"Siehe, ich will ein Neues schaffen" - Predigt über die Jahreslosung 2007 aus Jesaja 43,19

"Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?"

Zur Predigt wurde jedem Gottesdienstbesucher ein Bild ausgegeben:
Leben wächst auf
  
Liebe Geschwister,
wenn Gott eingreift, dann kann er alle unsere Vorstellungen übertreffen. Dann kann er helfen über Bitten und Verstehen. Ja, dann kann er sogar neues Leben schenken, da, wo alles tot war. Das macht Mut. Mut für das Neue Jahr.

1. Hoffnung in einer Umgebung von Not und Tod

"Die Hoffnung stirbt zuletzt", so lautet eine bekannte Redensart, und das will heißen: Wenn alles andere sich auch gegen mich zu wenden scheint, ich habe immer noch Hoffnung. Nun - hier war zuletzt auch die Hoffnung gestorben. Als das Volk Israel vor über 2500 Jahren in der babylonischen Gefangenschaft saß, da hatten die fremden Eroberer ihnen alles genommen: Ihr Land, ihre Heimat, ihren Tempel, ihre Freiheit. Und am Schluß hatte sie es auch noch geschafft, ihnen die Hoffnung zu rauben. Ich weiß nicht, wer damals in Israel noch ernsthaft eine Änderung der Lage erhoffte. Die Lage war politisch gesehen aussichtslos, der Eroberer übermächtig. Und selbst wenn eine Rückkehr möglich gewesen wäre: Jerusalem, die Heimat, lag verwüstet. Ja - die Hoffnung stirbt zuletzt, und manchmal stirbt sie dann auch wirklich.
Ich weiß nicht, in was für einer Stimmung du in diesen Gottesdienst gekommen bist. Erwartungsvoll? Gleichmütig? Oder eher gedämpfter Stimmung? Am Schluss eines alten Jahres, und an der Schwelle zu einem neuen Jahr, da trägt ja so mancher sein "Päckchen" mit sich: Belastungen durch die Arbeit, aus der Familie, durch Krankheit, und was es sonst an Sorgen und Nöten auch unter uns gibt. Der Schritt ins Neue Jahr wird da zum Schritt in eine ungewisse Zukunft, und man mag sich vielleicht nur noch bitter und mutlos den Satz sagen: Die Hoffnung stirbt zuletzt - wenn sie nicht schon gestorben ist.
(Im Bild: Die Umgebung des verfaulten, "toten" Herbstlaubs)
Ja, in einer solchen Lage kann sogar Gott aus dem Blickfeld geraten. Man ist zwar ein gläubiger Christ, aber ein betrübter, mutloser Christ ohne Hoffnung. Jesaja scheint hier die Diagnose "geistliche Sehschwäche" zu treffen. Es ist so, als ob der Blick des Glaubens trüb und unscharf geworden ist. Gott ist zwar schon längst auf dem Plan, er hat alle Gebete erhört, er ist unterwegs. Aber ich sehe das alles nicht richtig.
"Erkennt ihr's denn nicht?", so fragt Gott sein Volk. Und betätigt sich damit als "Augenarzt und Optiker des Glaubens". Ja, manchmal muss ich erst wieder mein geistliches Sehvermögen zurückgewinnen, damit ich erkenne: Meine Betrübnis liegt nicht daran, dass Gott mich vergessen hätte. Im Gegenteil! Er hat schon längst an mich gedacht, und ist unterwegs zu helfen. Aber ich erkenne es einfach nicht. Im Bild gesprochen: Die Linse ist trüb, die Brille zerbrochen, ich sehe alles nur noch verschwommen.
(Im Bild: die aufwachsenden Pflanzen sind in Wirklichkeit sehr klein. Man läuft leicht daran vorbei. Erst mit der "Sehhilfe" des Fotoapparats kommen sie wirklich deutlich ins Blickfeld, kann man sie gut erkennen.)
So ist der erste "Mutmacher" für das Neue Jahr eine Frage: Erkennst du es nicht, dass der Herr schon längst auf dem Weg zu dir ist? Tröstest du dich immer noch mit bitteren Sätzen wie "Die Hoffnung stirbt zuletzt"? Der Herr schenke uns daher auf dem Weg ins Neue Jahr zuerst das nötige geistliche Sehvermögen. Den Glauben. Das Vertrauen auf ihn und sein Wort. Wohl dem, der das erkennt. Wir wollen den Herrn darum bitten.

