Gottes heilige Liebe: "Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun"

Predigt über Jeremia 32 (in Auszügen)

Lesung: Jeremia 32,1-3.6-9.16.24-27.36-44:
1 Dies ist das Wort, das vom HERRN geschah zu Jeremia im zehnten Jahr Zedekias, des Königs von Juda, das ist das achtzehnte Jahr Nebukadnezars. 2 Damals belagerte das Heer des Königs von Babel Jerusalem. Und der Prophet Jeremia lag gefangen im Wachthof am Hause des Königs von Juda, 3 wo Zedekia, der König von Juda, ihn hatte gefangen setzen lassen, indem er sagte: Warum weissagst du und sprichst: So spricht der HERR: Siehe, ich gebe diese Stadt in die Hände des Königs von Babel, und er soll sie erobern ...
6 Und Jeremia sprach: Es ist des HERRN Wort zu mir geschehen: 7 Siehe, Hanamel, der Sohn Schallums, deines Oheims, wird zu dir kommen und sagen: Kaufe du meinen Acker in Anatot; denn dir kommt es als Erstem zu, ihn einzulösen und zu kaufen. 8 Da kam Hanamel, meines Oheims Sohn, wie der HERR gesagt hatte, zu mir in den Wachthof und sprach zu mir: Kaufe doch meinen Acker in Anatot, der im Lande Benjamin liegt; denn dir kommt es zu, ihn zu erwerben und einzulösen; kaufe du ihn! Da merkte ich, daß es des HERRN Wort war, 9 und kaufte den Acker von Hanamel, meines Oheims Sohn, in Anatot, und wog ihm das Geld dar, siebzehn Lot Silber. ...
16 Und als ich den Kaufbrief Baruch, dem Sohn Nerijas, gegeben hatte, betete ich zum HERRN und sprach: ... 24 Siehe, die Wälle reichen schon bis an die Stadt, daß sie erobert werde, und sie muß wegen Schwert, Hunger und Pest in die Hände der Chaldäer gegeben werden, die sie belagern; und wie du geredet hast, so ist's geschehen; du siehst es ja selbst. 25 Aber du, Herr HERR, sprichst zu mir: »Kaufe dir einen Acker um Geld und nimm Zeugen dazu«, obwohl doch die Stadt in die Hände der Chaldäer gegeben wird? 26 Und des HERRN Wort geschah zu Jeremia: 27 Siehe, ich, der HERR, bin der Gott alles Fleisches, sollte mir etwas unmöglich sein? ...
36 Nun aber, so spricht der HERR, der Gott Israels, von dieser Stadt, von der ihr sagt, daß sie durch Schwert, Hunger und Pest in die Hände des Königs von Babel gegeben werde: 37 Siehe, ich will sie sammeln aus allen Ländern, wohin ich sie verstoßen in meinem Zorn, Grimm und großem Unmut, und will sie wieder an diesen Ort bringen, daß sie sicher wohnen sollen. 38 Sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. 39 Und ich will ihnen einerlei Sinn und einerlei Wandel geben, daß sie mich fürchten ihr Leben lang, auf daß es ihnen wohlgehe und ihren Kindern nach ihnen. 40 Und ich will einen ewigen Bund mit ihnen schließen, daß ich nicht ablassen will, ihnen Gutes zu tun, und will ihnen Furcht vor mir ins Herz geben, daß sie nicht von mir weichen. 41 Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun, und ich will sie in diesem Lande einpflanzen, ganz gewiß, von ganzem Herzen und von ganzer Seele. 42 Denn so spricht der HERR: Gleichwie ich über dies Volk all dies große Unheil habe kommen lassen, so will ich auch alles Gute über sie kommen lassen, das ich ihnen zugesagt habe. 43 Und es sollen Äcker gekauft werden in diesem Lande, von dem ihr sagt: »Eine Wüste ist's ohne Menschen und Vieh; es ist in der Chaldäer Hände gegeben.« 44 Man wird Äcker um Geld kaufen und verbriefen, versiegeln und Zeugen dazu nehmen im Lande Benjamin und um Jerusalem her und in den Städten Judas, in den Städten auf dem Gebirge, in den Städten des Hügellandes und in den Städten des Südlandes; denn ich will ihr Geschick wenden, spricht der HERR.

