Christus spricht: Wenn ich
erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.
Liebe Gemeinde, liebe Konfirmanden,
Jesus will uns sagen, wie wir in den Himmel kommen. Das ist der Sinn
dieses kurzen Verses: Zu mir ziehen. Zu mir, in den Himmel. Dorthin, wo
Jesus ist. Das ist der Sinn, warum wir in die Kirche gehen. Warum wir
in den Unterricht gehen. Die Prüfung haben... Usw. Damit wir
erfahren, wie wir in den Himmel kommen.
Wie komme ich in den Himmel? Was kann ich dazu tun? Ich will drei
Gedanken dazu weitergeben.
Jesus sagt: Ich will sie zu mir ziehen, die Leute. Ich allein. Einer
unserer berühmten Dichter - Goethe war es - er hat einmal gesagt:
"Wer immer strebend sich bemüht, den können wir
erlösen." Die steile Himmelsleiter zu erklettern, das fängt
damit an, dass ich in die Hände spucke, und dann die erste Stufe
nehme, und dann die zweite, und so weiter, bis ich ganz oben angekommen
bin. Eins stimmt: Es ist gut, wenn ein Mensch sich bemüht, ein
heiliges Leben zu führen. Ein anderes aber stimmt nicht: Dass ich
mit diesem "strebenden Bemühen" in den Himmel komme. Ich mag mir
vornehmen, jeden Tag eine gute Tat zu tun. Für Fortgeschrittene
auch: zwei gute Taten - das "große Pfadfinderexamen". Ich mag mir
vornehmen: Ich will alle zehn Gebote nicht nur auswendig lernen.
Sondern: Ich will die zehn Gebote auch einhalten, sogar dann, wenn es
mir nicht passt. Sicher. Das ist ein guter Vorsatz. Aber in den Himmel
komme ich dadurch nicht. Jesus sagt nicht: Ihr sollt zu mir
hochklettern. Sondern: Ich will euch zu mir ziehen.
Beispiel: Irgendwie scheint es im Menschen "eingebaut" zu sein, dass er
unbedingt selbst in den Himmel hochklettern will. Und es sind nicht nur
deutsche Dichter, die über das strebende Bemühen reden,
sondern auch die vielen Religionen, die der Mensch sich im Laufe der
Weltgeschichte erdacht hat. In einer wunderschönen, ausgedachten
Begebenheit hat einmal jemand versucht, den Unterschied zwischen dem
christlichen Glauben und den Religionen zu erklären. Er vergleicht
den Menschen in seinem "Normalzustand" - in dem er nicht in den Himmel
kommt - mit einem Unglücklichen, der in eine Grube gefallen ist -
eine tiefe, schmutzige Grube. Es kommt der erste große
religiöse Führer vorbei. Und er sagt dem Unglücklichen:
"Du armer Mensch. Wie konntest du nur so dumm sein, in diese Grube zu
fallen. Ich gebe dir einen guten Rat: Falls du da wieder herauskommst,
pass auf, dass dir so etwas nie wieder passiert." Dann kommt ein
Priester vorbei, wieder von einer anderen Religion. Der geht an den
Rand der Grube und sagt: "Es tut mir leid, dich so leiden zu sehen. Ich
könnte dir helfen - wenn du wenigstens die Hälfte der Grube
selbst hochkletterst." Da kommt Jesus vorbei. Er steigt hinunter in die
Grube, stellt den Reingefallenen auf seine Schultern, holt ihn aus der
Grube und reinigt ihn vom Dreck.
Das ist der Unterschied - der Unterschied zwischen Jesus, und unseren
menschlichen Ideen von Erlösung. Jesus zieht uns zu sich. Als ob
er nicht wüsste, wie es in Wirklichkeit um uns bestellt ist! Und
dass wir bei weitem nicht irgendwelchen "Heiligen" gleichen. Sondern
dass es mit uns viel eher ist, wie mit dem unglücklichen Menschen
in der Grube. Der jeden Tag auf´s Neue schwach ist und versagt.
