Freier Zugang zu Gott - Predigt über Römer 5,2a in der Woche zum Reformationstag 2007

Durch ihn (Jesus Christus) haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen.

Liebe Geschwister,
durch Jesus Christus haben wir freien Zugang zu Gott. Durch Jesus Christus können wir zu ihm kommen wie zu einem lieben Vater im Himmel. Durch Jesus Christus - allein.

1. Zutritt erlaubt!

"Zutritt verboten!" - so steht es an so manchen Türen, Zäunen, oder Toren. Manchmal hat das gute Gründe: Wenn hinter der Tür etwas ist, das geschützt werden muss. Wenn ein Zutritt eine Störung verursachen würde. Manchmal ist es auch hinter dem Zaun gefährlich - wenn eine Baustelle gesichert werden soll, damit niemand verletzt wird. Manchmal ist es aber auch einfach schade. Und du stehst vielleicht vor einem Haus, wo du schon von draußen den fröhlichen Lärm eines Festes hörst. Aber vor der Tür steht: "Kein Zutritt! Geschlossene Gesellschaft." Wohl dem, der hier vorher eine Einladung mit Eintrittskarte bekommen hat.
Wie ist das bei Gott? Kann hier jeder kommen zum Vater im Himmel? Kann hier jeder beten, und sein Herz vor ihm ausschütten? Kann hier jeder gewiß sein, dass er nicht als Fremder behandelt wird - sondern als Kind seines himmlischen Vaters?
Ja und nein - so müsste man antworten. Nein - wenn ich hier nicht den Zugang kenne, der zum Thron Gottes führt. Nein, wenn ich versuche, irgendwelche selbst ausgedachten Zugänge zu benutzen. Aber andererseits auch uneingeschränkt ja: Wenn ich den Zugang nutze, den Jesus Christus mir aufgestoßen hat. Wie heißt es im Hebräerbrief Kapitel 10: "19 Weil wir denn nun, liebe Brüder, durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum ... 22 so laßt uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser." Ja, das ist der rechte Zugang zu Gott: Jesus Christus, der am Kreuz sein Blut für uns vergossen hat. Durch ihn darf tatsächlich jeder kommen. Durch ihn hat tatsächlich jeder freien Zugang. Egal, wie groß die Schuld ist, die mich von Gott trennt. Egal, wie viel ich getan habe, was alles schief gelaufen ist, und womit ich mich von Gott entfernt habe. Hierhin kann ich kommen.
Es hängen ja landauf, landab so manche Kreuze, draußen in der Landschaft, oder drinnen in Gebäuden. Um es noch einmal deutlicher zu sagen: Eigentlich könnte man eigentlich zur Erinnerung an allen Kreuzen ein Schild anbringen: "Zutritt erlaubt! Freier Eintritt zum Vater im Himmel."

2. Zutritt genutzt?

Nehmen wir ein anderes Beispiel. Nun kann es ja sein, dass ein Mensch einen schönen, kleinen Zugang gebaut hat an seinem Gebäude. Er ist vielleicht nicht auffällig. Aber doch offensichtlich einladend. Der Mensch wartet nun auf Besucher. Die Tür ist auf. Aber - wie enttäuschend! Kaum einer nutzt den Zugang, tritt ein, und kommt ins Haus. Was nützt der beste Zugang, wenn er nicht gebraucht wird?
Ich denke, eine ähnliches Schicksal teilt der Zugang, den Gott uns durch Jesus Christus bereitgestellt hat. Vielen Menschen geht es gut, und sie sagen: Was interessiert mich dieser Zugang? Für mich gibt es wichtigere Fragen im Leben. Und so laufen sie weiter herum, beladen mit ihren Sünden, und wissen nicht wie traurig ihr Zustand ist - mit einem Leben, weit weg von Gott. Sie laufen herum und wissen nicht, wie gefährlich dieser Zustand ist. Denn was wollen sie sagen, wenn sie nach ihrem Tod vor ihren Schöpfer treten müssen? Und der fragt sie: Warum hast du den Zugang nicht genutzt? Er stand doch offen - auch für dich!
Im Hebräerbrief, aus dem wir eben schon etwas über den Zugang zu Gott gehört haben. Da steht auch noch ein anderes Wort. Da heißt es nämlich Kapitel 3: "7 Darum, wie der heilige Geist spricht: »Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, 8 so verstockt eure Herzen nicht..." Heute ruft mich der Heilige Geist zum Zugang. Jetzt, in diesem Augenblick. Nicht gestern abend. Nicht heute früh beim Frühstückstisch. Sondern jetzt, in diesem Augenblick, wo das Wort Gottes verkündigt wird. Heute - will meinen: Jetzt! Und für den einen oder anderen mag das sogar heißen: Jetzt - oder nie wieder.
Wenn ich an mich selbst denke: Da habe ich eigentlich jeden Tag unzählige Gründe, warum ich diesen Zugang benötige. Jedenfalls dann, wenn ich ehrlich bin. Denn es gibt genug  Gelegenheiten, wo auch ein Christ schuldig wird - immer wieder, Tag für Tag. Wenn wir allein an die Kälte unseres Herzens gegen Gott denken, an die Unlust zum Gebet, an unsere Undankbarkeit, an unsere ständigen Beschwerden an die Adresse Gottes. Hast du diesen Zugang heute schon genutzt? Hast du ihn gestern genutzt? Oder - auch das gibt es: Hast du ihn vielleicht noch nie genutzt? Noch nie aus der echten Not deines Herzens gebetet: Herr, vergib mir meine Schuld? Dann denk' daran: Heute. Also: Jetzt!