Liebe Geschwister,
das Gericht Gottes ist unausweichlich - wenn wir auf Dauer an Gottes Wort vorbeileben. Und doch - sollte das Gericht nie das letzte Wort Gottes bleiben. Sondern seine Gnade, seine Liebe, die alles umschließt: "Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun." Das ist das, was Gottes Herz im tiefsten bewegt.
Weil das alles viel mit dem Bild zu tun hat, das wir uns von Gott machen. Deshalb möchte ich zunächst zwei "Warnschilder" aufstellen, die auf Wege bzw. Abwege hinweisen. Und dann schauen, warum der Glaube an Jesus Christus heißt: Ich habe immer Grund, Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

1. Das erste Warnschild: Der sogenannte "liebe Gott"

Ich weiß nicht, wer die Rede vom "lieben Gott" aufgebracht hat. Vielleicht weiß es niemand mehr so genau. Eines können wir jedoch sicher wissen: In der Bibel finden wir so etwas nicht. Dennoch - solche Vorstellungen gab es schon immer, seit die Menschen von Gott reden. Begeben wir uns dazu auf eine Reise in die Vergangenheit.
Wir schreiben ungefähr das Jahr 587 vor Christus. In einem kleinen, weltpolitisch unbedeutenden Land. In einer Stadt, die sich nicht mit den Weltstädten der großen Völker messen kann. Dort warten die eingeschlossenen Einwohner auf ihr Ende. Wenn sie sich auf ihre Stadtmauer stellen, dann sehen sie ringsherum nur eines: schier endlose Reihen von Soldaten, Fahnen, Kampfwagen, Zelte, vielleicht Geschützstellungen für Steinschleudern. Die Stadt ist von der Außenwelt abgeschlossen. Drinnen breiten sich Seuchen aus. Immer mehr fallen einer Pestepedemie zum Opfer - wer sich ansteckt, hat praktisch keine Chance. Genug zu essen gibt es schon lange nicht mehr. Wer nicht der Pest zum Opfer fällt, mag am Hunger sterben. Dabei waren sie sich so lange so sicher gewesen: Bei uns steht die Kirche noch im Dorf - Gott ist in jedem Fall auf unserer Seite. "Hier ist des Herrn Tempel, hier ist des Herrn Tempel, hier ist des Herrn Tempel!" (Jeremia 7:4) So leierte man es herunter, fast wie einen Zauberspruch, der die Stadt beschützen sollte.
Wo war er nur, ihr "lieber Gott"? Von dem sie dachten, dass er sie nie verlassen würde? Im Jahre 586 vor Christus ist die belagerte Stadt "reif": Sie wird gestürmt, die Stadtmauern geschleift, das wichtigste Gebäude - der Tempel - wird von den Babyloniern entweiht und niedergerissen. Wer von den Einwohnern übrig bleibt, wird von den Eroberern verschleppt in ein fernes Land. Wenige bleiben zurück - in einer Stadt, die nur noch ein Trümmerhaufen ist. Die ersten wilden Tiere aus der Umgebung der Stadt kommen, und suchen sich ihre Wohnung - in den Mauerspalten der eingestürzten Gebäude.
Wie konnte das nur geschehen? Wie konnte Jerusalem so enden? Wie so etwas Gottes auserwähltem Volk widerfahren? Wenn wir der Sache auf den Grund gehen, dann stellen wir fest: Sie hatten sich eine "fromme Scheinwelt" aufgebaut. Ein prächtiger Tempel, herrliche Gottesdienste, fromme Lieder auf der einen Seite. Und ein Leben, das all dem Hohn sprach - auf der anderen Seite. Der Prophet Jeremia musste ihnen das vorhalten - und er tat es nicht gern (Jeremia 7): "8 Aber nun verlaßt ihr euch auf Lügenworte, die zu nichts nütze sind. 9 Ihr seid Diebe, Mörder, Ehebrecher und Meineidige und opfert dem Baal und lauft fremden Göttern nach, die ihr nicht kennt. 10 Und dann kommt ihr und tretet vor mich in diesem Hause, das nach meinem Namen genannt ist, und sprecht: Wir sind geborgen, - und tut weiter solche Greuel." So predigt Jeremia einige Kapitel vorher, in seiner berühmten "Tempelrede". Und fährt dort fort, mit den Worten, auf die später Jesus bei der Tempelaustreibung anspielen wird: "11 Haltet ihr denn dies Haus, das nach meinem Namen genannt ist, für eine Räuberhöhle? Siehe, ich sehe es wohl, spricht der HERR."
