Der Glauben in der Anfechtung, 4. Teil - Predigt über Jakobus
1,9-12
9 Ein Bruder aber, der niedrig ist,
rühme sich seiner Höhe; 10 wer aber reich ist, rühme
sich seiner Niedrigkeit, denn wie eine Blume des Grases wird er
vergehen. 11 Die Sonne geht auf mit ihrer Hitze, und das Gras verwelkt,
und die Blume fällt ab, und ihre schöne Gestalt verdirbt: so
wird auch der Reiche dahinwelken in dem, was er unternimmt. 12 Selig
ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt
ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen
hat denen, die ihn lieb haben.
Liebe Geschwister,
über 100.000 Menschen gaben kürzlich dem italienischen
Star-Tenor Luciano Pavarotti die letzte Ehre, nachdem er im Alter von
71 Jahren an einem Krebsleiden gestorben war. Nach einem Gottesdienst
in der Kathedrale von Modena, seiner Heimatstadt, ausgestaltet von
internationalen Musik-Größen, wurde er zu seiner letzten
Ruhestätte gebracht. Eine Kunstflugstaffel malte die Farben der
italienischen Flagge an den Himmel, während der Trauerzug sich zum
Grab bewegte. "Es war ein Begräbnis wie für einen
König", meinten italienische Kommentatoren zu diesem Abschied.
Doch mittlerweile sind schon wieder mehrere Tage vergangen. Was bleibt?
, so wird man in einigen Jahren fragen können. Ein ruhmvolles
Andenken, schöne Erinnerungen, viele CDs mit seiner Musik. Aber
Pavarotti selbst - er wird in seinem Grab nicht anders aussehen als die
vielen namenlosen Toten, die an seiner Seite liegen auf dem Friedhof
von Modena. "Die Sonne geht auf mit ihrer Hitze, und das Gras
verwelkt, und die Blume fällt ab, und ihre schöne Gestalt
verdirbt: so wird auch der Reiche dahinwelken in dem, was er
unternimmt." Ja - der Tod ist der "große Gleichmacher". Und ob
ein Mensch reich ist an Geld, oder an künstlerischer Begabung,
oder an Ruhm - am Schluss ist er "dahingewelkt" wie die Blume, und kann
nichts von alledem mit ins Grab nehmen.
Was lehrt uns das über das Thema "Der Glauben in der Anfechtung"?
Wir werden sehen, wie Reichtum - in welcher Form auch immer - in der
Tat eine Anfechtung sein kann, und wie arme Menschen nicht am Glauben
gehindert werden, sondern im Gegenteil selig gepriesen werden in ihrer
Armut.
9 Ein Bruder aber, der niedrig ist, rühme sich seiner
Höhe;
Wer die Kriegs- und Nachkriegszeit mitgemacht hat, wo manche nicht
wussten, wie sie genug zu Essen bekamen für den nächsten Tag.
Oder Menschen von heute, die es aus irgendeinem Grunde "nicht geschafft
haben", keine Arbeit bekommen, jeden Cent umdrehen müssen. Und die
gleichzeitig die vielen um sie herum sehen, die sich all die Dinge
leisten können, die das Leben angeblich schöner machen. Die
werden sich vielleicht verwundert die Augen reiben, wie hier die
Niedrigkeit gepriesen wird.
Und auch damals, in der Gemeinde, an die Jakobus schrieb, mögen
manche aufgehorcht haben, wenn sie an das dachten, was Jakobus in
Kapitel 2 beschreibt: "...wenn in eure Versammlung ein Mann käme
mit einem goldenen Ring und in herrlicher Kleidung, es käme aber
auch ein Armer in unsauberer Kleidung..." (Jakobus 2:2). Kann das nicht
zu einer großen Anfechtung werden, wenn ich selbst nichts habe,
und dann den Überfluss anderer sehe, und die bevorzugte
Behandlung, die sie deshalb auch noch genießen?
