Die Gemeinde - ein Bauwerk kurz vor seiner "Abnahme"

Predigt zum Abschluß der Allianzgebetswoche 2004 über 1. Korinther 3,9-15

3:9 Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes, Bau. 10 Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. 11 Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 12 Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, 13 so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. 14 Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. 15 Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Liebe Geschwister,
die Kirche, die Gemeinde ist wie ein Bau, der kurz vor seiner Abnahme steht. Vor seiner Überprüfung durch den Besitzer. "Gottes Bau", so wird sie genannt. Ihm gehört dieses Gebäude. Er hat seinen Bau veranlaßt. Begleitet. Er hat viele Bauarbeiter angestellt. Und er wird auch die Bauabnahme durchführen.
Schauen wir uns diese Baustelle einmal etwas näher an. Vielleicht hat jemand von euch ja schon selbst einmal ein Haus gebaut, oder auf dem Bau mitgeholfen. Worauf kommt es an bei einem Bau? Und was ist das Besondere an der "Baustelle Gemeinde"?

1. Das Fundament

Wenn man ein Gebäude baut, muß man zuerst ein Fundament legen. Das Gebäude muß fest auf dem Untergrund stehen. Da darf nichts wackeln. Da darf nichts wegsacken. Denn im Zweifelsfall wird die Sache kritisch. Deshalb gräbt man zuerst tief in die Erde. Und dann gießt man Beton hinein, in die Gräben. So ist das Fundament fest verankert. Und aus einem harten Material. Darauf kann man gut ein Haus bauen. Es wird fest stehen.
"Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus." Die "Baustelle Gemeinde" hat ein ganz besonderes Fundament. Es ist eine lebendige Person. Es ist Jesus Christus, auf den sich alles stützt. Auf den alles aufgebaut wird. Nur er. Alles andere hat keinen Bestand.
Nun könnte man artig mit dem Kopf nicken und sagen: Ja, selbstverständlich. Was denn sonst? Nur - so einfach war die Sache auch schon zu Paulus' Zeiten nicht. Auch damals war die Kirche keine Ansammlung von andächtigen Menschen, die immer alle einer Meinung waren. Nicht einmal über Jesus waren sich alle einig. Und außerhalb der Gemeinde? Viele der Leute hielten Jesus ohnehin für einen Betrüger. Oder einen Gotteslästerer. Oder einen Verrückten.
Wissen wir wirklich, wer Jesus ist? Wissen wir, welchen Jesus wir bezeugen wollen? Denen bezeugen, die nicht mehr in die Kirche kommen? Die sich nicht für Gott interessieren? Wissen wir es? Wir - ich meine die, die jeden Sonntag in die Kirche gehen? Wir - damit meine ich auch uns Pastoren?
Ich will das einmal an einem Beispiel deutlich machen. Jeder von uns kennt ja diese Weihnachtsmänner aus Schokolade - die Weihnachtszeit ist ja auch noch nicht lange her. Schon lange vor Weihnachten stehen sie in den Geschäften. Sie verkaufen sich offensichtlich hervorragend.
Ich glaube, es gibt auch so etwas wie einen "Schokoladen-Jesus". Natürlich nicht im Geschäft zu kaufen. Aber ich meine das auch bildlich, das mit dem Schokoladen-Jesus. Einen Jesus - weich und süß. Gut zu verkaufen, in großen Stückzahlen. Es ist schon ein paar Jahre her, da habe ich das einmal bei einem Kollegen erlebt. Dieser liebe Bruder in Christus wollte gern einen Schokoladen-Jesus verkaufen. Er meinte es zutiefst gut. Er wollte Leute ansprechen, die sonst nie in die Kirche kommen. Und so hat er einen Glaubenskurs angeboten: Grundlagen des christlichen Glaubens für Menschen von heute. Abende, wo man erfahren konnte, was das Wichtigste am Christsein ist. Versammlungen, wo man erste Schritte im Glauben tun konnte. Auch, wenn man schon seit Jahren nicht mehr in der Kirche war.
