Advent - Gute Nachricht für schlechte Christen: Predigt über Jesaja 40,1-5

1 Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. 2 Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden. 3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! 4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; 5 denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet.

vgl. dazu das Lied "Tröstet mein Volk"

Liebe Geschwister,
Advent - das ist gute Nachricht "für schlechte Christen". Ja, wir haben richtig gehört: Gute Nachricht für schlechte Christen. Natürlich sollen sich auch gute Christen im Advent freuen. Aber für die schlechten Christen ist es eine besonders gute Nachricht. Und die soll es ja geben. Christen, bei denen nicht alles schnurgerade und fehlerfrei läuft. Christen, die nicht perfekt sind. Tröstet, tröstet mein Volk. Redet mit Jerusalem freundlich.

1. Wenn Christen tief fallen

Das hätte mir nie passieren dürfen! Nun bin ich schon eine ganze Weile Christ, arbeite in der Gemeinde mit. Und nun das! Hoffentlich erfährt es keiner. Den anderen würde das bestimmt nicht passieren. Was würden sie nur denken von mir? So hat schon mancher Christ erschrocken gedacht, als es ausgerechnet ihm dann doch passiert ist.
Gott denkt jedenfalls sehr realistisch über uns. Er weiß, wie tief wir fallen können. Selbst die Frömmsten unter uns, die mit dem stärksten Glauben. Er weiß, wie viel "Unmögliches" es in seinem eigenen Volk gibt. "Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden."
Ja - was das Sündigen betrifft, da hatte Israel das "Zeug zum Weltmeister". Wenn man die Bibel aufschlägt, dann schüttelt man den Kopf. Und man fragt sich, was es in Israel nicht gegeben hat. Was es im Volk Gottes alles "Unmögliches" gab, bevor sie ins babylonische Exil mussten. Götzenstandbilder wurden angebetet. Die Geldgier hatte die Menschen fest im Griff. Die Armen wurden noch tiefer in die Armut gestoßen, weil man ihnen buchstäblich noch das letzte Hemd abnahm. Usw. usw. Nicht, dass sie es nicht besser gewusst hätten: Wieder und wieder hatte der Herr ihnen seine Propheten geschickt, die sie an Gottes Wort erinnerten, sie beschworen, sie warnten. Es half alles nichts: Das auserwählte Volk Gottes - es verhielt sich so, als ob es die Strafe Gottes geradezu gesucht hätte.
Und trotzdem redet Gott mit ihnen. Gerade jetzt! Tröstet mein Volk, redet freundlich. So trägt es Gott seinen Propheten auf. Ja - sie hatten Gott oft genug ins Gesicht geschlagen mit ihrem Ungehorsam. Sie hatten seine suchende Liebe verachtet. Aber er, der Herr - er denkt über sein Volk immer noch wie ein Vater über seine Kinder. Und er sagt: jetzt ist es genug. Ich bringe es nicht über´s Herz, sie noch länger zu strafen. Sie haben doch schon "doppelte Strafe" empfangen. Ich muss mit ihnen reden. Tröstende Worte reden. Gerade hier, in der Knechtschaft, in Babylonien, weit weg von zu Hause, da brauchen sie diese Trostworte.
Man fühlt sich unwillkürlich an das Gleichnis vom verlorenen Sohn erinnert (Lukas 15). Der buchstäblich bei den Schweinen gelandet war. Der es voll ausgekostet hat, wie es ist. Weit weg, von seinem Vater im Himmel. Wenn ich die Bibel lese, dann bin ich von einem zutiefst überzeugt: nämlich dass ein Christ unter Umständen sehr weit weg gehen kann von Gott. Sehr weit. Manche wissen es nicht nur aus der Bibel, sondern auch aus der Erfahrung. dass es unter Christen eigentlich alles "Unmögliche" geben kann: von übler Nachrede, Steuerbetrug, Unzucht und Ehebruch. Bis hin zu Schlimmerem.
Man fragte einen Evangelisten einmal, warum er auf seinen Veranstaltungen auch über sogenannte "grobe Sünden" predigte: Diebstahl, Ehebruch, Mord. Schliesslich würden doch vor allem Kirchenmitglieder zu den Vorträgen kommen, und da sei so etwas nicht zu erwarten. Der Evangelist antwortete: Nach meiner Erfahrung in der Seelsorge gibt es unter christlichen Menschen all das, was es auch unter den Ungläubigen gibt. Und deshalb predige ich auch immer wieder über diese "grobe Sünden", fügte er hinzu. Ja - auch die Bibel ist in dieser Hinsicht sehr nüchtern und verschweigt nichts: Denken wir an König David - er war ein Vorbild des Glaubens, bis heute - und er hatte sogar einen Mord auf dem Gewissen (2. Samuel 11+12)
Nun hat nicht jeder trostbedürftige Christ solche "groben Sünden" auf dem Gewissen. Manche machen keinen "Unsinn". Sie gehen einfach ganz still weg von ihrem Herrn. Und ist es am Anfang noch die Hektik. Und man redet mit seinem Herrn unter der Woche nur noch zwischen Tür und Angel. Nach dem Motto: Losung lesen und Gebet darf nicht längern dauern, als ich zum Rasieren brauche - ich kann ja schließlich noch sonntags mit Gott reden. So wird es schließlich immer öfter so. Bis es dann soweit ist. Und man auch sonntags nicht mehr mit dem Herrn redet, weil es woanders schöner ist als in der Kirche. Man kann ja so viel Interessantes unternehmen, sonntags vormittags... Ein Christ - einfach still weggegangen und aus der Gemeinde verschwunden - wirklich "unmöglich"?
Gott redet mit mir freundlich. Gerade dann, wenn ich das "Unmögliche" tue. Das tue, worüber ich mit keinem reden mag. Mit keinem der vielen "guten Christen" sprechen mag. Gott redet mit mir freundlich. Gerade dann, wenn ich denke: so kann es jetzt nicht mehr weitergehen. Irgendwann halte ich das nicht mehr aus. Diese Spannung. Wo alle doch denken, ich sei so fromm und so ein vorbildlicher Christ. Gerade dann gilt es: Advent - das ist gute Nachricht für schlechte Christen. Er ist immer noch mein Vater. Und ich liege ihm immer noch am Herzen. "Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat."