In der Tat sollte man hier vorsichtig sein mit allzu schnellen
Antworten. Weit unten zu stehen auf der sozialen Skala, "niedrig" zu
sein, kann selbst einem gläubigen Christen zu einer großen
Anfechtung werden. Vor allem dann, wenn er - z.B. durch die
Schließung seines Betriebs, durch Krankheit o.a. - unverschuldet
dort gelandet ist. Solche Fragen haben längst - auch wenn wir
unter anderen Bedingungen leben als zur Zeit des Jakobus - unsere
Gemeinden erreicht. Und wäre dies hier keine Predigt, sondern eine
politische Rede - dann wäre zu den entsprechenden
gesellschaftlichen und politischen Fragen in unserem Lande - und auch
zu den Fragwürdigkeiten - , zu alledem wäre in der Tat eine
Menge zu sagen.
Ich denke auch nicht, Jakobus wollte solche Fragen beschönigen.
Gerade auf ihre Bedeutung in der Gemeinde geht er ja im zweiten Kapitel
ausführlich ein. Hier jedoch kommt ein anderer Gedanke: Es gibt in
der Tat einige gute geistliche Argumente, warum man sich als Christ
seiner Niedrigkeit "rühmen" kann, und wie das hilft, die - echte!
- Anfechtung im Glauben zu nehmen, die die Armut sein kann.
Die wichtigste Botschaft für alle Armen zuerst: Es gibt vor Gott
kein Ansehen der Person - nicht nach Geld, nicht nach Ruhm, nicht nach
Leistung. "Liebe Brüder, haltet den Glauben an Jesus Christus ...
frei von allem Ansehen der Person." (Jakobus 2:1) So schreibt auch
Jakobus, am Anfang des nächsten Kapitels. Und auch, wenn damals in
der Gemeinde dem Reichen im Gottesdienst gesagt wurde: "Setze dich
hierher auf den guten Platz!" (Jakobus 2:3) Und wenn es auch in unserem
eigenen Land in vergangenen Zeiten üblich war, dass die Adligen
und andere "Herrschaften" besondere Sitze in den Kirchen hatten. Eines
darf man dabei nicht vergessen: Einen "guten Platz im Himmel" kann man
sich nicht kaufen. Weder mit Geld, noch mit irgend etwas anderem.
Den Preis für diese Plätze kann nur ein einziger bezahlen:
Unser Herr Jesus Christus. "Denn auch der Menschensohn ist nicht
gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene
und sein Leben gebe als Lösegeld für viele." (Markus 10:45)
Hier sind sie alle darauf angewiesen, dass ein anderer für sie
bezahlt - ob Arme oder Reiche. Und so kann ein gläubiger Mensch -
selbst wenn er arm ist - sich seiner Höhe rühmen,
nämlich der hohen Stellung seiner Gotteskindschaft und einer
riesigen, unbezahlbar guten "Erbschaft": Hat doch sein reicher Herr ihm
einen "Platz im Himmel" gekauft und mit seinem eigenen Leben dafür
bezahlt. Und diesen Platz wird er länger einnehmen als die 70 oder
80 Jahre, die er auf dieser Erde verbringt - nämlich eine ganze
Ewigkeit lang. Einen größeren Reichtum gibt es eigentlich
nicht, oder?
Doch schon in diesem Leben hat Gott ein besonderes Auge auf die "sozial
Benachteiligten", wie man sie heute so schön nennt. Bereits im
Alten Testament lesen wir immer wieder davon. "Denn der HERR, euer
Gott, ist der Gott aller Götter und der Herr über alle
Herren, der große Gott, der Mächtige und der Schreckliche,
der die Person nicht ansieht und kein Geschenk nimmt und schafft Recht
den Waisen und Witwen und hat die Fremdlinge lieb, daß er ihnen
Speise und Kleider gibt." (5. Mose 10:17-18) Wie lehrt Jesus dann seine
Jünger: "Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer.
Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr sollt satt werden.
Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen." (Lukas
6:20-21) Wir können das sicher nicht nur auf die Witwen und Waisen
der damaligen Zeit beziehen - sondern es auch auf unsere
Verhältnisse übertragen. Auf die alleinerziehende Mutter, die
nicht weiß, wie sie für ihre Kinder ordentliche Wintersachen
bezahlen soll. Auf den Rentner, der am Schluss des Monats gerade noch
genug Geld im Portemonnaie hat, um vor dem nächsten Ersten noch
einige Lebensmittel zu besorgen. Usw. usw.
Dazu passt es dann auch, wenn Jesus in der Bergpredigt die großen
Zusagen des himmlischen Vaters an alle seine Kinder erwähnt
(Matthäus 6): "31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was
werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?
