht kennen. Er sagt, das Evangelium ist dazu da (Apg 26,18), "...um ihnen die Augen aufzutun, daß sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott. So werden sie Vergebung der Sünden empfangen und das Erbteil samt denen, die geheiligt sind durch den Glauben an mich."

Das ist nun wirklich ein starkes Stück! Offensichtlich will uns Gott hier - und an vielen anderen Bibelstellen - sagen, daß es für den Menschen - geistlich gesehen - nur zwei "Zustände", Orte gibt, oder wie auch immer man es nennen will. Finsternis - Licht. Satan - Gott. So sind die Gegensätze. Und die Brücke von einem zum anderen - ist die Bekehrung. Luther hat in seiner wunderbaren Bildersprache gesagt: Jeder Mensch ist ein Reittier. Es kommt darauf an, wer im Sattel sitzt. Entweder, ich werde von Christus geritten - oder vom Satan. Oder, in unserem Thema: Entweder, ich bin bekehrt von der Gewalt des Satans zu Gott. Oder ich bin es nicht. Da gibt es nichts dazwischen, keine "neutrale Zone". Wie ich das erlebe - das ist eine ganz andere Frage, siehe oben.

Warum geht das manchem Zeitgenossen so schwer ein? Ich denke, weil es so ganz "gegen den Trend" geht. Wenn der "Alte Fritz" gesagt hat, bei ihm in Preußen könne jeder "auf seine Facon selig werden". Dann wäre er heute sicherlich entzückt. Kann denn das angehen? Daß man die Leute einfach so einteilt, in Bekehrte und Unbekehrte? Und was ist mit den vielen, die Gutes tun? Obwohl sie nie in eine Kirche gehen würden? Oder denen, die zu Allah beten? Oder Buddha verehren? Kann man so einfach sagen, die einen gehören zu Christus? Und die anderen zu Satan? Kann man heute noch verlangen, daß die Menschen sich zu Jesus bekehren müssen? Oder ist das nicht unglaublich verbohrt? Ja, sogar hochmütig?

Ich denke, diese Einwände könnte man sicher machen. Wenn es um die Propaganda für einen Verein ginge. Oder um die Werbung für ein Produkt. Oder wenn wir uns allen Nichtchristen weit überlegen fühlen: Wir haben es verstanden. Die anderen "armen Wichte" aber nicht. Usw. Das ist aber nicht der Punkt. Es geht ja nicht darum, möglichst verbohrt und hochmütig bestimmte Ansichten zu vertreten. Es geht darum, daß möglichst viele Menschen zu Gott finden. Daß möglichst viele die "Vergebung der Sünden empfangen und das Erbteil", wie Paulus es oben ausgedrückt hat.

Darum sollen sich Menschen bekehren: Damit ihnen Gott ihre Sünden vergibt. Damit sie vor Gott bestehen können. Damit sie "das Erbteil empfangen" - oder simpel ausgedrückt. Damit sie in den Himmel kommen. Deswegen reden wir von der Bekehrung. Es geht - um mit unseren Glaubensvätern zu reden - um das Seelenheil. Und wenn mir die Frage nach dem Seelenheil nicht egal ist. Dann werde ich zwar sicher keine taktlose "Knopflochseelsorge" betreiben. Aber ich werde die Frage nach der Bekehrung auch nicht schamhaft unter den Tisch fallen lassen - das wäre wirklich gnadenlos. Denn in der Bekehrung erfahre ich Gottes Gnade, in ihrem ganzen Reichtum. Vergebung der Sünden, und das "Erbteil", also einen Platz in Gottes Ewigkeit. Einen Platz im Himmel. Und diesen Platz im Himmel - möchte ich keinem vorenthalten. Ja, Bekehrung ist wirklich ein radikaler geistlicher Vorgang. Deswegen wollen wir davon reden - unbedingt.

3. Die Frage nach der Bekehrung gehört mitten in die Gemeinde

Bis hierher könnte man sich sagen: Das ist alles schön und gut, aber hier und heute sind doch lauter Christen zusammen. Eigentlich wäre doch "Bekehrung" ein Thema, wenn wir uns über die nächste Evangelisation Gedanken machen. Und wie wir die sogenannten "Außenstehenden" erreichen.