3. Im Glauben

Es wird Zeit, sich noch Gedanken darüber zu machen, wie wir denn genau diesen Zugang nutzen können. "Im Glauben" erfahren wir Gottes Gnade, so steht es hier.
Im Glauben - ja, das ist so eine Sache. Ich traf einen Theologiestudenten, einen aufrichtig bemühten jungen Mann, auf dem Weg ins geistliche Amt. Wir sprachen miteinander. Er hatte eine Menge gelernt bei seinen Professoren, soviel, dass es langsam Zeit wurde für die Abschlussprüfungen. Vor allem eines - so dachte ich - hatte er bei seinen Lehrern gelernt: Traue nicht allem, was in der Bibel aufgeschrieben ist. Ob nun Israel mit zehn Mann durchs Schilfmeer gezogen ist, oder mit einer halben Million - was tut es zur Sache? Ob Josua wirklich die Mauern Jerichos zu Fall gebracht hat? Ob man das mit der Schöpfung wohl alles so glauben kann? Und selbst die leibliche Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus - ja, das ist so eine Sache, ob das wirklich so stattgefunden hat, wie im Neuen Testament beschrieben.
Sie hatten wirklich gründliche Arbeit geleistet, diese Professoren, und ich möchte am Jüngsten Tag nicht in ihrer Haut stecken, wenn der Herr sie nach den Früchten ihrer Arbeit fragt... Denn: wie will ein solcher junger Mensch freien Zugang zu Gott finden - wenn er so voller Zweifel ist gegen das Wort Gottes? Und wie will er dann noch anderen den Weg zeigen zum Herrn, wenn er auf der Kanzel steht? Wie schrieb John Wesley einmal sehr treffend in seinem Tagebuch, als er mit einem Menschen voller ähnlicher Zweifel zu tun hatte: "Nein - wenn es irgendwelche Fehler in der Bibel geben sollte, dann könnten es ebenso gut tausend sein. Wenn es nur eine einzige Unwahrheit in diesem Buch geben sollte, dann kam es nicht vom Gott der Wahrheit." (aus Wesleys Tagebuch vom 24. August 1776, vgl. die  Zusammenstellung auf meiner Homepage.
Ja, dieser freie Zugang zu Gott, der hat viel zu tun mit dem festen Vertrauen auf sein Wort. Es hat viel zu tun damit, dass ich sagen kann: Egal, was ich denke, meine oder fühle. Egal, wie weit weg mir Gott im Augenblick scheint, und wie groß meine Schuld. Das zählt alles nichts, denn es steht unwideruflich geschrieben: Durch Jesus Christus haben wir den Zugang. Wir haben ihn wirklich - nicht vielleicht, nicht unter dieser oder jener Bedingung, unter diesen oder jenen Umständen. Sondern wir haben ihn. Und wir können uns darauf verlassen, denn so steht es geschrieben.
Aber in der Bibel ist vieles schwer zu verstehen, und oft erscheint sie mir wie ein Buch voller Rätsel und Widersprüche, so wendest du vielleicht ein. Wie soll ich da mit so einem schlichten Gemüt glauben können? Doch in dieser Hinsicht kann ich dich beruhigen. Denn mir geht es zuweilen ähnlich, und ich verstehe etwas in der Bibel nicht - und es ist auch nicht immer eine  Lösung des Rätsels in Sicht. Allerdings verlangt das Gott auch nirgendwo von uns - dass wir alles verstehen. Manches wirst du vielleicht erst in vielen Jahren verstehen. Und manches vielleicht Zeit deines Lebens nie. Aber eines, das ist möglich. Nämlich mit einem gewissen Grundvertrauen an dieses Buch heran zu gehen. Und sich zu sagen: Das ist nicht irgendein Wort. Nicht ein altes Stück Weltliteratur. Sondern es ist das Wort meines Herrn. Und deshalb ist es genau so richtig und gut, wie es aufgeschrieben ist, Wort für Wort. Auf dieses Wort will ich vertrauen - im Leben wie im Sterben. Ja - so kannst du glauben, selbst dann, wenn du nicht alles verstehst. So kannst du diesen freien Zugang finden.