32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater
weiß, daß ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst
nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das
alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige
Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß jeder Tag
seine eigene Plage hat."
Ja, wenn man es so betrachtet - angesichts der vielen
Verheißungen, die gerade für die Armen gelten. Dann hat der
niedrige Bruder in der Tat Grund, sich seiner Höhe zu rühmen.
Nicht seiner eigenen Höhe, die ihm aufgrund von Geld, Ansehen,
Erfolg oder gesellschaftlicher Stellung zukommt - das könnte er ja
gar nicht. Sondern sich zu rühmen der Höhe der Liebe und der
Zuwendung Gottes, die Gottes Wort ihm verheißen - gerade ihm.
Ganz zu schweigen von der Höhe seiner Stellung, die ihm als Kind
seines allmächtigen Vaters im Himmel zukommt.
Doch es gibt noch einen weiteren Grund, der bereits zum nächsten
Gedanken überleitet: Wer von all den irdischen Vorzügen nicht
zu viel hat, die dieses Leben bieten kann, bei dem fehlt der "Ballast".
Der Ballast, der einen Menschen hindern kann, in seinem Glaubenleben
"hochzukommen". "Und weiter sage ich euch: Es ist leichter, daß
ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher ins
Reich Gottes komme." (Matthäus 19:24) So sagt Jesus zu seinen
Jüngern, nachdem der reiche Jüngling sich abgewandt und von
Jesus fortgegangen war. Irdischer Reichtum - und damit meinen wir im
Folgenden nicht nur das Geld - kann in der Tat eines der
größten Glaubenshindernisse sein. Und dieses Hindernis hat
der Arme nicht. Damit kommen wir gleich zum nächsten Vers:
10 wer aber reich ist, rühme sich seiner Niedrigkeit, denn wie
eine Blume des Grases wird er vergehen. 11 Die Sonne geht auf mit ihrer
Hitze, und das Gras verwelkt, und die Blume fällt ab, und ihre
schöne Gestalt verdirbt: so wird auch der Reiche dahinwelken in
dem, was er unternimmt.
Wer im Mai durch die Landschaft gefahren ist, der konnte mancherorts
eine gewaltige gelbe Blütenpracht bestaunen: ausgedehnte
Rapsfelder, leuchtend wie ein gelbes Meer. Die Schönheiten von
Gottes Schöpfung sind doch immer wieder bewundernswert. Diese
gelbe Schönheit währte allerdings nicht einmal bis in den
Sommer. Bald war alles verblüht, und die Felder sahen wieder aus
wie ihre Umgebung, grün und alltäglich. "Die Blume fällt
ab, und ihre schöne Gestalt vergeht."
Nicht nur hier verweist uns Gottes Wort auf die Natur, damit wir dort
Gleichnisse entdecken für geistliche Zusammenhänge.
Schön, aber vergänglich - so könnte man vieles
beschreiben, in der Natur, aber auch im menschlichen Leben. "Aber Gott
sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir
fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?"
(Lukas 12:20) So sagt Gott zum reichen Kornbauern. Der war ein echter
Unternehmer, fleißig, erfolgreich und voller Pläne. Er war
einer, der dachte, er habe nun nach all seinen Unternehmungen endlich
Ruhe für seine Seele gefunden. Aber wie sagt Jakobus über
solche Leute mit "Unternehmergeist": "so wird auch der Reiche
dahinwelken in dem, was er unternimmt".
Manch ein christlicher Verkündiger hat allerdings aus solchen
Sätzen schon eine Art Generalverdacht gegen alle Arten von
Unternehmer abgeleitet, überhaupt gegen alle Arten von etwas
wohlhabenderen Menschen: Ein Unternehmer ist schließlich ein
Kapitalist, also ein Ausbeuter, also von vornherein alles andere als
christlich. Dass es solche Exemplare unter dem wohlhabenderen Teil
unserer Bevölkerung gibt, das wollen wir gar nicht bestreiten.
Dazu wäre - wie gesagt am rechten Ort, also in einer politischen
Rede - einiges zu sagen. Aber wir wollen hier weder einen
Generalverdacht aussprechen und alle über einen Kamm scheren, noch
wollen wir uns überhaupt auf die falsche Spur bringen lassen.
