Nur Mut - denn unser Herr lebt! Predigt über 1. Samuel 2,1-2.6-8a

1 Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. 2 Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist. ...
6 Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. 7 Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. 8 Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, daß er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.

Liebe Gemeinde,
wir haben einen lebendigen, starken, allmächtigen Herrn, einen der sogar den Tod überwindet. Das macht Mut. Mut für dieses Leben, aber auch über die Schwelle des Todes hinaus.

1.  Mut für Menschen mit Nöten

Ostern ist ein so fröhliches Fest. Und die Osterlieder sind so fröhliche Lieder, dass es für den einen oder anderen vielleicht sogar zu schön ist. Menschen mit großen Sorgen. Menschen in Krankheitsnot. Oder vielleicht solche, die an Ostern auf den Friedhof gehen, um am Grab eines lieben Angehörigen still zu werden. Denen ist vielleicht nicht nach Osterjubel zumute. Und vielleicht hat die Kirche gerade deshalb diesen Text traditionell in der Osterzeit auslegen lassen.
Es geht hier um ein Dankgebet eines Menschen, der viel mitgemacht hat in seinem Leben. Hanna sehnte sich schon seit vielen Jahren nach Kindern - ohne dass sie und ihr Mann etwas erreicht hätten. Was für eine Schande, gerade in der damaligen Zeit! Die Leute zeigten mit Fingern auf sie. Ob es schon Gerüchte gab, dass sie für eine heimliche, unerkannte Verfehlung von Gott gestraft würde? Da half ihr auch nicht die Liebe ihres Mannes. Auch nicht, wenn er sie fragte: Warum bist du so traurig? Du hast doch mich - ist das nicht mehr wert als zehn Söhne? (1. Samuel 1:8)
Das Schlimmste aber waren die Sticheleien ihrer Konkurrentin. Im Beziehungs-Durcheinander von heute kommt so etwas immer wieder vor: Dass ein verheirateter Mann etwas mit einer anderen Frau anfängt. Und dann hat seine Ehefrau auf einmal eine Konkurrentin, die um ihren Mann wetteifert und ihn abspenstig machen will. Damals, in Israel, war solche Konkurrenz offiziell erlaubt: Elkana hatte zwei Frauen: Hanna, und ihre Konkurrentin Peninna. Eine, die Hanna mit ständigen Sticheleien das Leben zur Hölle machte: Was - du willst   deinem Mann eine Frau sein? Du bringst es ja nicht einmal zustande, ihm Kinder zu schenken. (1. Samuel 1:6)
Solche Bosheiten im Umgang miteinander gibt es heute genauso wie damals, sei es in Beziehungen oder anderswo. Und auch einen gläubigen Menschen kann das an die Grenze seiner Kraft führen: Wenn er am Arbeitsplatz gezielt gedemütigt wird, von Kollegen, oder sogar vom Chef. "Mobbing" nennt man so etwas. Oder wenn ein Schüler ständig von seinen Mitschülern gehänselt wird, wenn man ihn nicht in die Gemeinschaft aufnimmt. Und selbst in den "besten Familien" kommt es vor,  dass einer zum "schwarzen Schaf" gestempelt wird. Vielleicht, weil er nicht in das Schema hinein passt, das in dieser Familie gilt.
Ja - Hanna könnte solche Nöte gut verstehen, würde sie heute leben. Aber nicht nur sie könnte es verstehen. Sondern auch unser Herr Jesus Christus. Denn sein Ostersieg hat eine lange, hässliche Vorgeschichte. Und wenn es um Herabsetzung, Demütigung, ja sogar Folter geht. Dann weiß Jesus, wie so etwas ist. Denn er hat das alles selbst durchgemacht.
Ja - dieses Gebet der Hanna, mit seiner ganzen Vorgeschichte. Es hilft uns zu verstehen: Ostern ist auch etwas für die Menschen, denen nicht nach Jubeln zumute ist. Gott "hebt den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche". Und er kann sich dazu tief genug herab beugen, dass er den Bedürftigen auch tatsächlich erreicht. Das sehen wir an Hanna. Und das sehen wir daran, wie es unserem Herrn Jesus Christus ergangen ist. Osterjubel, auch für solche? Ja - gerade!