2. Für Gott gibt es keine Hindernisse

"Bereitet dem Herrn den Weg... Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden." Ob es jemals noch einen Rückweg gibt? Einen Neuanfang? So fragten sie sich. Weit weg von der Heimat, von Jerusalem, da saßen sie. Und sie sangen ihre traurigen Lieder. In manchen Psalmen lesen wir davon: Herr, wie lange noch? Hast du uns denn ganz vergessen? Müssen wir für immer hier bleiben? Gibt es keinen Ausweg?
Es ist wohl eine Art "Naturgesetz". Wenn ich schuldig geworden bin. Und jetzt ist die Situation so richtig verfahren. Dann wird oft das Herz ganz mutlos. Ich sehe all die großen Hindernisse. Und ich frage mich: Wird Gott mich jetzt fallen lassen? Ist er fertig mit mir? Und wenn er mir vergibt: Wie komme ich anschließend aus dem Schlamassel heraus?
Gott weiß, wie viel Trost und Zuspruch ich gerade dann brauche. Wenn er mich daran erinnert: Für ihn, den Herrn aller Herren. Für ihn gibt es keine Hindernisse, die zu groß wären für ihn. Keine Schuld ist zu groß. Keine Situation zu verfahren. "Bereitet dem Herrn den Weg..." Und wenn er seinem Volk eigens eine Straße bauen müsste zur Rückkehr aus der Gefangenschaft, zurück in ihr Land: Macht eine ebene Bahn unserm Gott! - so heißt es hier.
Wir wissen aus der Geschichte, wie Gott damals tatsächlich alles wunderbar gefügt und vorbereitet hat. Und sie konnten zurück, nach Jerusalem. Nicht, dass das ein leichter Weg gewesen wäre. Die Verhandlungen mit dem persischen König. Die Intrigen, die beinahe alles zunichte gemacht hätten. Die harte, aber frohe Zeit. Als Jerusalem und der Tempel Stein für Stein wieder aufgebaut wurden.
Und dann war es so weit, als der schmerzhafte Tag kam (Esra 10): Das Volk versammelte sich, und sie machten in einem großen Bußgebet die Sache fest: So, wie bisher, können wir nicht weiterleben. Wir haben einiges zu ändern in unserem Leben. Nein, es war ein langer, anstrengender Weg. Aber es war kein unmöglicher Weg. Im Gegenteil! Denn Gott hatte vorher schon eine Straße gebaut. Macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!
Ja, ein Christ kann in große Schwierigkeiten geraten. Wenn er aus eigener Schuld Gottes Gebote missachtet. Und weggeht von seinem Vater. Ich will es nicht weiter ausführen. Wen es betrifft, der weiß, was gemeint ist. Oder wer einen Christen kennt, dem er gerne so helfen und zusprechen möchte. Große Schwierigkeiten, ja die gibt es. Aber niemand soll verzweifeln. Redet mit Jerusalem freundlich, prediget ihr. Als ob Gott den Propheten aufträgt: Sagt die frohe Botschaft nur recht laut und deutlich. So deutlich, dass auch das verzagteste Herz es hören und aufnehmen kann. Gebt ihnen einen wirklich kräftigen Trost. Egal, wo du hineingeraten bist. Gott hat einen Ausweg vorbereitet. Für ihn, den Herrn der Welt. Für ihn gibt es keine Hindernisse. Lasst die Traurigkeit, lasst die Mutlosigkeit. Er kommt zu Hilfe.

