Jeremia 23:5 Siehe, es kommt die
Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Sproß
erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und
Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. 6 Zu seiner Zeit soll
Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name
sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der HERR unsere
Gerechtigkeit«.
Liebe Geschwister,
Advent - das ist eine Zeit voller froher Erwartung. Wir können
viel erwarten - von unserem Herrn. Nur - was können wir erwarten?
Worauf kann ich hoffen? Ich will zuerst von falschen Erwartungen
sprechen. Und dann von unserer begründeten Hoffnung im Advent: Von
Jesus, unserer Gerechtigkeit.
Advent: eine Zeit voller Lichter, festliche Stimmung, und irgendwie
scheint die Welt schöner und heller als sonst zu sein. Ob so etwas
nicht die Menschen zum Besseren bewegen kann, zum menschlicheren Umgang
miteinander? Dazu bewegen kann, das Leben etwas hoffnungsvoller
anzugehen?
So schön und wohltuend solche Erfahrungen sind - schließlich
ist es besser, etwas Lebensfreude zu haben, als als ständiger
Griesgram in die Welt zu blicken. Dennoch: Ob in all der frohen
Stimmung gerade solche und andere Bibelstellen missverstanden werden?
Solche Stellen, die vom versprochenen Messias sprechen? Vom Retter der
Welt? Der Recht und Gerechtigkeit schaffen wird?
Und so hört es man jahraus, jahrein, in verschiedenen Spielarten -
und leider auch von so mancher Kanzel: Jesus ist gekommen, und er wird
dafür sorgen, dass eine schönere, gerechtere Welt entsteht.
Der wird für Recht und Gerechtigkeit sorgen. Und auch die
christliche Kirche wird ihren Teil dazu beitragen - zur
Weltverbesserung.
Ich denke, man braucht kein theologischer Experte zu sein. Um zu sehen:
so ganz geht diese Rechnung offensichtlich nicht auf. Jesus ist vor
2000 Jahren gekommen. Und noch immer gibt es viele Arme - und wenn
nicht bei uns, dann in anderen Ländern. Weltweite Gerechtigkeit?
Wo? Jesus ist gekommen, und immer noch bringen sich die Menschen
gegenseitig um. Man sagt, die Zeit nach dem 2. Weltkrieg war wohl die
Zeit in der Weltgeschichte. In der es die meisten Kriege und
Grausamkeiten überhaupt gab. Und das, obwohl es hier von Jesus
heißt: "Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht
und Gerechtigkeit im Lande üben wird."
Neu sind solche falschen Erwartungen nicht. Schon vor 2000 Jahren hatte
die christliche Kirche damit zu tun. Bevor Jesus seinen Weg ans Kreuz
zu Ende geht, gibt er seinen Jüngern eine Warnung vor solchen
Missverständnissen mit auf den Weg (Matthäus 24:4): "Seht zu,
dass euch niemand verführe." Und dann spricht er von der Zeit,
bevor er wiederkommen wird. Bevor alle Menschen ihn sehen werden. Und
er sagt über die Entwicklung der Welt: Die Kriege werden zunehmen.
Ein Mensch erhebt die Hand gegen seinen Nächsten. Die Gesellschaft
wird immer kälter und liebloser. Sie suchen Auswege. Und dann:
Dann werden Heilspropheten aller Art auftreten, die scheinbar einen Weg
aus der Krise zeigen. Es wird eine große Zahl an falschen
Versprechungen geben. Die niemand einhalten kann.