2.  Mut in scheinbar auswegloser Lage

Als Hanna so tief unten ist, dass sie kein Licht mehr am Ende des Tunnels sieht. Da geht sie hinein in das Heiligtum, in den Tempel Gottes. "Und sie war von Herzen betrübt und betete zum Herrn und weinte sehr." (1. Samuel 1:10) Eigentlich kann sie nichts Besseres tun als das. Denn damit zeigt sie: Bei aller Ausweglosigkeit weiß sie um einen, der noch größer, noch mächtiger, noch stärker ist. Stärker als alles, was sie niederdrückt. Stärker als alle Demütigungen, die sie so lange ertragen musste.
Manchmal sieht es so aus, als ob gewisse Menschen der wichtigste Machtfaktor sind in dieser Welt. Wenn sie auf der gesellschaftlichen Leiter nur hoch genug geklettert sind, dann können einige anscheinend tun und lassen, was sie wollen - selbst Recht und Gesetz kann ihnen dann nichts mehr anhaben. So könnte man denken, und nur noch resigniert den Kopf schütteln.
Wenn man allerdings die Nachrichten aufmerksam verfolgt, dann merkt man: Nicht alle Leute, die groß tun, bleiben auch groß. Und so liest und hört man immer wieder, wie schnell auch scheinbar große Leute wieder von der Leiter herunterfallen und auf einmal ganz klein werden. Da verliert ein Spitzensportler Ansehen und Karriere, weil er sich aus den Dopingvorwürfen nicht mehr herausreden kann. Da finden sich Manager und hohe Gewerkschaftsfunktionäre in Untersuchungshaft wieder, weil man ihren Betrügereien auf die Schliche gekommen ist. Da geht in einem Konzern das große Zittern los, während die Kassenprüfer und Steuerfahnder immer näher rücken.
"Der Herr macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht." So heißt es in unserem Predigttext. Wie sagte der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann schon 1950: "Die Herren dieser Welt gehen, unser Herr kommt!" Gerade die Osterzeit lehrt uns: Was in dieser Welt geschieht, geht letztlich nicht nach dem, was die Menschen denken, wünschen, hoffen, befürchten, oder auch erzwingen wollen. Es geht allein nach dem Willen dessen, der alles in der Hand hat. Wir haben einen lebendigen, auferstandenen Herrn. Keinen toten Götzen, sondern einen lebendigen Gott, der mitten in das Geschehen eingreift und immer noch alles unter Kontrolle hat. Selbst dort, wo es auf den ersten Blick ganz anders aussieht.
Das konnte auch Hanna erfahren. Und nachdem sie so lange ihre verzweifelte Lage aushalten musste, da erhörte der Herr ihr Gebet. Sie und ihr Mann Elkana freuen sich über den Sohn Samuel, der bald danach auf die Welt kommt. Aber nicht nur das: Nachdem Hanna ihren kleinen Samuel. So, wie sie es Gott gelobt hat. Nachdem sie Samuel in die Stadt Silo gebracht hat, damit er dort am Heiligtum aufwachsen sollte, unter der Obhut des Priesters. Danach erhört Gott sie noch einmal, gleichsam über Bitten und Verstehen. Und die Frau, die bis dahin als hoffnungslos unfruchtbar galt, brachte nach Samuel noch drei weitere Söhne und zwei Töchter zur Welt. (1. Samuel 2:21) Was ihre Konkurrentin Peninna dazu gesagt hat mit ihren ständigen Sticheleien, das erfahren wir nicht. Es ist wohl auch nicht nötig. Wahrscheinlich hat es ihr die Sprache verschlagen und ihren bösen Mund gestopft.
Deshalb: Egal was dich bedrückt und bedrängt - nur Mut in dieser österlichen Zeit! Schütte dein Herz vor dem Herrn aus, sage ihm, was du auf dem Herzen hast. Erwarte alles von ihm - selbst Dinge, die du selbst für unmöglich hältst. Denn der lebendige Herr sitzt immer noch im Regiment. Die Chefetage dieser Welt hält er besetzt, und sonst keiner. Vor ihm werden die großen Bosse klein. Aber auch die kleinen, gemeinen Leute. Die vielleicht dein Leben zur Hölle machen. Die müssen vor ihm irgendwann ihren Mund verschließen - und dann bleibt er zu. Und all anderen Fragen und Nöte, die vor dir stehen, selbst wo es scheinbar aussichtslos ist: Auch da sitzt er immer noch an den Schalthebeln, so lebendig und allmächtig, wie er schon immer war. "Es ist niemand heilig wie der Herr, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist."
Eigentlich gibt es nur eine Sorte von Menschen, die in dieser Osterzeit keinen Grund zum Feiern haben: Das sind die, die niemanden über sich haben wollen. Die, die über ihr eigenes Leben und über das Leben anderer in eigener Vollmacht bestimmen wollen. Die, die den Herrn der Welt nicht als ihren höchsten "Chef" anerkennen. Die, die nicht nach seinem Willen fragen. Ja - die müssen sich wirklich fürchten. Denn sie haben sich einen Gegner ausgesucht, der stärker ist als sie. "Der Herr macht arm und macht reich, er erniedrigt und erhöht." Alle anderen - die haben viel Grund, von ihrem Herrn alles zu erwarten. Deshalb: Nur Mut in dieser österlichen Zeit!