Es geht Jakobus nicht darum, Reichtum, Erfolg usw. zu verdammen. Denkt
daran, wie reich allein eines der größten Glaubensvorbilder
aus dem Alten Testament war - ich meine Abraham. Nein, Jakobus will
darüber sprechen, was so ein erfolgreiches Leben aus einem
Menschen machen kann. Und wie es einen Menschen in eine Anfechtung
gefährlichster Art bringen kann, eine Anfechtung, in die einer,
der schon "unten" ist, so nicht geraten kann.
Im vierten Kapitel schildert Jakobus sehr drastisch, wie er das meint.
Zuerst redet er solche "Menschen mit Unternehmergeist" direkt an: "13
Und nun ihr, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die oder die
Stadt gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und
Gewinn machen -,". Ja, es sind wirklich engagierte, rührige,
erfolgreiche Menschen - eigentlich nichts dagegen zu sagen. Aber wie
fährt Jakobus fort: "14 und wißt nicht, was morgen sein
wird. Was ist euer Leben? Ein Rauch seid ihr, der eine kleine Zeit
bleibt und dann verschwindet." Da ist sie wieder, die
Vergänglichkeit. Was empfiehlt Jakobus ihnen: "15 Dagegen solltet
ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun."
Dazu aber sind sie nicht bereit. Deshalb schließt er treffend:
"16 Nun aber rühmt ihr euch in eurem Übermut. All solches
Rühmen ist böse."
Es geht also nicht um einen grundsätzlichen Vorbehalt gegen
Reichtum, Gewinnstreben und Erfolg. Sondern es geht um eine falsche
Selbstsicherheit - eine Selbstsicherheit, bei der Gott im Leben
schließlich nur noch Zaungast und Randfigur sein darf, vielleicht
noch eine gewisse religiöse "Zusatzversicherung", aber nicht mehr
der Grund meines Lebens schlechthin.
Damit kommt uns das Wort vielleicht näher, als es uns lieb ist.
Wenn ich mich so umschaue in unseren Gemeinden, dann würde ich
sagen: So richtig reiche Leute und Großunternehmer haben wir wohl
nicht so viele - belehrt mich eines Besseren, wenn ich falsch liege...
Also könnte man ja meinen: Ja - so ein richtig schönes
Bibelwort für "die Anderen", aber nicht für mich. Wenn es
allerdings in Wirklichkeit um etwas ganz anderes geht - nämlich um
diese falsche Selbstsicherheit. Dann kommt uns die Sache schon viel
näher.
Man kann sich ja auch mit einem so genannten "bescheidenen Wohlstand"
ganz gut einrichten, auch als Christ. Du hast Arbeit, deine Frau
vielleicht auch. Oder eine Rente, nicht zu hoch, aber doch genug
für einen gesicherten Lebensabend. Du hast dir ein gewisses
Ansehen erarbeitet: In der Familie, auf der Arbeit, unter deinen
Mitbürgern, in deiner Gemeinde. Und abgesehen von den
üblichen Lasten, die jedes Leben so mit sich bringt, läuft es
eigentlich "einigermaßen rund". Ein guter Sonntagsgottesdienst
mit einer aufbauenden Botschaft - das ist da noch das rechte
"Tüpfelchen auf dem I", das Sahnehäubchen
gewissermaßen.
Nein, keiner soll dir das missgönnen - obwohl auch der
bescheidene Wohlstand immer wieder seine Neider findet. Aber wusstest
du auch, das du dich mit diesem schön eingerichteten Leben am
Abgrund der größten Anfechtung befindest - wenn du nicht
sogar schon mitten darin steckst? "Die Blume fällt ab, und ihre
schöne Gestalt verdirbt: so wird auch der Reiche dahinwelken in
dem, was er unternimmt." Und man möchte erinnern: Gemeint sind
nicht nur die "Großkapitalisten", sondern auch der Christ, der es
sich schön gemütlich eingerichtet hat in seinem "bescheidenen
Wohlstand". Wohl dem, der sich dessen bewusst bleibt! Eine erkannte
Gefahr ist nur noch halb so gefährlich wie eine unbekannte. Wer
sich hier - und das ist immer wieder von neuem nötig! - in seiner
falschen Selbstsicherheit erschüttern lässt. Der ist schon
auf dem besten Weg. "Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder
das tun." (Jakobus 4:15) Wohl dem, der das noch aufrichtig sagen kann!