2. Mehr, als du ahnst, oder: über die bisherigen Erfahrungen mit Gott hinaus

Wenn der Herr unser geistliches Sehvermögen wieder "auf Vordermann" gebracht hat - was gibt es da wohl zu sehen? Nun - vor allem erkennen wir, dass der Herr immer noch größer ist als unsere schönsten und besten Erinnerungen an ihn. Ja - er hat mehr zu geben, als wir jemals von ihm empfangen haben.
Man sagt ja immer wieder - zu Recht, wie ich meine! - ein Christenmensch sollte sein Gedächtnis üben. Und zwar darin üben, dass er nicht seine guten Erfahrungen mit Gott vergisst. "Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat." (Psalm 103:2) - so sagt schon David im Psalm. Solches Erinnern ist gut, solange es meinen Glauben aufbaut, solange es mir die Größe und Güte Gottes vor Augen stellt.
Schlecht wird es allerdings, wenn ich dabei von Gott nichts mehr wirklich Neues erwarte. "Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige!" (Jesaja 43,18) So sagt Jesaja seinem Volk direkt vor dem Vers unserer Jahreslosung. Was für eine seltsame Aufforderung - könnte man meinen. Klarer wird das Ganze im Zusammenhang: Das Volk Israel erinnert sich in seiner Gefangenschaft an die großen Taten Gottes in der Vergangenheit, vor vielen Jahrhunderten, als der Herr die gewaltige Armee des Pharaos im Schilfmeer untergehen ließ: "... der ausziehen läßt Wagen und Rosse, Heer und Macht, daß sie auf einem Haufen daliegen und nicht aufstehen..." (Jesaja 43:17) Aber selbst wenn er solche Taten wiederholen würde - was würde es ihnen helfen in ihrer jetzigen Lage?
Die Erinnerung hilft da nicht weiter. Deshalb sollen sie jetzt nicht an die Taten Gottes von gestern denken. Als ob Gott nicht mehr könnte, als er in der Vergangenheit gezeigt hat! Sie sollen vielmehr auf die Verheißungen Gottes für morgen achten. Nicht auf die Taten von gestern, sondern auf die Verheißungen für morgen: Siehe, ich will ein Neues schaffen! Etwas, das ihr so noch nie gesehen habt.
Und in der Tat, das war keine leere Versprechung, sondern so kam es: Ein Weltreich musste dazu untergehen, der persische König setzte sich auf den babylonischen Königsthron, und es begannen politische Umwälzungen, die keiner zuvor geahnt hätte. Umwälzungen, durch die das Volk Israel schließlich heimkehren konnte. Und die Trümmer Jerusalems wurden wieder aufgebaut. Wer hätte das gedacht! Siehe, ich will ein Neues schaffen - erkennt ihr es denn nicht?
Ja, wer hätte das gedacht! Ob ich das auch sagen kann, in einem Jahr, am 31.12.2007? Heute jedenfalls, am Anfang des neuen Jahres, bin ich gefragt: Was traue ich meinem Herrn eigentlich noch zu? Was traue ich ihm gerade dann zu, wenn ich an gewisse - scheinbar unüberwindliche - Berge und Hindernisse denke, auf die ich - nach menschlichem Ermessen - im Neuen Jahr zugehe? Du hast gute und ermutigende Erfahrungen mit Gott gemacht? Gut so! Aber denkst du, du kannst nicht noch viel bessere machen? Glaubst du, die wunderbaren Führungen und Bewahrungen, die du bisher erlebt hast. Glaubst du, das wäre alles, was dein Herr kann?
Als der Apostel Paulus und seine Mitarbeiter unterwegs waren, da wurden sie oft bis an ihre Grenzen und darüber hinaus gefordert. "Denn wir wollen euch, liebe Brüder, nicht verschweigen die Bedrängnis, die uns in der Provinz Asien widerfahren ist, wo wir über die Maßen beschwert waren und über unsere Kraft, so daß wir auch am Leben verzagten und es bei uns selbst für beschlossen hielten, wir müßten sterben." So schreibt er an die Gemeinde in Korinth. "Die Hoffnung stirbt zuletzt." Ja, und jetzt dachte der Apostel auch selbst ans Sterben.
Doch immer wieder musste er die Erfahrung machen: Gott hat immer noch "neue Ideen", wunderbare, nie gedachte Führungen und Bewahrungen. Einmal sprangen die Türen eines Gefängnissen wie von selbst auf, und die gefangenen Missionare kamen frei (Apostelgeschichte 16:23ff). Einmal wurde Paulus von einer Giftschlange gebissen - und es geschah ihm nicht das Geringste (Apostelgeschichte 28:1ff). Paulus hat oft erfahren, wie Gott immer noch größer ist, immer noch mehr bereit hat als in der Vergangenheit. Und so schreibt er weiter an die Korinther: "Das geschah aber, damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt." (2. Korinther 1:8-10)
Siehe, ich will ein Neues schaffen. Und deshalb kannst du getrost in das Neue Jahr gehen. Selbst für die größte Not, die dich drückt. Selbst für die gilt: Der Herr ist immer noch größer. Lege den Herrn nicht auf deine Vergangenheit fest - selbst wenn du beste Erfahrungen mit ihm gemacht hast. Denn er kann immer noch mehr tun, als du je erlebt hast. Er kann immer noch Gebete erhören - selbst über Bitten und Verstehen.
(Zum Bild: nein, man findet solche Pflanzen im Herbstlaub nicht an jeder beliebigen Stelle im Wald. Sie sind so klein, dass man sie fast übersieht. Man findet sie, wo man es nicht gedacht hätte: hier war es ein kleines Stück eines Waldwegs, nur dort, und das war nicht ohne weiteres zu vermuten.)