4. Allein durch Jesus Christus

Immer wieder stößt man auf die Ansicht, das Christentum sei vor allem etwas für anständige Leute. Ungefähr so: Sonntags gehst du in die Kirche und verrichtest deine Gebete. Werktags bist du ein guter, hilfsbereiter Mensch, anerkannt und wohlgelitten unter seinen Mitbürgern. Wenn Pannen oder Probleme auftauchen, wenn du gar einmal die christliche Moral vergisst und strauchelst - dann weißt du wenigstens, was sich gehört: Die Sache ist diskret und verschwiegen behandeln, damit nicht noch andere anfangen, darüber zu reden.
Gut, ganz so stimmt es nicht. Jede anständige Gemeinde hat es immer wieder  gern, etwa einen ehemaligen Trinker oder Strafgefangenen unter sich zu haben. Manchmal werden zu solchen Gelegenheiten dann besonders die "Nichtkirchlichen" eingeladen, weil man sich mehr Aufmerksamkeit erhofft, wenn sie einem solchen zuhören. Es muss dann allerdings - wenn schon - ein wirklich ehemaliger Sünder sein. Also einer, der sich nach seiner Bekehrung vorne hinstellen kann. Und dann steht er vor der Versammlung, gewaschen und gebügelt, und kann  erzählen, wie er seit dieser Wende endlich sein Leben im Griff hat. Und wie er nun auch einer von diesen anständigen Menschen geworden ist - allein durch die Gnade Gottes, versteht sich, wie er sich noch beeilt nachzuschieben.
Natürlich ist das alles völlig übertrieben - oder etwa doch nicht...? Sei es, wie es sei. Was ich sagen will: Ich für meinen Teil bin jedenfalls fest davon überzeugt, dass die Hölle voll sein wird von anständigen Menschen. Anständige Menschen, die nur selten eine Kirche von innen zu sehen bekommen. Aber auch solche anständigen Menschen, die sich immer zu einer christlichen Gemeinde hielten. Und - wenn das möglich ist. Werden es diese anständigen Menschen vielleicht sehr ungerecht finden, und sich beschweren: Lieber Gott, das haben wir nicht verdient. Wir haben uns viel Mühe gegeben, wir waren anständig - und gottlos, wie die meisten unserer Zeitgenossen, das waren wir schon gar nicht. Aber die einzige Antwort Gottes wird sein: Das mag alles sein, und das ist auch nicht alles  falsch. Aber ihr habt einfach nicht den richtigen Zugang gefunden - sonst wärt ihr nämlich nicht hier, sondern im Himmel.
Wir haben ja in dieser Woche auch Reformationstag. Als die Reformation kam, und die Grundlagen aller evangelischen Kirchen gelegt wurden - auch unserer Evangelisch-methodistischen Kirche! Da war man sich mit der päpstlichen Kirche über eine Sache einig: Um Zugang zu Gott zu finden. Dazu brauchen die Menschen Jesus Christus. Ja, darüber war man sich einig - ob evangelisch oder katholisch, und das ist eigentlich bis heute so. Das wussten auch die Reformatoren. Deshalb bemühten sich Luther, Calvin und die anderen, an dieser Stelle noch etwas genauer zu werden. Und so kamen sie auf das Wörtchen "allein". Der Mensch findet Zugang zu Gott durch Jesus Christus - ja, das stimmt. Aber man muss es genauer sagen: Er findet den Zugang allein durch Jesus Christus. Auf unseren Predigttext angewendet: Man kann mit Fug und Recht sagen, Gottes Wort meint hier: Durch ihn - Jesus Christus - allein haben wir den Zugang im Glauben.
Als Martin Luther das Neue Testament in die deutsche Sprache übersetzte, da hat er an einer Stelle "ganz frech" dieses Wort hinzu gesetzt, obwohl es wortwörtlich nicht so im Originaltext steht: "So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben." (Römer 3:28) Aber auch wenn es so nicht dasteht - der Sache nach ist es völlig richtig übersetzt.