Nach all den Bedenken wollen wir das Ganze aber noch sehr positiv
schließen, und zum rechten Umgang mit solchen Anfechtungen etwas
sagen, und auch, wie man sie überwinden kann. Deshalb der letzte
Vers:
12 Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er
bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott
verheißen hat denen, die ihn lieb haben.
Erdulden - das ist so leicht gesagt, aber so schwer getan. Wie kann ich
solche Anfechtungen erdulden? Muss ich mich dazu in höchstem
Maße anstrengen? Immer entschlossener ein heiliges Leben
führen? Vielleicht finden wir die kürzeste Antwort auf diese
Frage bei Johannes dem Täufer. Der sagte über sich und seinen
Dienst, als er von Jesus hört: "Er muß wachsen, ich aber
muß abnehmen." (Johannes 3:30) Sich selbst für immer
unwichtiger nehmen, alle Selbstsicherheit mehr und mehr abgeben. Und
dafür ihm, dem Herrn, seine Ehre und mein ganzes Vertrauen zu
geben. Das mag das rechte Dulden sein.
Hier hat der Arme es in seinen Anfechtungen auf den ersten Blick
leichter: Das Leben selbst hat ihn bereits gelehrt, wie es ist, wenn
man sich "unten" befindet. Er hat nicht so viel Gelegenheit, in
falscher Selbstsicherheit zu schwelgen. Für ihn heißt
Erdulden in erster Linie: Glauben lernen. Dem immer mehr Vertrauen zu
schenken, der als sein himmlischer Vater auf ihn acht hat. Dem immer
mehr zu Vertrauen schenken, der ihn durch Jesus Christus zu seinem Kind
gemacht hat. Auf das Wort immer mehr hören, das voller
Verheißungen ist - gerade für ihn. Das ist sein rechtes
Erdulden.
Der Reiche dagegen - ob nun in "bescheidenem Wohlstand" behaglich
eingerichtet, oder als echter "Großkapitalist". Er hat oft mehr
Lektionen zu lernen, bis bei ihm "das Kamel durch's Nadelöhr
passt". Denn er muss sich zuerst der Gefahr bewusst werden, die von
seinem kleinen oder großen Glück ausgeht. Er muss der
Anfechtung ins Auge sehen, die daraus kommen kann - wenn er nicht schon
mitten darinnen steckt. Er muss zuerst seine Selbstsicherheit
verlieren, das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten und
Planungen. Erst dann kann er das Vertrauen lernen, das nottut: Das
Vertrauen, das seine Hoffnung allein auf den Herrn Jesus Christus
setzt. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. Wenn der Herr will,
werden wir leben und dies oder das tun.
Beiden - Armen wie Reichen - ist Großes verheißen, wenn sie
sich auf diesen Glaubensweg begeben. Auf den Weg derer, die Gott lieb
haben. Sie werden "die Krone des Lebens empfangen", d.h. sie werden im
Himmel ankommen, werden ihren Weg gehen mitten durch alle Anfechtungen
hindurch, bis sie in der Herrlichkeit bei ihrem himmlischen Vater sind.
Eine wunderbare Aussicht! Und beachtet dabei auch: Diese "Krone des
Lebens" ist nicht erarbeitet, sie ist nicht verdient, auch nicht durch
ein entschlossenes, heiliges Leben. Diese Krone ist nicht erarbeitet -
sie ist verheißen. Wenn in der Bibel steht, Gott verheißt
etwas. Dann zeigt sie damit an: Er ist der Geber. Seine freie Gnade ist
es, die die Verheißung erfüllt. Und wir dürfen und
können nur dankbar und staunend annehmen, was seine Hand uns gibt.
Egal, wo wir gerade stehen. Ob wir uns eher unter die "Armen" oder
unter die "Reichen" zählen - oder irgendwo mittendrin. Lasst uns
diesen Glaubensweg gehen, mitten hindurch durch alle Anfechtungen, bis
zum Ziel. Geben wir unserem Herrn unser ganzes Vertrauen. Er wird uns
auf diesem Weg festhalten. "Selig ist der Mann, der die Anfechtung
erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des
Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb
haben." Amen.
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