Ich habe in der letzten Zeit immer mehr lernen müssen. Und zwar sowohl "theoretisch": aus dem Studium der Bibel. Als auch aus der ganz praktischen Arbeit. Ich habe immer mehr lernen müssen: Nicht jeder, der zu einer Freikirche gehört. Wie wir zur Methodistenkirche, wo man doch - zumindest theoretisch! - aus eigener Entscheidung dazugehört. Nicht jeder Methodist - ist auch ein Christ. Leider nicht! Genauso wenig - um etwas zu anderen Gemeinden zu schauen. Ist z.B. jeder großgetaufte Baptist automatisch ein Christ.

Wenn Bekehrung wirklich so ein radikaler geistlicher Vorgang ist. Etwas, das ganz persönlich zwischen mir und Gott geschieht. Dann kann doch folgende Rechnung kaum aufgehen: Die, die Mitglied sind. Die mitarbeiten und Dienste tun. Die sind automatisch Christen. Und die anderen. Von denen man manchmal etwas geringschätzig sagt: Der oder die "kommt nicht". Die sind zwar Mitglied, aber sie halten sich nicht zur Gemeinde. Die sind dann keine Christen. Ach, wenn das so einfach wäre! Aber diese Rechnung geht leider nicht auf. Natürlich sollen wir "kommen". Wie sollten wir geistliches Leben haben, wenn wir nicht regelmäßig Gottes Wort hören! Aber wie es dann im Herzen des Einzelnen aussieht. Zwischen ihm und Gott. Das ist noch eine ganz andere Frage.

Als Jesus sein Gleichnis über das Himmelreich erzählt. Wir haben es vorhin in der Lesung gehört. Da sagt er: das Unkraut wächst mitten unter dem Weizen. Anders ausgedrückt: Die Unbekehrten sind mitten in der Versammlung. Mitten in der Versammlung der Bekehrten. Das ist eine große Herausforderung, das ist wirklich anstößig! Und damit wir so etwas Großes nicht falsch verstehen. Darum warnt Jesus davor. Sich hochmütig hinzustellen. Und eigenmächtig anzufangen mit dem "Sortieren": Die ist ganz klar bekehrt, der nicht (bei mir selbst ist natürlich alles in Ordnung...). "Willst du denn, daß wir hingehen und es ausjäten?" - die Unbekehrten? Und Jesus sagt: "Nein! damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Laßt beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune." (Matthäus 13,28-30) Wer wirklich im Herzen bekehrt ist - und wer nicht. Das weiß Gott allein. Und erst wenn Jesus erscheint. Wird er es ans Licht bringen. Er - nicht wir.

Ich lerne daraus für mich: Evangelisation - der Ruf zum Glauben - er gehört zuallererst in die Gemeinde. Hier, mitten in die Versammlung. In den Gottesdienst. In die Bibelstunde. In den kirchlichen Unterricht. Und manchmal auch in das direkte Gespräch unter vier Augen.

Wenn wir "Außenstehende" für Jesus gewinnen wollen. Und das wollen wir doch, oder? Wenn wir das wollen. Dann ist es ganz wichtig. Daß wir - jeder für sich. Daß jeder zuerst einmal selbst diese Frage an sich "herankommen" lässt: Bist du eigentlich bekehrt? Wie stehst du zu Jesus? Den einen mag das zum Loben und Danken bringen: Ja Herr, ich gehöre zu dir. Das war nicht mein Verdienst, das war allein deine Gnade. Ob das nun ganz plötzlich geschah wie bei Paulus. Oder mehr allmählich, wie bei Timotheus. Und einen anderen dagegen. Den mag diese Frage in eine heilsame Unruhe versetzen: Herr, nun bin ich schon so lange dabei. In der Gemeinde. Aber ich glaube, zwischen dir, Jesus. Und mir. Da ist noch etwas zu erledigen. Etwas Lebenswichtiges zu erledigen. Ich will nicht noch länger warten. Ich will mich endlich zu dir bekehren. Von der Finsternis zum Licht. Von der Gewalt des Satans zu deiner gnädigen Herrschaft.

Ich will schließen mit einem Zitat unseres Bischofs: "Menschen zum Glauben zu rufen, galt früher als besondere Kompetenz methodistischer Gemeindearbeit." (Situation und Zukunft, S.7) Das schenke unser Herr auch heute: Daß viele sich rufen lassen. Und sich bekehren. Amen.

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