Das hat mich sehr interessiert. Ich dachte: Das wird etwas sein, womit ich vielleicht auch Menschen ansprechen kann. Und ich habe mir die Unterlagen angeschaut, die er für diesen Kurs verwendet hat. Glaubt mir, ich war erschrocken. Erschrocken, als ich mir die Sachen angeschaut hatte. Ich kannte ihn ja schon seit Jahren. Und ich fragte ihn: "Warum hast du den Leuten in deinem Kurs überhaupt nichts über die Sünde gesagt? Über die Strafe, die Jesus für uns am Kreuz getragen hat? Du wolltest ihnen doch Grundlagen des christlichen Glaubens nahebringen. Gehört das nicht zu den Grundlagen?" Er meinte: "Das ist doch wohl für den Anfang zu abschreckend. Man muß die Leute ja nicht gleich vor den Kopf stoßen. Man sollte ihnen zuerst von der Liebe Gottes erzählen." Da war ich noch erschrockener. Er wollte tatsächlich einen "Schokoladen-Jesus" anbieten! Süß, und gut zu verkaufen. Und alles mit den besten Absichten: Menschen sollten zum Glauben finden und in die Kirche kommen. Und offensichtlich hatte keiner aus seiner Gemeinde ihn darauf angesprochen. Ihm Fragen gestellt: Herr Pastor, sind Sie wirklich sicher, was Sie da machen?
Ein Schokoladen-Jesus - nicht dieser starke, unerschrockene Mann. Der den Weg mutig bis zu Ende geht - bis er am Kreuz stirbt. Um uns zu erlösen. Um uns von unserer Schuld zu befreien. Hoffentlich hat Gott mich bisher davor bewahrt. Hoffentlich hat Gott uns bisher davor bewahrt. Einen Schokoladen-Jesus zu verkaufen. In bester Absicht zu verkaufen. Damit die Kirche voll wird. Damit Menschen neu anfangen zu glauben. Wie einfach ist das, darauf hereinzufallen! Auf diese Versuchung. Die Versuchung, sich anzupassen. An die Bedürfnisse der Menschen. An ihre religiösen Bedürfnisse. Ihre Bedürfnisse nach einem Schokoladen-Jesus. Der süße, liebevolle Gefühle erzeugt. Oder auch einmal einen heiligen Schauer. Wie groß ist diese Versuchung! Und schon habe ich für mein Haus kein festes, starkes Fundament mehr. Ein Fundament aus grauem, langweiligen - und felsenfesten Beton. Sondern aus süßer, weicher Schokolade. Ohne festen Halt.
Ja, da hilft nur eins: Bibel, Bibel und nochmals Bibel. Für den Verkündiger natürlich zuallerst. Ist das doch sein Beruf, Gottes zu verkündigen. Aber nicht nur für ihn gilt das. Ich weiß, es gibt unter uns immer noch genug Geschwister, die gern Gemeinde bauen wollen. Gott sei's gedankt! Um so wichtiger ist es, daß wir immer mehr wissen, was das Fundament ist. Wer Jesus ist. Daß wir nicht nur das Johannesevangelium gut kennen. Sondern z.B. auch das Alte Testament. Die vielen Verheißungen, die auf Jesus hindeuten. Gottes Heilsplan, in seiner ganzen Tiefe. Ich weiß - das kostet Mühe. Man braucht Zeit, wenn man tief in Gottes Wort eindringen will. Gemeinsam, z.B. in Bibelstunden. Oder allein, zu Hause, für sich. Aber es lohnt sich. Denn auf diese Weise können wir davor bewahrt bleiben. Davor bewahrt bewahrt, einen Schokoladen-Jesus zu verkaufen. Dann werden wir ein festes, ein tragfähiges Fundament legen. Auch bei denen, die sich weit von Gott entfernt haben. Und keine Kirche mehr kennen. Die wir neu für Jesus gewinnen wollen.
Und ich sage es euch ganz offen: Ich bin auch nicht beleidigt, wenn mich jemand nach einer Predigt oder Bibelstunde hinterher fragt: Bruder Simon, wo steht das eigentlich in der Bibel? Was Sie eben gesagt haben? Ist das wirklich unser Fundament? Glaubt mir. Wenn mir jemand so etwas ernsthaft sagt, dann nehme ich mir das zu Herzen. Und werde darüber nachdenken. Wir brauchen das. Diesen Austausch, dieses Ringen über der Bibel. Damit wir uns immer gewisser werden über den "Grund, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus." Damit der Gemeinde-"Bau" Bestand hat. Ein Fundament, nicht aus Schokolade. Sondern so stabil wie Beton. Fest. So fest, daß nichts wackelt. 

