Er weiß, bevor du bittest - Predigt über Matthäus
6,5-8
5 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht
sein wie die Heuchler, die gern
in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit
sie
von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren
Lohn schon gehabt. 6 Wenn du aber betest, so geh in dein
Kämmerlein und
schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im
Verborgenen ist;
und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. 7
Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn
sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. 8
Darum
sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr
bedürft,
bevor ihr ihn bittet.
Liebe Geschwister,
unser Vater im Himmel weiß um alles, was wir brauchen, und was
wir
jemals von ihm erbitten können. Und deshalb - deshalb können
und sollen
wir zu ihm kommen. Und voller Vertrauen zu ihm beten. Ernstlich zu ihm
beten.
1. Gott hat den Überblick
Vielleicht sind wir als Christen oft deshalb so mutlos und verzagt.
Vielleicht haben wir als Christen oft deshalb so wenig Drang und
Ausdauer zum Gebet. Weil unser Gott - im Bild gesprochen - viel zu
klein ist. Im Grunde liegt es natürlich nicht daran, dass Gott zu
klein
ist - sondern dass wir Menschen einen viel zu kleinen Verstand haben,
um ihn zu begreifen, und wir Christen einen viel zu kleinen Glauben
haben, um Gottes Wort wirklich ganz und in jeder Lebenslage zu
vertrauen.
Als Jesus seine ersten Jünger berief, einen nach dem anderen, da
kam es
zu einer höchst interessanten Episode (Johannes 1:43-51).
Nathanael,
ein "guter Kerl", wie wir heute vielleicht sagen würden. Ein
"rechter
Israelit, in dem kein Falsch ist", wie Jesus ihm bescheinigt. Er ist
auch ein Skeptiker bis auf die Knochen. Und als man ihm scheinbar einen
Bären aufbinden will und ihm sagt: Komm mit, wir wollen dich dem
Messias vorstellen. Da glaubt er zunächst gar nichts. Aber als er
Jesus
dann gegenüber steht, merkt er verblüfft: Der hat mich noch
nie
gesehen, aber er kennt mich trotzdem. Und dann kommt dieser
merkwürdige
Satz Jesu: "Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum
warst, da sah ich." Was ist das? Jesus kennt mich - schon seit langem?
Die Skepsis des Nathanael verfliegt im Nu, und er glaubt an Jesus.
Kannst du dir das vorstellen? Als du noch ein kleines Kind warst, noch
kein Wort sprechen konntest. Da hat Jesus dich schon gesehen. Als du
älter wurdest, die Schule besucht hast, einen Beruf erlernt hast.
Da
konnte Jesus jeden deiner Lebensabschnitte mitvollziehen. Er hat alles
gewusst, was war. Und nicht nur das. Er sieht auch alles, was für
dich
noch kommt. Jede einzelne Minute. Jeden Gedanken, den du denken wirst.
Jeden Schritt, den deine Füße tun. "Von allen Seiten umgibst
du mich
und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu
wunderbar
und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen. ... Deine Augen sahen mich,
als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch
geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war."
(Psalm 139:5-6.16) So bekennt schon David im Psalm, lange Zeit vor Jesu
Geburt, und er war nicht weniger erstaunt über diese Erkenntnis
als
später Nathanael.
Gott erfüllt also nicht nur den Raum, bis zu den entferntesten
Sternen.
Sondern er steht auch gleichsam "über der Zeit", jenseits von
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und deshalb hat er den "absoluten
Überblick". Ja, diese Erkenntnis ist wirklich zu hoch für uns
Menschen,
und die paar Pfund graue Masse in unserem Schädel, die uns denken
und
fühlen lässt, die ist zu klein, um das zu begreifen. Liebe
Schwester,
lieber Bruder: Wie groß ist eigentlich dein Gott? Besser gesagt:
Wie
groß ist Gott für dich?
