Wie komme ich in den Himmel? Konfirmationspredigt über Johannes 12,32

Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.

Liebe Gemeinde, liebe Konfirmanden,
Jesus will uns sagen, wie wir in den Himmel kommen. Das ist der Sinn dieses kurzen Verses: Zu mir ziehen. Zu mir, in den Himmel. Dorthin, wo Jesus ist. Das ist der Sinn, warum wir in die Kirche gehen. Warum wir in den Unterricht gehen. Die Prüfung haben... Usw. Damit wir erfahren, wie wir in den Himmel kommen.
Wie komme ich in den Himmel? Was kann ich dazu tun? Ich will drei Gedanken dazu weitergeben.

1. Eigentlich kann ich gar nichts tun

Jesus sagt: Ich will sie zu mir ziehen, die Leute. Ich allein. Einer unserer berühmten Dichter - Goethe war es - er hat einmal gesagt: "Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen." Die steile Himmelsleiter zu erklettern, das fängt damit an, dass ich in die Hände spucke, und dann die erste Stufe nehme, und dann die zweite, und so weiter, bis ich ganz oben angekommen bin. Eins stimmt: Es ist gut, wenn ein Mensch sich bemüht, ein heiliges Leben zu führen. Ein anderes aber stimmt nicht: Dass ich mit diesem "strebenden Bemühen" in den Himmel komme. Ich mag mir vornehmen, jeden Tag eine gute Tat zu tun. Für Fortgeschrittene auch: zwei gute Taten - das "große Pfadfinderexamen". Ich mag mir vornehmen: Ich will alle zehn Gebote nicht nur auswendig lernen. Sondern: Ich will die zehn Gebote auch einhalten, sogar dann, wenn es mir nicht passt. Sicher. Das ist ein guter Vorsatz. Aber in den Himmel komme ich dadurch nicht. Jesus sagt nicht: Ihr sollt zu mir hochklettern. Sondern: Ich will euch zu mir ziehen.
Beispiel: Irgendwie scheint es im Menschen "eingebaut" zu sein, dass er unbedingt selbst in den Himmel hochklettern will. Und es sind nicht nur deutsche Dichter, die über das strebende Bemühen reden, sondern auch die vielen Religionen, die der Mensch sich im Laufe der Weltgeschichte erdacht hat. In einer wunderschönen, ausgedachten Begebenheit hat einmal jemand versucht, den Unterschied zwischen dem christlichen Glauben und den Religionen zu erklären. Er vergleicht den Menschen in seinem "Normalzustand" - in dem er nicht in den Himmel kommt - mit einem Unglücklichen, der in eine Grube gefallen ist - eine tiefe, schmutzige Grube. Es kommt der erste große religiöse Führer vorbei. Und er sagt dem Unglücklichen: "Du armer Mensch. Wie konntest du nur so dumm sein, in diese Grube zu fallen. Ich gebe dir einen guten Rat: Falls du da wieder herauskommst, pass auf, dass dir so etwas nie wieder passiert." Dann kommt ein Priester vorbei, wieder von einer anderen Religion. Der geht an den Rand der Grube und sagt: "Es tut mir leid, dich so leiden zu sehen. Ich könnte dir helfen - wenn du wenigstens die Hälfte der Grube selbst hochkletterst." Da kommt Jesus vorbei. Er steigt hinunter in die Grube, stellt den Reingefallenen auf seine Schultern, holt ihn aus der Grube und reinigt ihn vom Dreck.
Das ist der Unterschied - der Unterschied zwischen Jesus, und unseren menschlichen Ideen von Erlösung. Jesus zieht uns zu sich. Als ob er nicht wüsste, wie es in Wirklichkeit um uns bestellt ist! Und dass wir bei weitem nicht irgendwelchen "Heiligen" gleichen. Sondern dass es mit uns viel eher ist, wie mit dem unglücklichen Menschen in der Grube. Der jeden Tag auf´s Neue schwach ist und versagt. Und schon bei der untersten Stufe der "Himmelsleiter" größte Schwierigkeiten hat, dort hoch zu klettern. Jesus zieht uns. Zieht uns zu sich, in seine Nähe. "Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen." So kommen wir in den Himmel.

2. Jesus anschauen

Können wir also gar nichts "tun"? Eigentlich nicht. Jesus tut alles. Nicht ich. Sondern er allein. Aber wie ist das nun: Muss ich es also dem Zufall überlassen, ob er mich zieht? Zieht er also den einen in den Himmel, und den anderen nicht - ganz wie es ihm beliebt? Der eine bleibt in der Grube, weil  Jesus gerade nicht vorbeigekommen ist, und der andere hat eben "Glück gehabt"? Oder ist es noch anders. Und es kommen am Schluss doch irgendwie "alle, alle in den Himmel", wie es in einem Lied heißt?
Als Jesus sagt: "Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen", da hat er eine  ganz bestimmte Sache im Blick. Es ist ein etwas ungewöhnliches Ereignis aus der Zeit, als das Volk Israel noch durch die Wüste gewandert ist. Giftige Schlangen waren damals in das Lager gekommen, in große Mengen, etliche waren schon gestorben an den Bissen, und alle hatten Angst. Da geschah ein sehr merkwürdiges Wunder Gottes. Mose hatte auf Anweisung Gottes eine Schlange aus Bronze fertigen lassen. Man steckte sie auf einen langen Stab und richtete sie so auf, dass jeder sie sehen konnte. Und auf einmal gab es eine Möglichkeit, vor den Bissen gerettet zu werden. Wer nur die bronzene Schlange anschaute, wie Gott es gesagt hatte, wer sie nur anschaute - der wurde geheilt von der Wirkung des Schlangenbisses. Einfach nur anschauen - und Gott rettete einen. Ohne jedes "strebende Bemühen" - wie sollte das auch helfen gegen Schlangenbisse?
Einfach nur anschauen. Wer mich anschaut. Mich, Jesus. Voller Vertrauen anschaut, wie ich am Kreuz gestorben bin. Gestorben, um die Welt von ihrer Sünde zu befreien. Wer mich glaubend anschaut. Wie ich auferstanden bin, nach drei Tagen. Wer mich voller Vertrauen anschaut - der kommt in den Himmel. Der wird von mir "gezogen". Angezogen. So angezogen, dass ich ihn "mitziehe". So mitziehe, dass er einmal bei mir sein wird. Im Himmel. So sagt Jesus. - Schaut einfach nur Jesus an. Wer er ist. Was er für uns getan hat. Mehr nicht. Und er wird euch ziehen, zu sich ziehen in seine Nähe. Der wird euch herausziehen. Egal, in was für eine "Grube" ihr gefallen seid.