3.  Mut angesichts des Todes

Auch in diesem Jahr gehen in der Osterzeit wieder so manche Menschen auf die Friedhöfe. Sie besuchen das Grab eines lieben Menschen, den sie verloren haben. Sie hängen alten Erinnerungen nach. Und sie fragen: Herr, warum? Andere denken vielleicht an einen kranken Menschen, bei dem die Ärzte gesagt haben: Der ist "austherapiert", wie man es so nennt. Wir geben ihm noch drei Monate. Oder drei Wochen.
Diese Predigt wäre unvollständig, wenn sie nichts über die größte Not des Menschen sagen würde: über die Todesnot. Manche Fragen und Antworten werden erst dann vollständig, wenn man das mit einbezieht: Die Frage nach dem Tod, und nach dem, was danach kommt. "Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf." Ja - auch unser Predigttext enthält einen deutlichen Hinweis darauf, dass wir über dieses Leben hinaus denken müssen. Und ich denke, dieser Satz ist bereits ein deutlicher, ein prophetischer Hinweis auf das, das man dann an Jesus Christus klar und deutlich ablesen kann.
Schauen wir auf unseren Herrn Jesus Christus, und darauf, wie es ihm ergangen ist. Und fragen wir: Was hätte Jesus denken müssen, wenn er diese Predigt bis hierher gehört hat? Er gehörte ja zu denen, bei denen es ganz und gar nicht gut ausgegangen ist. Ganz anders ist es ihm ergangen als Hanna, die nach ihrer Leidenszeit ein erfülltes, gesegnetes Leben hatte. Jesus hatte gekämpft. Jesus hatte gebetet: Vater, wenn du willst, dann lass diesen Kelch an mir vorübergehen. (Matthäus 26:39) Es half alles nichts. Seine Feinde triumphierten schließlich. Sie konnten ihn gefangen nehmen. Er wurde ungerecht beschuldigt, gedemütigt, geschlagen und gefoltert. Und dann feierten sie seinen Tod, und sie dachten, sie wären ihn endgültig los.
Das ganze Evangelium, die ganze Botschaft des Christentums, all das wäre sinnlos. Wenn es danach nicht weiter gegangen wäre. Jesus wäre ein Paradebeispiel dafür geworden, wie machtlos Gott ist. Oder wie sinnlos es ist, zu ihm zu beten - wenn dann doch keine Hilfe kommt, und man schließlich sterben muss. Denn dann müsste man fragen: Ist es Jesus nicht im Grunde ergangen wie so manchem unheilbar Kranken, der schließlich doch zu Grabe getragen wurde? Gekämpft bis zum Schluss? Gebetet? Und dann war doch alles aus, und der Tod hatte das letzte Wort?
Es könnte tatsächlich so aussehen - wenn Gott den Bogen nicht sehr viel weiter spannen würde. Wenn seine Macht nur dieses Leben umfassen würde. Wenn sie nur dieses kurze Leben des Menschen umfassen würde, von dem die Bibel sagt, es dauert 70, und wenn es hoch kommt 80 Jahre (Psalm 90:10). Deshalb kommt man hier nur zu einem befriedigenden Abschluss, wenn man die Auferstehung mit einbezieht. Deshalb macht das Leiden und Sterben Jesu nur dann Sinn, wenn man weiß: Am dritten Tag war sein Grab leer. Am dritten Tag war alles anders. Am