Wenn wir uns das klarmachen, dann verstehen wir auch, wie Jesus hier
sagen kann: Euer himmlischer Vater weiß, was ihr bedürft.
Sogar schon,
bevor ihr ihn bittet. Er ahnt jedes deiner Gebete voraus,
bevor du es
in Gedanken formst, und bevor es dein Mund ausspricht.
Was hat das für Konsequenzen, wenn wir an unser Gebetsleben
denken? Was
hat das für Folgen? Ich möchte versuchen, aus dem Text drei
Schlussfolgerungen zu ziehen. Schlussfolgerungen für unsere
Gebetspraxis.
2. Ist Beten eigentlich nötig?
Ich möchte mit einer etwas provozierenden Frage beginnen. Ein
spitzfindiger Mensch könnte ja jetzt kommen und sagen: Ja, wenn
das so
ist: Muss man dann überhaupt noch beten? Wenn mein Vater im Himmel
ohnehin schon alles weiß, was ich bitte. Kann ich mir dann nicht
die
Zeit zum Beten sparen und sie für Wichtigeres gebrauchen?
Da Gott hier ausdrücklich mit dem schönen Bild des Vaters
beschrieben
wird, hilft vielleicht ein Beispiel aus dem Familienleben. Wenn ich an
unsere Kinder denke, dann denke ich auch: Vater und Mutter haben doch
immer etwas vorausschauend zu planen. Wenn der Winter kommt, sollen
genug warme Sachen in der Schublade sein. Wenn der Kühlschrank
sich
leert, geht man einkaufen - notwendige Sachen, aber auch solche, die
die Kinder besonders gern mögen. Man weiß, was die Kinder
brauchen. Und
so ist man darauf vorbereitet, wenn sie dann kommen und sagen: Gibst du
mir bitte meine dicke Jacke? Darf ich mir aus dem Kühlschrank
meine
Lieblingswurst nehmen?
Unser himmlischer Vater ist ebenfalls darauf vorbereitet, wenn wir
kommen, und etwas brauchen. Im Unterschied zu uns Menschen ist er auf
alles und jedes vorbereitet, und er muss auch nicht erst los und
Besorgungen machen - er hat ja schon alles. Trotzdem möchte er,
dass
wir zu ihm kommen im Gebet, und ihn darum bitten. Im Vergleich:
Was
würdest du denken, wenn deine Kinder nicht mit dir reden
würden, und
sich einfach alles nehmen würden, ohne einmal "Bitte" und "Danke"
zu
sagen? So möchte unser Vater im Himmel auch, dass wir ihm unser
Vertrauen und unseren Respekt ausdrücken. Wir tun das, indem wir
um das
beten, was er längst für uns bereitgestellt hat.
Er wird uns nicht alles und jedes geben, was wir wollen, das ist klar.
Wenn deine Kinder kommen, und dich bitten: Bekomme ich zwei Kilo
Süßigkeiten. Oder endlich den eigenen Fernseher für's
Kinderzimmer, zur
Dauerberieselung. Dann wirst du vielleicht sagen: Das kann ich dir
nicht geben, denn das ist schädlich für dich. So wird dir
auch dein
himmlischer Vater nicht alles geben. Und du wirst auch nicht immer
einsehen, warum er dir dieses gibt, das andere jedoch nicht. Aber eines
darfst du dabei immer wissen: Er weiß, was ihr bedürft,
bevor ihr ihn
bittet.