3. Gottes Wort für jeden Tag

Jesus anschauen. Aber wie kann ich ihn anschauen? Sehen kann ich ihn ja nicht. Nein - sehen nicht. Aber ich kann von ihm hören im Gottesdienst. Von ihm lesen in der Bibel. Dort, wo seiten- und bücherweise aufgeschrieben ist, wer Jesus ist. Und je mehr ich von ihm erfahre, aus Gottes Wort. Desto mehr weiß ich, wie Jesus ist. Desto mehr kann ich ihn "anschauen". Und merken, wie er mich zu sich zieht. Ganz ohne dass ich mich "strebend bemühe".
Gottes Wort - die Gelegenheit, um Jesus anzuschauen. Das hat nun allerdings auch eine ernste Kehrseite, und die will ich nicht verschweigen. Stellt euch vor, stellen Sie sich vor, die Leute damals in der Wüste hätten gesagt: Wir haben keine Zeit, eine bronzene Schlange "einfach nur anzuschauen". So etwas Albernes - wir können froh sein, wenn wir unsere Alltagsgeschäfte erledigen können. Trotz der Schlangen. Keine Zeit zum Anschauen: Nein, dann wären sie auch nicht gerettet worden. Das war nun einmal der Rettungsweg, den Gott ihnen gezeigt hatte. Daran war nichts zu rütteln und zu deuteln.
So ähnlich ist das mit Gottes Wort. Wenn ich mir keine Zeit nehme für Gottes Wort. Dann kann ich Jesus nicht "anschauen". Dann kann er mich nicht ziehen, zu sich ziehen in den Himmel. Wer sich keine Zeit nimmt für Gottesdienst und Bibellesen. Wer nach dem Konfirmandenunterricht erst einmal "alles ruhen" lässt, sich keine Zeit mehr dafür nimmt. Wer den "lieben Gott einen guten Mann sein lässt". Der hat vielleicht ein kleines bisschen mehr Freizeit. Aber er darf nicht erwarten, dass er in den Himmel kommt. Jesus anschauen, so dass er mich zu sich zieht - das kann ich sonntags weder in der freien Natur noch auf dem Fußballplatz - sondern in der Kirche, da wo ich Gottes Wort hören kann. Oder in der Jugendstunde. Jesus anschauen im Alltag - das kann ich nicht im Fernsehen, nicht im Beruf, nicht einmal in gut gemeinter mitmenschlicher Aktivität. Sondern dann, wenn ich mir etwas Ruhe gönne. Ruhe - z.B. so, dass ich allein bin, nur Gott, meine Bibel, und ich. Da kann auch der Bibelleseplan helfen, den ihr Konfirmanden zu Weihnachten geschenkt bekommen habt...
Dazu braucht es nicht einmal viel Zeit. Eine Nachrichtensendung anschauen dauert eine Viertelstunde, länger nicht. Wie viel wäre gewonnen, wenn wir uns nur eine Viertelstunde täglich Zeit nehmen würden für Gottes Wort! Eine Viertelstunde Zeit für Jesus. Denn das würde den entscheidenden Unterschied machen. Wenn ich eine Fernsehsendung anschaue, komme ich vielleicht auf den neuesten Stand. Wenn ich Jesus "anschaue" - dann komme ich in den Himmel. Weil er mich "aus der Grube" ziehen kann. Aus meinen ganzen Schwachheiten und meiner Schuld herausziehen kann. Zu sich ziehen kann.
Nein, missversteht mich nicht. Es geht nicht darum, ein "Bibel- und Gottesdienstgesetz" aufzustellen. Dem ich - strebend bemüht - nacheifere, und mir damit den Himmel verdiene. Sondern es geht um Gelegenheiten. Es geht darum, dass ich mir Gelegenheiten nehme. Ganz bewusst Gelegenheiten nehme, um Jesus zu begegnen. Ihm so zu begegnen, dass ich merke: Er zieht mich. Er zieht mich - sogar mich, obwohl ich gar nicht so fromm bin! Er zieht meinen Blick auf sich. Er zieht mich in seine Nähe. Ich kann ihm vertrauen.
Das wünsche ich Euch, liebe Konfirmanden. Das wünsche ich uns allen. Dass wir Jesus so anschauen, dass er uns zu sich zieht. Dass wir Jesus so anschauen, dass wir in den Himmel kommen. Dann - ja dann hätte sich der Unterricht, all das Lernen, die Prüfung usw. wirklich gelohnt. Wenn ich das dort gelernt habe - in schönen, und in manchen mühsamen Stunden. Gelernt, wie ich Jesus anschaue. Gelernt, wie ich in den Himmel komme. "Jesus Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen." Amen.

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