Um es etwas anders auszudrücken: Wenn es um den freien Zugang zu Gott geht, dann duldet Jesus Christus keinen neben sich. Weder kann einer sagen: Auch in anderen Religionen gibt es solche Zugänge - wenn sich die Menschen nur recht bemühen um ein anständiges Leben. Noch kann einer sagen: Die Erlösung meines Herrn, und ein anständiges Christenleben - das "macht es", wenn beides zusammenkommt, und wenn ich mir dabei anständig Mühe gebe. Nein - hier duldet Jesus wirklich keine Konkurrenz. Hier gibt nur einen einzigen Zugang - eine "enge Pforte", wie Jesus in der Bergpredigt sagt (Matthäus 7:13-14). Hier gilt nur Jesu "Wundermathematik", die besagt: Sobald ich Jesus und seinem Werk am Kreuz irgend etwas hinzufügen will, kommt immer "Null" heraus, und alles ist  für mich verloren. Aber wo ich auf ihn allein vertraue, da finde ich die volle Erlösung, die Vergebung aller meiner Sünden, und den freien Zugang zu Gott.
Hier haben es manchmal die leichter, die wir vielleicht als "gestrauchelte Existenzen" bezeichnen würden. Menschen, die auch bei bester christlicher Bemühung kein "strahlendes Heiligungsleben" hervorbringen, sondern bei denen es im Leben viel Zerbrochenes, viel Scheitern gibt. Solche wissen manchmal leichter zu verstehen, dass es wirklich nur durch Christus allein geht. Was sollten sie schließlich auch sonst vor Gott vorweisen - etwa den Scherbenhaufen ihres armseligen Lebens?
Und so ist es bezeichnend, wie schon in den Berichten der Evangelien. Wie da immer wieder Jesus angegangen wird von allerlei "Zöllnern und Sündern", wie es oft heißt. Und selbst am Ende seines Lebens, als er am Kreuz hängt. Da ist er nicht von anständigen Menschen umgeben. Sondern links und rechts neben ihm hängen zwei echte Schwerverbrecher. Doch da kommt wenigstens der eine mit seinem ganzen verdorbenen Leben zu Jesus, sucht den Zugang, und bittet (Lukas 23): "42 ... Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein." Ja - diesem Menschen. Diesem ganz und gar nicht anständigen Menschen half nur noch einer: Jesus allein.
Das soll nun nicht heißen, dass ein "unanständiges", verkorkstes Leben die beste Garantie für den Himmel ist - das sicher nicht! Es sähe in unserem Land besser aus, wenn es mehr - im guten Sinne - anständige Menschen gäbe. Aber selbst der anständigste, wohlerzogenste, frömmste Mensch muss wissen: Wenn ich dorthin will, dann geht es nur durch die "enge Pforte". Nur durch "Jesus allein" - ohne jede Zusätze. Ach, wie schwer tun wir uns damit oft, die Gnade wirklich als Gnade zu nehmen. Der Mensch möchte eben immer noch ein bisschen "mitwerkeln" an seinem Heil. Immer brauchen wir noch etwas, wofür wir uns auf die Schulter klopfen können - wenigstens heimlich.
Und deshalb brauchen wir immer wieder solche Sätze wie unseren Predigttext - gerade auch als Christen. Deshalb hat der Apostel Paulus das Evangelium nicht nur in diesem Vers erklärt. Sondern er hat den ganzen Römerbrief geschrieben, 16 Kapitel, und das meiste davon geht um die Grundlagen des Evangeliums. Und das Bemerkenswerte dabei ist: Er hat diesen Brief nicht unwissenden Heiden geschrieben, sondern an eine etablierte christliche Gemeinde. Er wusste eben, wie sehr gerade auch Christen immer wieder die Grundlagen ihrer Erlösung durchdenken müssen.
Kurzum: Lassen wir uns ebenso - wie damals die römische Gemeinde - daran erinnern, wie wir durch unseren Herrn Jesus Christus wirklich ganz und gar freien Zugang haben. Ob wir uns nun eher zu den "Anständigen" oder zu den "Unanständigen" zählen - egal. Lasst uns diesen Zugang nutzen. Lasst ihn uns heute nutzen. Denken wir noch einmal an das Schild, das man an jedem Kreuz befestigen könnte: "Zutritt erlaubt! Freier Eintritt zum Vater im Himmel." Lasst uns fest auf sein Wort vertrauen, selbst dann, wenn wir nicht alles verstehen - so werden wir immer gewisser im Glauben. Und lasst uns eines nicht vergessen: Es ist wirklich Christus allein - ohne Zusätze, ohne Ergänzungen. Er ist es allein, von dem es heißt: Durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen. Amen.

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