Vielleicht wird das besonders deutlich an dem Größten und
Besten, was
er uns je gegeben hat: Seinen eigenen Sohn. "Gott aber erweist seine
Liebe zu uns darin, daß Christus für uns gestorben ist, als
wir noch
Sünder waren." (Römer 5:8) Die Menschen haben keinen Heiland
gesucht,
und bis heute denken immer noch die meisten, sie brauchen keinen. Doch
unser Vater im Himmel wusste, was die Menschen am Nötigsten
brauchen:
Die Erlösung von Sünde, Tod und Teufel, und die Rettung vor
seinem
kommenden Gericht. So hat er seinen Sohn ans Kreuz gegeben, und sein
Heilswerk gleichsam "bereitgestellt". Er wusste, was wir Menschen
bedürfen. Und so wartet er nun darauf, dass die Menschen zu ihm
kommen
und sagen: Vergib mir meine Schuld, bitte. Gib mir Anteil an der
Erlösung, die dein Sohn auf Golgatha erworben hat. Hast du ihn
heute
auch schon darum gebeten?
3. Nicht plappern
Vielleicht kennt mancher von uns den Ausdruck "gebetsmühlenartig".
Man
gebraucht dieses Wort, wenn etwas immer und immer wiederholt wird, eben
"gebetsmühlenartig" - wie zum Beispiel die Wahlversprechungen der
Politiker. Oder die Beteuerungen der Spitzensportler, dass garantiert
keiner von ihnen gedopt war...
Scherz beiseite. In der Tat gibt es wirkliche Gebetsmühlen.
Vielleicht
hat jemand schon einmal Bilder z.B. aus Tibet gesehen. In diesem Land,
das wegen des Himalaja-Gebirges auch als "Dach der Welt" bezeichnet
wird. Dort hängen viele Menschen der Glaubenslehre des Buddhismus
an.
Den Repräsentanten dieser Religion, den Dalai Lama, kennen manche
ja
mittlerweile auch durch seine Vorträge in Deutschland. Dort, in
Tibet,
gibt es eine besondere Form, wie die Menschen zu dem beten, was sie als
Gottheit verehren. Sie schreiben Gebetssprüche, so genannte
Mantras,
auf eine Walze. Und dann drehen sie diese Walze für lange Zeit und
stellen sich vor, wie diese Sprüche ihnen zum Guten wirken - und
je
mehr sie drehen, desto mehr Gutes und Segensreiches häufen sie
für sich
an.
Manchmal denke ich, es gibt auch christliche "Gebetsmühlen".
Vielleicht
hast du ja auch schon Gebetsversammlungen erlebt, wo
einzelne
Schwestern und Brüder Gebete von beeindruckender Länge
sprechen. Sie
meinen es gewiss gut, das möchte ich ihnen zugestehen. Doch
manchmal
sind es so lange Gebete, dass man denkt: Das ist ja geradezu eine
kleine Predigt. Und wenn man die betreffende Schwester oder den
betreffenden Bruder öfter erlebt, dann denkt man vielleicht noch
dazu:
Da kommt ja fast immer wieder das Gleiche. Ja, manchmal frage ich mich
wirklich: Ob es auch christliche "Gebetsmühlen" gibt?
Versteht mich bitte nicht falsch. Ich denke, dass die meisten Christen
heute in unserem Land. Mich eingeschlossen. Dass wir uns viel zu wenig
Zeit nehmen für das Gebet. Und es gibt ja wirklich genug,
wofür wir
ernsthaft zu bitten und zu flehen haben. Ich möchte nur an dieser
Stelle für etwas plädieren - das ich einmal "geistliche
Gelassenheit"
nennen will.
Geistliche Gelassenheit? Ja - denn wenn unser Vater im Himmel wirklich
schon alles weiß, was wir bedürfen. Dann braucht er keine
endlosen,
ausführlichen Listen, was er nun wie zu unserem Segen zu
arrangieren
habe. Herr, du weißt doch, wie es an meinem Arbeitsplatz
aussieht, wie
kompliziert und verwickelt die Probleme sind. Aber du weißt auch,
wie
du helfen kannst. Oder wie auch immer - wenn uns etwas anderes auf dem
Herzen liegt. Herr, du weißt es doch. Diese vertrauensvolle
Einstellung. Dass er, unser Vater, wirklich den Überblick hat. Die
wird
uns auch davor bewahren, zu "plappern wie die Heiden". Wir haben als
Christen ein großes Vorrecht: wir brauchen keine Mantras und kein
endloses Drehen von Gebetsmühlen, um erhört zu werden. Wir
brauchen
unserem Herrn zu unseren Bitten auch keinen Katalog mit
detaillierten
"Ausführungsbestimmungen" mitzugeben. Herr, du weißt doch,
wie es
aussieht. Nein - wir müssen nicht plappern, sondern wir
dürfen einfach
nur vertrauen. Eben mit "geistlicher Gelassenheit". Ist das nicht
eine
wunderbare Zusage?