3. Ostern: So etwas Neues hat man noch nie gesehen

Trotzdem ist das immer noch nicht alles, was Gott zu geben hat. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einige Worte zu Ostern sagen. Ja - zu Ostern. Ich bin sogar fest davon überzeugt, dass sich unsere neue Jahreslosung hervorragend für eine Osterpredigt eignen würde.
Schon zur Zeit Jesajas und danach ahnten manche, dass dieses Neue. Siehe, ich will ein Neues schaffen. Dass dieses Neue gewissermaßen einen "Mehrwert" hat. Dass darin sehr viel mehr versprochen wird, als die Heimkehr in ihr Land, und der Wiederaufbau ihrer Heimat. Als dann Jesus kam. Als er über unsere Erde ging. Als er am Kreuz für uns starb - und dann, am dritten Tage plötzlich das Grab leer war. Da wurde klar, was dieses Neue wirklich ist: Es ist Leben aus dem Tod. Es ist die Auferstehung unseres Herrn. Es ist etwas, das es zuvor nie gegeben hatte. Etwas, das die Welt von Grund auf verändern sollte.
In der Tat kann man ja selbst einen Atheisten von mancherlei Nützlichem am christlichen Glaubens überzeugen. Die moralischen Werte des Christentums, und wie Jesus sie vorgelebt hat - unübertroffen! Ein Mensch, der für seine Überzeugungen sein Leben hergibt, ja der der sogar am Kreuz noch für seine Mörder betet - Hut ab vor einer solchen Einstellung! Doch bei der Auferstehung, da hört es dann auf. Wenn es stimmt, dass tatsächlich das Grab leer war. Wenn es stimmt, dass die Jünger den Auferstandenen tatsächlich gesehen, ja sogar angefasst haben. Wenn das stimmt - dann kann man nicht mehr an Gott vorbei gehen. Denn dann ist etwas wirklich Neues geschehen, etwas, das man in der Geschichte der Menschheit noch nie gesehen hat: Neues Leben aus dem Tod. Siehe, ich will ein Neues schaffen. Wer könnte so etwas tun, außer dem Schöpfer der Welt?
Manche gehen ja in das Neue Jahr nicht nur mit einem Paket Sorgen. Sondern vor allem mit einem großen Packen Schuld, die sie auf sich geladen haben. Es kann sich eine ganze Menge ansammeln im Laufe eines Jahres, selbst bei gläubigen Menschen. Dinge in meinem Leben, die in völlig falsche Bahnen geraten sind. Falsche Entwicklungen, wo ich mich frage: Wie komme ich da wieder heraus?
Ich frage mich, ob das ein Grund ist, warum gerade an Silvester soviele "gute Vorsätze für das Neue Jahr" gefasst werden. Und das nicht nur von christlichen Menschen. Nein, so mancher wird da einfach nachdenklich und sagt sich: Also das - das kann so nicht mehr weitergehen. Im Neuen Jahr soll, ja muß es anders werden. Heute will ich einen Entschluss fassen, und ihn im Neuen Jahr "durchziehen". Nur - ob ich das schaffen werde?
