Jesus - so lebenswichtig wie das "tägliche Brot"

Predigt über Johannes 6,51-58

Johannes 6 (Jesus sagt:) 51 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt. 52 Da stritten die Juden untereinander und sagten: Wie kann der uns sein Fleisch zu essen geben? 53 Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohns eßt und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch. 54 Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken. 55 Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank. 56 Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. 57 Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich lebe um des Vaters willen, so wird auch, wer mich ißt, leben um meinetwillen. 58 Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und gestorben sind. Wer dies Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit.

Liebe Geschwister,
Jesus ist für jeden Menschen so lebensnotwendig "wie das tägliche Brot". Für jeden: ob gläubig oder ungläubig, ob kirchlich oder atheistisch, ob Christ oder Buddhist oder Moslem - oder was auch immer. Jesus: "wer dies Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit."  Wer mit Jesus Gemeinschaft hat - nur der lebt ein Leben, das Bestand hat. Und genau daran - genau daran erinnert uns das Abendmahl, das wir heute feiern.

1. Es geht hier nicht um das Abendmahl!

"Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben." Nicht gerade einfach zu verstehen, was Jesus hier sagt! Und wir müssen zuerst etwas klären - bevor wir den Text auf uns persönlich anwenden. Denn - wie soll ich mir das vorstellen, daß ich Jesu Fleisch und Blut zu mir nehme? Würden wir die Stelle einem von der Kirche "unbeleckten" Menschen vorlesen, würde er sie sicher befremdlich, wenn nicht gar unappetlich oder abstoßend finden. Fordert hier Jesus gar - man verzeihe mir den unverblümten Ausdruck! - fordert Jesus hier zum "Kannibalismus" auf? Das Fleisch und Blut eines anderen Menschen zu sich zu nehmen - das war und ist eigentlich nur in wirklich barbarischen Völkern üblich. Sind die Christen also schreckliche Barbaren? Es gab diese Auffassung tatsächlich!
Nun hat man sich in der Kirche schon immer damit beholfen, daß man gesagt hat: Jesus beschreibt hier, in Johannes 6, das Abendmahl. Dort sagen wir ja wirklich: mein Leib, für dich gegeben, mein Blut, für dich vergossen. Und jeder Christ weiß, daß er dabei nichts Unappetliches oder gar "Kannibalisches" tut, sondern das das Ganze etwas Zeichenhaftes ist. Ein Bildnis eben. Allerdings bekommen wir damit ein Problem - und das hat höchst praktische Auswirkungen darauf, wie wir das Abendmahl verstehen. Versuchen wir es einmal mit dieser Auffassung: "Jesus beschreibt hier das Abendmahl." Ob wir so besser verstehen, was Jesus hier sagt?
"Mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank." Das klingt doch sehr nach dem Abendmahl, oder? Ob Jesus uns das Abendmahl hier besonders wichtig machen will? Schauen wir aber noch etwas weiter. "Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben. ... Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm." Ja, wenn man das so nimmt, Jesus ganz wörtlich nimmt - dann wäre das Abendmahl ja geradezu eine "Wunderspeise".
Und in der Tat: schon gut 100 Jahre nach Christi Geburt nannte der alte Kirchenvater Ignatius das Abendmahl ein "Heilmittel zur Unsterblichkeit". Und sehr bald - vielleicht sogar ohne Schuld von Ignatius. Sehr bald breitete sich in der Christenheit ein Aberglaube aus: Wer das Abendmahl zu sich nimmt, der nimmt irgendwelche wunderbaren Kräfte auf, die ihm schließlich das ewige Leben, den Himmel verschaffen werden. Wenn ich nur das Sakrament nicht verpasse - dann werde ich selig werden! "Wer mein Fleisch ißt ... der bleibt in mir..."? Das Abendmahl - eine Art Wundermittel? Das ich deswegen nur mit heiliger Scheu, und zu den seltensten Gelegenheiten zu mir nehme?
Wenn wir die Evangelien weiterlesen, dann sehen wir allerdings: Jesus hat das Abendmahl erst viel später eingesetzt. Im Johannesevangelium lesen wir es z.B. darüber erst in Kapitel 13 - und hier ist Kapitel 6. Und wenn wir dann diese Einsetzung dort genauer betrachten, dann stellen wir fest: ganz anders redet Jesus dort, ganz anders als hier, in unserem Predigttext.
Und noch etwas dürfen wir nicht vergessen - und das ist vielleicht der wichtigste Gedanke: Auch Judas hat ja am Abendmahl teilgenommen. Auch er hat Christi Leib, für ihn gegeben, und Christi Blut, für ihn vergossen. Auch er hat Beides empfangen. Aber er fand nicht das ewige Leben, sondern er fand ein schreckliches Ende. Nein, wir sollten diese Rede Jesu hier. Wir sollten sie wirklich nicht zu schnell auf das Abendmahl beziehen. Wir sollten nicht denken, das Abendmahl sei eine Art "Wunderspeise". Auch wenn alles sehr danach klingt, nach dem ersten Hinhören. Was aber meint Jesus dann?
 