3. Der Grund für diese Zuversicht: Jesus ist gekommen

"Die Herrlichkeit des Herrn soll offenbar werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen." Schon Jahrhunderte vor der Geburt Christi. Da ahnte man, dass Jesaja hier mehr meinte als die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft. Als er nämlich sagt: "Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen."
Als Johannes der Täufer in der Wüste predigt, und die Menschen scharenweise zu ihm kommen. Da bereitet er sie auf die Ankunft des Retters vor. Und in dem Zusammenhang sagt er auch noch einmal diesen Satz: »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! ... Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.« " (aus Lukas 3:4-6) Der Heiland, der Retter der Welt soll kommen - Jesus ist die Herrlichkeit Gottes in Person, und so hatte man Jesaja auch verstanden. Und als Jesus zu Johannes kommt an den Jordan. Da sagt der Täufer es frei heraus: "Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt." (Johannes 1:29).
Das war wirklich eine gute Nachricht für alle "schlechten Christen" in Israel. Und sie kamen zu Jesus. Alle die, die sich nicht mehr unter die Frommen trauten. Die bei den "Musterchristen" der damaligen Zeit, bei den Pharisäern, schon lange "abgeschrieben" waren. Die Ehebrecherin kam, die sie steinigen wollten (Johannes 8). Zöllner Zachäus, der alte Betrüger, er stieg herab vom Baum und kam auch (Lukas 19). Und ebenso viele andere. Alle kamen sie. Die, die tief gefallen waren, und Hilfe suchten. Die, die Hilfe suchten bei Jesus, bei Gottes Vaterliebe in Person. Die, die durch ihr kaputtes Leben schon genug gestraft waren. Die, die Vergebung suchten. Ihnen sagte er: Es ist genug mit der Strafe. Die Schuld ist vergeben. Ihr könnt noch einmal ganz neu anfangen. Redet mit Jerusalem freundlich. Jesus redet mit den Sündern freundlich. Die "schlechten Christen" können neu anfangen. Und einer wie Zachäus gab schließlich alles zurück, was er gestohlen hatte - und noch mehr dazu.
Und damit wir es wirklich glauben. Darum sagt Gott zu Jesaja: Der Mund des Herrn hat´s geredet. Da ist nichts daran zu rütteln. Wenn die Bibel sagt, dass Jesus am Kreuz wirklich alle Schuld getragen hat. Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Dann brauche ich daran nicht zu zweifeln. Dann reicht das für jeden von uns. Für die "guten Christen". Und für die "ganz schlechten". Das ist wirklich eine gute Nachricht. Das macht Mut. "Tröstet, tröstet mein Volk." Amen.


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