Und schon bei der untersten Stufe der "Himmelsleiter" größte
Schwierigkeiten hat, dort hoch zu klettern. Jesus zieht uns. Zieht uns
zu sich, in seine Nähe. "Wenn ich erhöht werde von der Erde,
so will ich alle zu mir ziehen." So kommen wir in den Himmel.
Können wir also gar nichts "tun"? Eigentlich nicht. Jesus tut
alles. Nicht ich. Sondern er allein. Aber wie ist das nun: Muss ich es
also dem Zufall überlassen, ob er mich zieht? Zieht er also den
einen in den Himmel, und den anderen nicht - ganz wie es ihm beliebt?
Der eine bleibt in der Grube, weil Jesus gerade nicht
vorbeigekommen ist, und der andere hat eben "Glück gehabt"? Oder
ist es noch anders. Und es kommen am Schluss doch irgendwie "alle, alle
in den Himmel", wie es in einem Lied heißt?
Als Jesus sagt: "Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich
alle zu mir ziehen", da hat er eine ganz bestimmte Sache im
Blick. Es ist ein etwas ungewöhnliches Ereignis aus der Zeit, als
das Volk Israel noch durch die Wüste gewandert ist. Giftige
Schlangen waren damals in das Lager gekommen, in große Mengen,
etliche waren schon gestorben an den Bissen, und alle hatten Angst. Da
geschah ein sehr merkwürdiges Wunder Gottes. Mose hatte auf
Anweisung Gottes eine Schlange aus Bronze fertigen lassen. Man steckte
sie auf einen langen Stab und richtete sie so auf, dass jeder sie sehen
konnte. Und auf einmal gab es eine Möglichkeit, vor den Bissen
gerettet zu werden. Wer nur die bronzene Schlange anschaute, wie Gott
es gesagt hatte, wer sie nur anschaute - der wurde geheilt von der
Wirkung des Schlangenbisses. Einfach nur anschauen - und Gott rettete
einen. Ohne jedes "strebende Bemühen" - wie sollte das auch helfen
gegen Schlangenbisse?
Einfach nur anschauen. Wer mich anschaut. Mich, Jesus. Voller Vertrauen
anschaut, wie ich am Kreuz gestorben bin. Gestorben, um die Welt von
ihrer Sünde zu befreien. Wer mich glaubend anschaut. Wie ich
auferstanden bin, nach drei Tagen. Wer mich voller Vertrauen anschaut -
der kommt in den Himmel. Der wird von mir "gezogen". Angezogen. So
angezogen, dass ich ihn "mitziehe". So mitziehe, dass er einmal bei mir
sein wird. Im Himmel. So sagt Jesus. - Schaut einfach nur Jesus an. Wer
er ist. Was er für uns getan hat. Mehr nicht. Und er wird euch
ziehen, zu sich ziehen in seine Nähe. Der wird euch herausziehen.
Egal, in was für eine "Grube" ihr gefallen seid.
Jesus anschauen. Aber wie kann ich ihn anschauen? Sehen kann ich ihn
ja nicht. Nein - sehen nicht. Aber ich kann von ihm hören im
Gottesdienst. Von ihm lesen in der Bibel. Dort, wo seiten- und
bücherweise aufgeschrieben ist, wer Jesus ist. Und je mehr ich von
ihm erfahre, aus Gottes Wort. Desto mehr weiß ich, wie Jesus ist.
Desto mehr kann ich ihn "anschauen". Und merken, wie er mich zu sich
zieht. Ganz ohne dass ich mich "strebend bemühe".