Als Christen haben wir es ja wirklich gut an dieser Stelle. Wir wissen, dass Gott uns auch mit unserer Schuld nicht allein lässt. Dass er uns allein nicht "strampeln" lässt mit unseren guten Vorsätzen, aus denen dann oft doch nichts wird. "Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden." (Jesaja 43:24) So sagt Gott schon damals seinem Volk, kurz nach unserem Predigttext. Ja, wir haben Gott viel Arbeit gemacht. Ein ganzes Jahr lang hatte er Mühe und Arbeit mit unseren falschen Entscheidungen, mit unserer Eigensinnigkeit, die nicht auf ihn hören wollte, mit unserer Kälte und Lieblosigkeit, mit der wir immer wieder vor allem an uns selbst gedacht haben. Ja - Gott hatte ein arbeitsreiches, mühsames Jahr mit mir, das kann man wohl sagen. Wohl dem, der das ehrlich erkennt. Aber was sagt Gott schon damals seinem Volk: "Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht." (Jesaja 43:25)
Ja, wenn Gott vergibt. Dann sind unsere Sünden nicht nur ausgelöscht, getilgt, weggewischt. Sondern dann sind sie bei Gott auch gleichsam vergessen. Wenn ein Mensch uns tief verletzt hat, dann können wir unter Umständen sehr nachtragend sein. Selbst wenn der sich bei mir entschuldigt, und versucht, die Sache wieder gut zu machen: Nein, der "bekommt bei mir keinen Fuß mehr auf den Boden" - das kann er glauben. Bei Gott ist das völlig anders. Im Bild gesprochen: Gott ist nicht nachtragend. Ich gedenke deiner Sünden nicht.
Das ist eine hervorragende Voraussetzung dafür, dass Gott bei mir im Neuen Jahr wirklich Neues schaffen kann. Mitten in meinem Leben. An Stellen, wo ich es nicht für möglich gehalten habe. Und wenn ich das nicht glauben kann, dann soll ich an das größte Neue denken, das Gott jemals geschaffen hat. Vor 2000 Jahren an Ostern, als er unserem Herrn Jesus Christus neues Leben aus dem Tod schenkte. Spätestens seit Ostern wissen wir, dass es für Gott nichts Unmögliches gibt. Dass er Dinge bewirken kann, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Warum sollte das bei mir heute anders sein? Und selbst dann, wenn mein Karren im alten Jahr "gründlich in den Dreck gefahren" ist. Sollte er mir nicht einen ganz neuen Anfang schenken können? Mir vergeben und mein Leben noch einmal in ganz neue Bahnen lenken?
(Im Bild: aus dem toten, verrotteten Laubhaufen meiner Sünden und meiner verkehrten Wege wächst durch die Vergebung neues Leben.)
Sollte ihm etwas unmöglich sein? Ja - das macht mehr Mut für das Neue Jahr. Mehr Mut als alle guten Vorsätze zusammen, die wir uns je vornehmen könnten. Nehmen wir diese Botschaft mit ins Neue Jahr, vertrauen wir unserem Herrn: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht? Amen.

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