4. Das Beten - eine "Herzensangelegenheit"
Ein letzter Gedanke. Was war eigentlich das Problem dieser "Heuchler",
die Jesus hier erwähnt? Die ihre Gebete als große
Inszenierung
betrieben, wie eine Theatervorstellung, mit Vorhang und Applaus? Ich
denke, sie hatten vor allem eines nicht verstanden. Nämlich, dass
das
Beten in erster Linie eine "Herzensangelegenheit" ist. Das
Gespräch
eines gläubigen Herzens mit Gott.
Wenn Jesus hier auffordert, zum Beten "ins stille Kämmerlein" zu
gehen,
dann will er damit nicht öffentliche Gottesdienste und
Gebetsversammlungen abwerten. Sonst wären wir heute morgen ja auch
nicht versammelt. Nein, es geht um etwas anderes. Im Kämmerlein,
in der
Stille, da bin ich mit meinem Herrn allein. Da geht es tatsächlich
nur
um ihn und mich. Da ist das Vertrauen des Herzens gefragt, und die
stillen Seufzer, die nur er und ich hören.
Hier, an dieser Stelle wird noch einmal deutlich, wie persönlich
eine
lebendige Beziehung zum Vater im Himmel ist. Nur der, der voller
Vertrauen Jesus als seinen Heiland angenommen hat. Nur der, dem seine
Schuld vergeben wurde. Nur der, der staunend und dankbar vor dem Kreuz
von Golgatha steht. Und weiß: Hier hat Gott mein
größtes Bedürfnis
gestillt. Nur der wird auch verstehen, warum das christliche Gebet das
Gespräch eines gläubigen Herzens mit Gott ist. Eben etwas
ganz
Persönliches.
Und so eine "Herzensangelegenheit". Die verträgt es einfach nicht,
vor
Menschen in irgendeiner Weise "inszeniert" zu werden. Nein - selbst da,
wo ein Mensch vor einer Versammlung betet, weil er dazu den Auftrag
hat. Selbst da bleibt es eine Herzensangelegenheit zwischen ihm und
seinem Herrn. Und da, wo ein Mensch sich bemüht, möglichst
inbrünstig
zu beten. Um der Versammlung zu zeigen, wie vollmächtig er ist,
und wie
wichtig sein Dienst ist für das Reich Gottes. Da wurde nicht
verstanden, dass es hier um eine Herzensangelegenheit geht - und nicht
um eine Demonstration des eigenen Glaubens. "Und wenn ihr betet, sollt
ihr nicht sein wie die Heuchler."
Geschwister, so wünsche ich uns, dass das Gebet uns wieder ganz
neu zu
einer Herzensangelegenheit wird. Ein persönliches Gespräch
mit unserem
Heiland. Denkt daran: Der Vater im Himmel hat schon alles bereitgelegt.
Nun wartet er darauf, dass wir ihn bitten. Wir müssen den Vater
nicht
zwingen oder bedrängen. Wir brauchen auch niemandem die
Stärke unseres
Gebetslebens zu demonstrieren. Sondern wir müssen nur kommen im
Namen
unseres Heilands Jesus Christus. Und wir werden erfahren: "Euer Vater
weiß, was ihr bedürft, bevor wir ihn bitten." Amen.
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