Gottes Wort - die Gelegenheit, um Jesus anzuschauen. Das hat nun
allerdings auch eine ernste Kehrseite, und die will ich nicht
verschweigen. Stellt euch vor, stellen Sie sich vor, die Leute damals
in der Wüste hätten gesagt: Wir haben keine Zeit, eine
bronzene Schlange "einfach nur anzuschauen". So etwas Albernes - wir
können froh sein, wenn wir unsere Alltagsgeschäfte erledigen
können. Trotz der Schlangen. Keine Zeit zum Anschauen: Nein, dann
wären sie auch nicht gerettet worden. Das war nun einmal der
Rettungsweg, den Gott ihnen gezeigt hatte. Daran war nichts zu
rütteln und zu deuteln.
So ähnlich ist das mit Gottes Wort. Wenn ich mir keine Zeit nehme
für Gottes Wort. Dann kann ich Jesus nicht "anschauen". Dann kann
er mich nicht ziehen, zu sich ziehen in den Himmel. Wer sich keine Zeit
nimmt für Gottesdienst und Bibellesen. Wer nach dem
Konfirmandenunterricht erst einmal "alles ruhen" lässt, sich keine
Zeit mehr dafür nimmt. Wer den "lieben Gott einen guten Mann sein
lässt". Der hat vielleicht ein kleines bisschen mehr Freizeit.
Aber er darf nicht erwarten, dass er in den Himmel kommt. Jesus
anschauen, so dass er mich zu sich zieht - das kann ich sonntags weder
in der freien Natur noch auf dem Fußballplatz - sondern in der
Kirche, da wo ich Gottes Wort hören kann. Oder in der
Jugendstunde. Jesus anschauen im Alltag - das kann ich nicht im
Fernsehen, nicht im Beruf, nicht einmal in gut gemeinter
mitmenschlicher Aktivität. Sondern dann, wenn ich mir etwas Ruhe
gönne. Ruhe - z.B. so, dass ich allein bin, nur Gott, meine Bibel,
und ich. Da kann auch der Bibelleseplan helfen, den ihr Konfirmanden zu
Weihnachten geschenkt bekommen habt...
Dazu braucht es nicht einmal viel Zeit. Eine Nachrichtensendung
anschauen dauert eine Viertelstunde, länger nicht. Wie viel
wäre gewonnen, wenn wir uns nur eine Viertelstunde täglich
Zeit nehmen würden für Gottes Wort! Eine Viertelstunde Zeit
für Jesus. Denn das würde den entscheidenden Unterschied
machen. Wenn ich eine Fernsehsendung anschaue, komme ich vielleicht auf
den neuesten Stand. Wenn ich Jesus "anschaue" - dann komme ich in den
Himmel. Weil er mich "aus der Grube" ziehen kann. Aus meinen ganzen
Schwachheiten und meiner Schuld herausziehen kann. Zu sich ziehen kann.
Nein, missversteht mich nicht. Es geht nicht darum, ein "Bibel- und
Gottesdienstgesetz" aufzustellen. Dem ich - strebend bemüht -
nacheifere, und mir damit den Himmel verdiene. Sondern es geht um
Gelegenheiten. Es geht darum, dass ich mir Gelegenheiten nehme. Ganz
bewusst Gelegenheiten nehme, um Jesus zu begegnen. Ihm so zu begegnen,
dass ich merke: Er zieht mich. Er zieht mich - sogar mich, obwohl ich
gar nicht so fromm bin! Er zieht meinen Blick auf sich. Er zieht mich
in seine Nähe. Ich kann ihm vertrauen.
Das wünsche ich Euch, liebe Konfirmanden. Das wünsche ich uns
allen. Dass wir Jesus so anschauen, dass er uns zu sich zieht. Dass wir
Jesus so anschauen, dass wir in den Himmel kommen. Dann - ja dann
hätte sich der Unterricht, all das Lernen, die Prüfung usw.
wirklich gelohnt. Wenn ich das dort gelernt habe - in schönen, und
in manchen mühsamen Stunden. Gelernt, wie ich Jesus anschaue.
Gelernt, wie ich in den Himmel komme. "Jesus Christus spricht: Wenn ich
erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen." Amen.