2. Jesus, das "geistliche Grundnahrungsmittel"

Ich denke der Schlüssel zu dieser Frage liegt in einem Satz, den Jesus früher in seiner Rede sagt. Da sagt er über sich selbst: "Ich bin das lebendige Brot." Brot - das war und ist ja zu allen Zeiten das Grundnahrungsmittel gewesen. Wenn wir beten: Gib uns unser tägliches Brot. Dann bitten wir: gib uns alles, was wir zum Leben brauchen. Zuerst Essen und Trinken - und dann alles Weitere. Ohne das tägliche Brot - da können wir nicht leben. Wenn wir nichts zu Essen und zu Trinken haben - dann verhungern und verdursten wir.
Wenn wir das so betrachten - dann ist das ganz schön anstößig, in einer Zeit, in der "jeder nach seiner Facon selig werden" soll. Ich bin das Brot des Lebens, das lebendige Brot. Wer nicht mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat kein Leben in sich. Wer dies Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit. Was doch nichts Anderes heißt: Wer Jesus nicht aufnimmt - der hat kein geistliches Leben in sich. Wer Jesus nicht aufnimmt - der hat eine ganze Ewigkeit verpaßt. Er wird einmal nicht dabei sein, in Gottes neuer Welt, im Himmel. Wer aber Jesus im Glauben aufnimmt - der hat alles gewonnen. "Der bleibt in mir und ich in ihm."
Ist das nicht schrecklich "intolerant"? Wenn Jesus hier sagt: An mir. Da führt kein Weg vorbei. Ob du Christ bist oder Atheist. Buddhist oder Moslem. Ob du Esoteriker bist und dir tiefsinnige Gedanken machst, oder ob du Gott sonntags morgens nur im Wald suchst (und nicht in der Kirche). An mir, an Jesus, da führt kein Weg vorbei - wenn du nur einen Funken echtes, ewiges Leben in dir haben willst.
Schon damals konnten das viele nicht ertragen - daß Jesus so einseitig war. Sie sagten: das ist eine harte Rede, wer kann sie hören (Johannes 6,60)? Und viele wandten sich zu diesem Zeitpunkt von Jesus ab - das war ihnen doch zu viel. Wenn Jesus ihnen gesagt hätte: ich lade euch ein zu einem erfüllten Leben - möchtet ihr nicht gern dabei sein? Wollt ihr es euch vielleicht überlegen? Das hätten sich viele gefallen lassen. Aber er sagt dagegen: ohne mich - "geht gar nichts". Wenn ihr nicht mein Fleisch  eßt und mein Blut trinkt, dann seid ihr völlig leblos. Geistlich leblos. Selbst wenn ihr nach außen noch jung und gesund ausseht. Wer mich aber im Glauben aufnimmt - der lebt, endlich lebt er! Der lebt das Leben, das auch in der Ewigkeit nicht aufhören wird.
Wenn das so ist - dann hilft mir allerdings das Abendmahl sehr. Es hilft mir sehr, diese Zusammenhänge zu verstehen. In mich aufzunehmen. Wenn ich mir vorstelle: Gleich, beim Abendmahl. Da kommt auf geheimnisvolle Weise Jesus zu mir. Und wenn ich dann Brot und Wein esse und trinke. Dann stelle ich mir vor, wie Jesus mir sagt: ich bin für dich so lebenswichtig wie das tägliche Brot. Wer  mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben. Schmecke und sehe, wie gnädig ich zu dir bin. Vertraue mir. Ja, wer hungrig und durstig kommt - hungrig und durstig nach Jesus. Hungrig nach der Gemeinschaft mit Jesus. Der kann allerdings viel mitnehmen, wenn er das Abendmahl empfängt. Wie sagt Jesus: Selig sind, die da hungert - denn sie sollen satt werden (Matthäus 5,6). Satt werden und gestärkt - im Vertrauen auf ihn. Denn Jesus ist das "geistliche Grundnahrungsmittel".