Man hat Jeremia seine offenen Worte nicht gedankt, und nahm ihn gefangen. Ein anderer Prophet, Uria, hatte für eine solche Verkündigung sogar mit seinem Leben zu bezahlen (Jeremia 26). Ja - die Menschen in Jerusalem hatten sich eine "fromme Scheinwelt" aufgebaut. Sie waren derart immun, derart widerstandsfähig gegen Gottes Wort geworden - dass sie störende Verkündiger nur noch beiseite schaffen konnten. Statt dass sie darin die letzte Chance sahen, die Gott ihnen noch gab. Und so hatten sie schließlich die bittere Lektion zu lernen: Einen "lieben Gott", der zu allem "Ja und Amen" sagt, den gibt es nicht. Sie hatten Gottes Wort nicht hören wollen - und jetzt sprachen die rauchenden Trümmer Jerusalems zu ihnen.
Wenn Gottes Wort nicht gehört wird, dann sprechen die Trümmer. Liebe Geschwister - sehen wir jetzt, warum es so unglaublich wichtig ist, dass wir immer wieder, regelmäßig, möglichst oft Gottes Wort hören? Ja, dass wir es nicht nur hören - sondern es uns auch zu Herzen nehmen? Schließlich sind wir - keiner von uns - rein wie die Engel. Zu tief steckt es im Menschen drin. Zu groß ist die Versuchung, sich eine "fromme Scheinwelt" einzurichten: christliche Lieder, Gottesdienst und Mitarbeit in der Gemeinde auf der einen Seite. Und "dunkle Ecken" in meinem Leben auf der anderen Seite - von denen ich genau weiß, dass sie nicht mit Gottes Geboten, und nicht mit einem Leben in der Nachfolge Jesu zusammenpassen.
Wohl dem, der sich hier etwas von Gottes Wort sagen läßt. Und sich kein Scheinbild von einem "lieben Gott" zusammenbaut. Dafür ist schließlich Gottes Wort da. Dafür gibt es Verkündigung. Gott spricht zu uns, weil wir Sünder sind - und eben keine Engel, auch nicht als langgediente Christen. Gott spricht zu uns: damit es gar nicht erst soweit kommt - und ich vor den Trümmern eines Lebensabschnittes stehe. Vor einer zerbrochenen Beziehung, vor einer zerbrochenen Familie. Vor dem Berg meiner Schulden. Vor meiner Alkoholsucht. Und ich mir sagen muss: Hätte ich doch früher auf das Wort Gottes gehört - dann hätte es nicht so weit kommen müssen.
Ich weiß wohl, dass sich nicht jede schwere Lebensführung einfach "Eins zu Eins" mit bestimmten Sünden erklären läßt. Diese Art von simpler "Glaubensmathematik" sei ferne! Manches bleibt ein Rätsel, und ich muß es tragen - obwohl ich aufrichtig und klar nach Gottes Wort gelebt habe. Aber vergessen wir darüber nicht, dass es auch das andere geben kann: Mancher muss erst durch eine schwere Lebensführung, durch ein Gericht Gottes mitten in seinem Leben. Muss lernen, dass es keinen "lieben Gott" gibt - sondern einen Gott voll heiliger Liebe. Muss lernen, dass es Zeit wird, von seiner "frommen Scheinwelt" Abschied zu nehmen. Dass es Zeit wird, konsequent nach dem Wort Gottes zu leben.

2. Das zweite Warnschild: Gott, der "himmlische Tyrann"?

Bei so ernsten Gedanken kommt immer wieder eine wichtige Frage auf: Empfindet Gott eigentlich Freude, wenn er sein Gericht über die Menschen vollzieht? Empfindet unser Herr Jesus Christus Freude, wenn er am Jüngsten Tag auf dem Thron des Weltenrichters sitzt? Wenn er zu einer ganzen Anzahl von Menschen, zu denen "zur Linken",  sagen muß: "Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!" (Matthäus 25:41) Wäre das nicht ein grausamer Tyrann?