2. Qualität am Bau

Wenn das Fundament gelegt ist, dann kommt es als Nächstes auf die Qualität der Baumaterialien und auf die sorgfältige Ausführung an. Gute, handwerkliche Arbeit. Wasserhähne, die nicht tropfen. Fenster, wo nicht der Wind hindurchpfeift. Vielleicht kennen wir das das Wort "Pfusch am Bau". Schnell gemacht, damit man möglichst bald etwas sieht. Möglichst billig. Man merkt ihn nicht immer gleich, den Pfusch am Bau. Ein schlecht gemachtes Dach hält vielleicht zwei Jahre lang dicht. Bis es hereinregnet. Und der Ärger kommt. Und die Reparatur teurer wird, als wenn man es gleich ordentlich gemacht hätte. 
Gott - er möchte uns vor dem "Pfusch am Gemeindebau" bewahren. Genau deswegen hat Paulus diesen Briefabschnitt geschrieben. Er möchte ein solides, ein ordentliches Haus. Aber was soll das überhaupt sein - Pfusch am Gemeindebau?
Wenn ich landauf, landab höre. Was - z.B. in kirchlichen Zeitungen - als "Musterbeispiel für erfolgreiche Gemeindearbeit" dargestellt wird. Dann beschleicht mich manchmal ein seltsames Gefühl: "Große Kirchen-Aktionswoche: Pfarrer springt am Gummiseil vom Kran. Der Kirchenvorstand schlägt Rad und jongliert. Und die Konfirmandengruppe tanzt dazu Tango. Die Aktionen fanden großen Anklang bei der Öffentlichkeit."
Natürlich übertreibe ich etwas. Ich will auch nicht interessante Ideen schlechtmachen. Aber ganz abschütteln, einfach abtun, will ich dieses seltsame Gefühl auch nicht. Was, so frage ich micht, ist das geistliche Ergebnis solcher Aktionen? Oder ging es gar in Wirklichkeit nur darum, eine möglichst große Zahl von Leuten anzuziehen? Für die Statistik? Auch andere Fragen steigen in einem hoch: ist es eigentlich nicht viel spektakulärer, wenn Mitarbeiter z.B. einfach nur alte Menschen besuchen, ihnen zuhören, mit ihnen beten? Ohne, daß groß jemand darüber erfährt? Obwohl hier in aller Stille Menschen in Kontakt kommen mit Gott? Ganz ohne "Action"? "Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh...
Ich finde es bemerkenswert, daß Paulus hier nichts schreibt über die Größe des Gemeinde-"Baus". Nichts über Zahlen. Über Effekte und Statistik. Große Häuser aus Holz und Stroh waren auch damals vergleichsweise billig und schnell aufgerichtet. Um Qualität geht es, nicht um Menge, so will er sagen. Besser ein kleines Stückchen Mauer mit Qualität gebaut, als ein großes Gebäude aus Holz und Stroh. Und wo ein einzelner Mensch wieder dazu kommt, zu beten und in der Bibel zu lesen - da zählt das mehr, als die 500 bei der kirchlichen Großveranstaltung, die nur "Action" mitgenommen haben. Obwohl es manchmal viel schwieriger ist, einen einzelnen Menschen in echten, tiefen Kontakt mit Christus zu bringen, viel schwieriger, als viel "Action" zu organisieren. Gott hat an der Stelle ganz andere Maßstäbe als Erfolg, Zahlen und Publikum.
Und - um etwas aus dem Nähkästchen zu plaudern. So manches Mal habe ich mich auch schon selbst gefragt: Warum schaust du jetzt nach dem Gottesdienst nach, wieviel Kollekte es gab? Aus welchem Grund? Willst du wissen, ob der Gottesdienst ein "Erfolg" war? Denke wir an das Ziel: Menschen in Kontakt zu bringen mit Christus, dem lebendigen Fundament. Damit sie mit ihm leben möchten. Das ist unsere Aufgabe. Diese Aufgabe  geschieht meistens auf die kleine, unspektakuläre, mühselige Weise. Und - wohl eher in Ausnahmefällen - auch mit "Aktionen".