dritten Tag zeigte Gott, dass er wirklich der Herr aller Herren ist. Der Herr, der sogar dem Tod nicht das letzte Wort lässt - weil er stärker ist als der Tod. "Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf." Jetzt - erst jetzt, und keine Sekunde vorher! Erst jetzt hatten sich alle Fragen aufgelöst. Und es war klar: Der Tod am Kreuz - der war in Wirklichkeit ein Sieg des Lebens. Deshalb konnte Jesus schon am Kreuz sagen: "Es ist vollbracht." (Johannes 19:30)
Ja - an Jesus können wir sehen: Es geht nicht immer gut aus, wenn wir unseren Blick allein auf dieses Leben richten. Auf die 70, 80, oder wie vielen Jahre auch immer, die Gott uns für diese Erde gibt. Nein - nicht alle Fragen lösen sich in diesem Leben. Erst, wenn man über den Horizont schaut. Erst dann ordnet sich alles sinnvoll zusammen. Und wir erkennen: Der Herr bleibt immer noch der Heilige, der Fels, von dem hier die Rede ist.
Was mag das heißen, etwa für einen kranken Menschen, der dem Tod ins Auge sehen muss? Er kann sich im Glauben an Jesus wenden. Er kann sich an den wenden, der ihn  rettet von der Sünde, vom Tod und vom Teufel. Er kann wissen: Auch wenn ich dem Tod ins Auge sehe, es geschieht nichts, was der Herr nicht will. Das kann einem Todkranken und seinen Angehörigen Mut machen, immer wieder zu beten. Und er darf wissen: Sogar mich kann der Herr heilen, wenn er will. Die ganzen 2000 Jahre der Christenheit sind Zeuge dafür, dass solche Wunder geschehen sind und immer wieder geschehen können.
Aber er darf und soll auch wissen: Ob mich Jesus jetzt heilt oder nicht - die eigentliche Auflösung aller Fragen. Die gibt es erst, wenn wir die Grenze überschreiten. Und da ist es egal, ob wir die Grenze in jungen Jahren überschreiten, weil uns ein Unglück viel zu früh aus dem Leben reißt. Oder ob wir sie in gesegnetem Alter überschreiten, nach einem langen, erfüllten Leben. Die eigentlichen Fragen lösen sich erst auf, wenn Gott einem gläubigen Menschen dann einmal ein neues, ein ewiges Leben gibt. Wenn einer, der zu Lebzeiten Jesus treu nachgefolgt ist. Wenn einer, der schon da seinen Frieden mit Gott gemacht hat. Wenn der nun seinen Herrn sehen kann, und bei ihm zu Hause ist. Nicht nur für 70 oder 80 Jahre. Sondern für eine ganze Ewigkeit. Da ist dann wirklich alles gut ausgegangen - für immer. So wie schon damals, am dritten Tag, als das Grab leer war.
Deshalb: Lasst uns voller Mut zu unserem lebendigen Herrn kommen. Wir  wollen ihm vertrauen. Er ist immer noch der Herr. In diesem Leben, egal was mich bedrängt. Im Sterben. Und darüber hinaus, wenn wir die Grenze überschreiten. Und dorthin gehen, wo sich alle, wirklich alle Fragen auflösen. "Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf." "Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist." Amen.

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