Ich denke, wenn wir Gott solche Freude unterstellen. Dann hätten wir wirklich sehr menschliche Vorstellungen von ihm. Doch soll hier keiner allzu schnell mit Fingern von sich weg zeigen, und den ersten Stein werfen. Immerhin - schon die Jünger Jesu dachten manchmal so. Als sie z.B. sahen, wie ihr Herr in einem Dorf abgewiesen wurde. Da heißt es (Lukas 9,54+55): "Als aber das seine Jünger Jakobus und Johannes sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen, daß Feuer vom Himmel falle und sie verzehre." Doch Jesus läßt ihnen ihr "gesundes Volksempfinden" nicht, mit dem sie hier verlangen: Die sollen bekommen, was sie verdient haben. Und so heißt es weiter: "Jesus aber wandte sich um und wies sie zurecht."
In der Tat - ob gerade ernsthafte Christen hier gefährdet sind? Dass bei ihnen eine   Art  klammheimlicher Freude aufkommen kann, wenn die gottlosen Menschen endlich das bekommen, was sie - ihrer Meinung nach - schon lange verdient haben? Vielleicht ging es dem Propheten Jeremia ja genauso. Nach jahrelanger, erfolgloser Verkündigung befindet er sich nun mitten in der untergehenden Stadt Jerusalem. Was hat er nicht alles erlitten - nur weil er immer wieder diese schonungslose, klare Botschaft von den Sünden des Volkes, und das Wort vom Gericht Gottes gepredigt hat. Nur, weil er nicht schöngeredet hat, wie so viele der festangestellten Priester. Wie die, die sich den Wünschen der Menge angepaßt haben.
Und nun soll ausgerechnet er einen Acker kaufen, einen Acker, als Zeichen für eine Zukunft voller Hoffnung? Bekommen sie jetzt nicht endlich, was ihnen zusteht? Haben sie nicht ihn, Jeremia, den Boten Gottes, so lange nicht hören wollen? Ja: Sie haben nicht hören wollen - und wer nicht hören will, der muß irgendwann fühlen! "Siehe, die Wälle reichen schon bis an die Stadt, daß sie erobert werde, und sie muß wegen Schwert, Hunger und Pest in die Hände der Chaldäer gegeben werden, die sie belagern; und wie du geredet hast, so ist's geschehen; du siehst es ja selbst." (Jeremia 32:24) Es sieht so aus, dass Jeremia es einfach nicht wahrhaben will. Dass dieses Gericht. Dieses Gericht, das sich vor seinen Augen über Jerusalem vollzieht. Dass das nicht Gottes letztes Wort ist. Dass schon das Licht am Ende des Tunnels sichtbar werden soll. Wie sie nach 70 Jahren Gefangenschaft zurückkehren, und ihre Stadt, ihre Mauer und ihren Tempel wieder aufbauen.
Nein, es bereitet Gott keine Freude, wenn er über Menschen sein Gericht vollziehen muß. Über Menschen, die hartnäckig und ausdauernd ihre Herzen verschlossen haben. Die nicht auf Gottes Wort hören wollten - obwohl es ihnen immer wieder gesagt wurde. Nein - Freude hat Gott wirklich nicht daran. Das paßt nicht zu seinem Wesen. Freude hat Gott vielmehr, wenn er uns seine Liebe zeigen kann. "Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun, und ich will sie in diesem Land einpflanzen, ganz gewiß, von ganzem Herzen und von ganzer Seele." (Jeremia 32:41) So sagt er es hier schon dem Jeremia - der vielleicht gern etwas anderes gehört hätte.
Deshalb sollte es auch für uns keine Freude sein, wenn wir über das Gericht Gottes reden. Es sollte für uns keine Freude sein, wenn ein unbelehrbarer Mensch schließlich vom Gericht Gottes eingeholt wird - weil er die vielen Fingerzeige Gottes nicht sehen wollte. Wenn ein Christ das Gericht Gottes bezeugt: Dann tut er das, weil er es tun muss. Weil es die Ehrlichkeit gebietet. Weil die Lage ernst ist.