3. Weil Jesus so lebensnotwendig ist, deshalb wollen wir ihn "austeilen"

Wenn das so ist - dann kommt noch eine weitere Schlußfolgerung, gewissermaßen "ganz automatisch". In einem neuen Abendmahlslied heißt es (leben und loben Nr.735) "Jesus lebt und spricht: Seht, ich bin das Licht, tragt das Brot hinaus, kommt teilt aus!"
Es hat in unserer Kirche ja Tradition, von Zeit zu Zeit darauf hinzuweisen: ein guter Christ, vor allem wenn es nicht nur ein Christ, sondern sogar ein Methodist ist ... - der trägt den Glauben weiter, der gibt Zeugnis, der lädt ein usw. usw. Eigentlich keine schlechte Sache - wenn es nicht in einen "erhobenen Zeigefinger" ausartet. Es bringt wenig, wenn ich hin und wieder ein schlechtes Gewissen bekomme, staunend  - oder auch befremdet - sehe, was der eine oder schon so "alles bringt" beim "Zeugnisgeben". Und ich mir dann höchstens noch sage: ja, eigentlich müßtest du ja auch viel mehr tun auf dem Gebiet, aber ... man weiß ja schon, wie das so ist.
Vielleicht zäumt man aber damit das Pferd von hinten auf - und müßte die Sache einmal anders betrachten. Nun, um beim Text und beim Vergleich mit dem Essen zu bleiben: Wenn es im ganzen Land nichts zu Essen gibt, und ich kenne die einzige Stelle, wo man noch etwas bekommen kann. Dann werde ich - wenn ich nicht nur an mich denke -  dann werde ich Anderen davon etwas sagen. Damit sie sich auch etwas holen können, bevor sie verhungern. Vielleicht sind manche sogar schon so vom Hunger geschwächt, daß sie nicht mehr wissen, was sie tun und denken. Und ich muß ihnen sagen: Du solltest dringend einmal wieder etwas essen. Und ich weiß sogar, wo es etwas gibt.
Wenn das wahr ist - daß Jesus lebensnotwendig ist für jeden Menschen. Ob dieser Mensch das wahrhaben will oder nicht. Ob der meint, er braucht Jesus oder nicht. Wenn Jesus wirklich so überlebensnotwendig ist: Dann ist das in der Tat dringend nötig - daß viele, viele noch zum Glauben finden. Das liegt dann gewissermaßen "in der Logik unseres Glaubens". Das hat nichts damit zu tun, daß wir Christen es besser wissen als alle Menschen. Sondern es liegt an diesem - wirklich anstößigen! - Anspruch, den Jesus von sich selbst behauptet.
Ja, wenn das wirklich wahr ist: dann kann ich mir das Abendmahl  auch so vorstellen: ich gehe zum Tisch des Herrn, weil "ich weiß, wo es etwas zu Essen gibt". Ich weiß es. Ich darf es wissen, als einer der wenigen - in einem Land voller "geistlicher Hungersnot". Wo viele Menschen so weit weg leben von Gott - daß sie nicht einmal mehr wissen, was ihnen fehlt. Ich darf essen - denn ich durfte Jesus erkennen, das "geistliche Grundnahrungsmittel".
Was das für mich als Christen bedeutet - das wird für ganz verschieden aussehen. Ich denke, unser Herr traut uns das zu. Daß wir das herausfinden, jeder für sich. Ganz ohne "erhobenen Zeigefinger zum Zeugnisgeben".  Entscheidend ist, daß ich diese "Logik des Glaubens" verstanden habe: Wir Christen bieten nicht unseren Glauben als ein "interessantes Angebot auf dem Markt der Lebensmöglichkeiten" an. "Versuchs doch mal mit Jesus". Oder versuchs mit Mohammed. Oder versuchs ganz ohne Gott. Nein, wir haben kein "interessantes Angebot zu verkaufen". Wo wir die Leute anbetteln müßten wie in der Werbung: Bitte, bitte kauf' unser Produkt. Sondern wir haben jemanden, der überlebensnotwendig ist - für jeden.
Beten wir dafür. Daß noch viele dasselbe erkennen wie wir. Wie wir, die wir schon glauben dürfen. Daß viele erkennen: Jesus ist auch für mich so lebensnotwendig wie das tägliche Brot. Oder wie es im Lied heißt: "Jesus lebt und spricht: Seht, ich bin das Licht, tragt das Brot hinaus, kommt teilt aus!"  Amen.

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