3. Die Bauabnahme

Ja, auf Qualität kommt es an. Auf Beständigkeit. Bei allem, was wir in der Gemeinde bauen. Denn der Gemeinde-"Bau" muß eine Probe bestehen. Eine Probe ganz besonderer Art. Eine Feuerprobe. Das ist Gottes Weise, den Bau "abzunehmen". Ihn zu überprüfen. Von einer Prüfung am Ende der Zeiten ist hier die Rede. Gott wird prüfen, was wir in der Gemeinde gebaut haben. "Der Tag des Gerichts wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren." Und: "Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden." 
Ehrlich gesagt: Zuerst bin ich selbst etwas erschrocken, als ich diese Zeilen gelesen habe. Natürlich fragt man sich da: Solltest Du nicht noch mehr tun? Bringst du genug Einsatz? Bis ich gemerkt habe: Eigentlich geht diese Frage etwas am Text vorbei. Nicht um das "wieviel" geht es, sondern um das "was". Tue ich das Richtige? Und warum tue ich es? Um von den Leuten gelobt zu werden? Um Zahlen zu sehen? Publikum zu haben? Oder, um Menschen in Kontakt mit Christus zu bringen? Dem Fundament? Was ist mein Ziel?
Ich denke, diese Frage kann sich jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin stellen. Egal, ob er in der Gemeinde eine praktische Aufgabe hat, zum Zupacken. Oder eine seelsorgerliche. Oder etwas zum Verwalten und Organisieren. Oder etwas Anderes. Und so manches Unscheinbare wird sich am Ende der Zeiten als "Silber, Gold und Edelsteine" herausstellen. Dinge, die nie in einer Ansprache lobend erwähnt wurden. Die einfach getan wurden. Getan wurden aus einem schlichten, praktischen Glauben an Christus. Ohne, daß es groß jemand bemerkte. Und manches, was so beeindruckend aussah - es wird verbrennen. Und dem "Baumeister" wird schmerzlich bewußt werden, wie er "Pfusch am Bau" betrieben hat.
Ein Professor, bei dem ich studiert habe, der hat das einmal so ausgedrückt. Und jetzt rede ich nur zu den gläubigen Menschen, die schon wissen, daß Jesus sie errettet hat. Dieser Professor sagte uns: Es ist ein Unterschied, ob ich am Jüngsten Tag von meinem Herrn mit einem Lächeln hereingebeten werde - oder, ob er mich mit einem Stirnrunzeln empfängt... Genau darum geht es: Jesus wird mit uns einmal darüber reden, wie und was wir beim Gemeindebau eingesetzt haben. Große, beeindruckende Konstruktionen aus Holz und Stroh? Oder kleine Edelsteine - vielleicht solche, die keiner beachtet hat? Und manch einer, der von sich und seiner Bauarbeit überzeugt war, wird genau dieses Stirnrunzeln sehen. Und manch anderer, der seine Arbeit immer für klein und ungenügend gehalten hat: Der wird ein Lächeln sehen. Und eine tiefe Anerkennung von Jesus persönlich hören: Das hast du gut gemacht. Ich bin stolz auf dich.
Ja, so ist das mit der Gemeinde: Sie ist wie ein Bau, der kurz vor der Abnahme steht. Darum, liebe Geschwister: Vergewissern wir uns über das Fundament, über Jesus Christus - immer wieder. Nehmen wir uns Zeit für Gottes Wort, für die Bibel. Wir brauchen das - mehr denn je. Und: sehen wir zu, wie wir auf dieses Fundament bauen. Damit Jesus einmal zu jedem von uns sagen kann: Ich bin stolz auf dich. Amen.

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