Viel lieber würde er immerzu von der Liebe Gottes reden. Davon, wie Jesus sagt: "... ich bin nicht gekommen, daß ich die Welt richte, sondern daß ich die Welt rette." (Johannes 12:47) Ich denke, wenn wir es so angehen: Dann kann die Vorstellung von Gott, dem "himmlischen Tyrannen", gar nicht erst aufkommen. Sondern dann reden wir von Gottes heiliger Liebe. Der Liebe, die so sehr brennt, dass er dafür sogar seinen eigenen Sohn hingibt: "Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun."

3. Jeremias Acker und das Evangelium von Jesus Christus

Was jetzt geschieht, in Jerusalem. Unter Beteiligung des Propheten Jeremias. Das ist an Verrücktheit - scheinbar - nicht mehr zu überbieten. Man stelle sich das Ganze einmal in unserer Zeit vor, in Bildern, wie wir sie aus den Nachrichten kennen: Mitten in einer Stadt, im Kriegszustand. Oben am Himmel sieht man die Bomber. Links und rechts schlagen Granaten ein. Und mitten drin ein Bürogebäude, das noch nicht zerstört ist. "Müller & Müller, Rechtsanwälte und Notare" steht auf dem Schild. Drinnen ist man gerade dabei, ein Immobiliengeschäft für das Grundbuch fertig zu machen: "Ich kaufe das Grundstück, weil ich in ein paar Jahren dort eine Fabrikhalle aufstellen will. Es sollen etliche Arbeitsplätze dabei entstehen. Ich finde, man sollte in die Zukunft unserer Stadt investieren - gerade jetzt." Der Käufer nimmt den Kugelschreiber zum Unterzeichnen des Vertrags. Notar und Verkäufer des Grundstücks schauen sich verlegen an, als wollten sie mit ihren Blicken sagen: Dem ist nicht mehr zu helfen. Jeden Augenblick kann genau hier, wo wir sitzen, die nächste Granate einschlagen. Und der denkt über die Zukunft der Stadt nach. Aber das Geschäft machen sie trotzdem - Geld kann man immer brauchen, denken sie, gerade in Kriegszeiten.
"Denn so spricht der HERR: Gleichwie ich über dies Volk all dies große Unheil habe kommen lassen, so will ich auch alles Gute über sie kommen lassen, das ich ihnen zugesagt habe. Und es sollen Äcker gekauft werden in diesem Lande, von dem ihr sagt: »Eine Wüste ist's ohne Menschen und Vieh; es ist in der Chaldäer Hände gegeben.«" (Jeremia 32:42+43) Vielleicht ist sich Jeremia bei seinem Ackerkauf auch vorgekommen wie ein Verrückter - bis er diese Verheißungen Gottes gehört hat.
Es geht ja nicht nur darum - wie wir vorhin überlegt haben -, ob Jeremia seiner Heimatstadt Jerusalem bessere Zeiten gönnt, auch wenn sie es nicht verdient haben. Sondern es geht auch darum, ob man so etwas für möglich halten kann: Dass nach dem Ende Jerusalems, nachdem man die Einwohner nach Babylonien verschleppt hat. Dass es danach je wieder ein normales bürgerliches Leben in dieser Stadt geben könnte. Wer sollte so etwas zustandebringen? Sollten die wenige verbliebenen Bewohner die Stadt aufbauen? Oder gar die wilden Tiere, die sich jetzt als neue Einwohner in den Trümmern einrichteten? Warum sollte man jetzt einen Acker kaufen, und an die Zukunft denken?
Ich weiß nicht, ob Jeremia die letzte Konsequenz seines "verrückten" Ackerkaufs verstanden hat. Siebzig Jahre danach - diese Zeit, als Jerusalem wieder neu aufgebaut wurde. Als die Gefangenen zurückkehrten. Diese Zeit hat Jeremia mit Sicherheit nicht mehr erlebt. Für mich ist dieser Vorgang aber noch viel mehr. Dieser Ackerkauf ist ein Sinnbild des Evangeliums, wie es stärker kaum sein könnte: "Siehe, ich, der Herr, bin der Gott alles Fleisches, sollte mir etwas unmöglich sein?" (Jeremia 32:27) Sollte Jesus etwas unmöglich sein?
Gerade in der Geschichte unserer Kirche hat diese Seite der Botschaft eine große Rolle gespielt. Als Wesley und Whitefield begannen, den Bergarbeitern zu predigen, unter freiem Himmel. Damals wollte keiner mit solchen "Untermenschen" zu tun haben - außer mit ihrer Arbeitskraft, 16 Stunden am Tag, beim Kohleabbau. Allzu viele hatten sich dazu noch selbst zugrundegerichtet: "Gin" hieß das hochprozentige Getränk, die Geißel Englands im 18. Jahrhundert. Ich möchte nicht wissen, wieviel Gewalt und Unmenschlichkeit es gab, in diesen Bergarbeiterstädten, wieviele geprügelte Frauen und Kinder ohne Zukunft. Man kann nicht einmal sagen, dass sie an ihrem Elend einzig und allein selbst schuld waren - so, wie die Einwohner Jerusalems zur Zeit Jeremias. Diese Menschen litten nicht nur an ihren eigenen Sünden. Sie litten ebenso unter den Sünden der englischen Oberschicht, die für diese elenden Arbeitsbedingungen verantwortlich waren.
Aber eines kann man sagen: Es waren Orte voller Hoffnungslosigkeit - bis das Evangelium kam. Es heißt, dass man auf den dunklen, kohlenstaubverschmierten Gesichtern der Predigthörer weiße Spuren sah. Die weißen Spuren kamen von den Tränen. Es waren die Tränen über das eigene Elend, über die eigenen Sünden. Und Tränen der Freude: Darüber, dass Jesus gerade für solche Menschen wie sie am Kreuz gestorben war. Darüber, dass Jesus gerade Menschen wie ihnen neues Leben, neue Hoffnung schenken konnte. Viele begannen, ihr Leben zu ändern, versuchten das Beste aus ihrer Situation zu machen. Man baute Schulen, mitten an den hoffnungslosen Orten, damit ihre Kinder Zukunft hatten. Menschen begannen, sich zu christlichen Versammlungen zusammenzuschließen. Man hörte gemeinsam auf Gottes Wort, und half sich, wo es ging. "Siehe, ich, der Herr, bin der Gott alles Fleisches, sollte mir etwas unmöglich sein?"
Ja - sollte das heute anders sein? Wenn ein Mensch vor den Trümmern eines Lebensabschnitts steht? Und sich fragt: Was soll nur werden, nach dem, was ich alles angerichtet habe? Vielleicht hat er ja sogar bis dahin eine "ganz ordentliche Gemeindebiographie" gehabt. Hat schon als Kind die Sonntagsschule besucht. War allen als rechtschaffener Christ bekannt. Jetzt ist die schöne Fassade weggebrochen. Und er fragt sich: Habe ich noch etwas von Gott zu erwarten? Gerade ein Mensch, der durch ein solches Gericht hindurchgegangen ist. Ein Gericht Gottes, mitten im Leben. Gerade dem müßte man gleichsam einen besonders großen "Acker kaufen". Ein besonderes Zeichen der Hoffnung setzen. "Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun." Gott hat keine Freude daran, wenn ein Mensch zugrundegeht. Jesus sagt selbst:  "So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen." (Lukas 15:7)
Aber auch für uns andere, die nicht so schwere Lebensführungen hinter sich haben. Sondern die einfach regelmäßig das Wort Gottes hören - und jeden Tag ihr Leben danach ordnen. Oder der, dem Gott gerade das letzte "Stopschild" hat verkündigen lassen. Und der noch eine "Vollbremsung" schafft - nachdem er in letzter Minute auf das Wort Gottes gehört hat. Auch für uns ist dieses mutmachende Wort das Entscheidende: "Siehe, ich, der Herr, bin der Gott alles Fleisches, sollte mir etwas unmöglich sein?" Solche Worte brauchen wir, jeden Tag. Und denken wir bei all dem daran, was es ist. Das das Herz Gottes dabei bewegt. Nämlich seine heilige, brennende Liebe. Dieser Liebe wollen wir vertrauen. Und diese Liebe wollen wir bezeugen. "Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun." Amen.

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