Deshalb, liebe Geschwister. Bevor wir die echte, wahre Adventshoffnung
ergreifen. Ist wichtig, dass wir uns nicht von falschen Hoffnungen ins
Bockshorn jagen lassen. Und es ist ebenso wichtig: dass wir als
Christen den Menschen nicht nur erklären, welche echte Hoffnung
Jesus bringt. Sondern dass wir sie auch - aus christlicher
Verantwortung! - vor falschen Versprechungen warnen. Seien es
Versprechungen unter einem christlichen Vorzeichen. Oder Versprechungen
von ganz weltlichen Menschen. Die eine bessere Welt versprechen. Es ist
geradezu erschreckend, wie leichtgläubig und verführbar die
Menschen in unserem Land mittlerweile sind. In diesem Jahr wurde wieder
eine Studie der Universität Leipzig veröffentlicht, die
ergab: 10,6 Prozent der Deutschen meinen, es sollte einen Führer
geben, "der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert". (zu
finden z.B. hier:
https://www.tagesschau.de/inland/mitte-studie-rechtsextremismus-101.html
oder https://www.tagesschau.de/inland/mitte-101.pdf)
Ja: Die enttäuschenden Erfahrungen der Menschen mit der Politik,
diese Erfahrungen lassen so manche wieder anfällig werden für
Weltverbesserer und für den "starken Mann", der endlich alles in
die Hand nimmt.
Nein, wir wollen uns nicht ins Bockshorn jagen lassen von
"Weltverbesserern". Unserer Gesellschaft als ganzer, unserer
großen Welt - ist wirklich nicht mehr zu helfen. Leider! Ein
Paradies auf Erden, voll Wärme, voll Mitmenschlichkeit, wo endlich
Gerechtigkeit herrscht - wir werden es nicht einmal ansatzweise
erleben. Obwohl Advent ist. Obwohl unser Herr gekommen ist. Das hat
Jesus nicht versprochen. Und doch - ist Jesus nicht umsonst gekommen.
Und doch - ist seine Wirkung in der ganzen Welt erfahrbar. Und das
führt mich zu:
Wir wollen uns jetzt der wahren christlichen Hoffnung langsam
annähern. Der Hoffnung, die Jesus in unsere Welt gebracht hat. Der
Hoffnung, an die wir im Advent denken. Nun ist Jesus ja auf gewisse
Weise durchaus populär, nicht nur bei den Christen. Denn: Dass
Jesus selbst absolut gerecht und vollkommen ist. Ein Vorbild für
alle. Ein Maßstab für mein Leben. Dem werden viele
zustimmen. Nein - bei ihm gibt es nichts zu bemängeln und zu
kritisieren. Selbst Menschen, die mit christlichem Glauben und Kirche
nicht viel "am Hut haben". Auch die sagen anerkennend über Jesus:
So wie er sollten alle leben! Der Messias, der versprochene Retter: er
ist die Gerechtigkeit in Person. Denn so, wie er es vorgelebt hat, so
sollte es sein. Er ist wirklich die Gerechtigkeit in Person, wie es
keinen zweiten gibt. Der Herr, unsere Gerechtigkeit.
Und so hat das Vorbild des gerechten Jesus schon manchen dazu
inspiriert und angespornt, große Taten der Menschlichkeit zu
vollbringen. Manche wurden darüber sogar berühmt und
ihrerseits wieder zum Vorbild für andere: Denken wir an solche
Wohltäter wie Albert Schweitzer, der seine gesicherten
Verhältnisse in Europa verließ, und 1913 sein bekanntes
Urwaldkrankenhaus in Lambarene gründete. Ja, es ist schon wahr:
Wie viel wäre gewonnen, wenn mehr Menschen sich nicht an selbst
ernannten Führern orientieren würden - sondern sich Jesus
selbst zum Vorbild nehmen würden. Jesus - die Gerechtigkeit in
Person, der einzige Mensch, der wirklich ganz und ohne Abstriche
für seine Mitmenschen da war. Da käme Hoffnung auf - wenn
sich das mehr zu Herzen nehmen würden.
Wäre das nicht eine gute Weise, im Advent von echter christlicher
Hoffnung zu sprechen: Jesus zwar nicht als der umfassende
Weltverbesserer, der durchgreift und die Verhältnisse zum Guten
wendet. Nicht als Weltverbesserer - aber als das Vorbild schlechthin,
an dem sich - hoffentlich! - immer mehr Menschen orientieren werden?
Wäre das nicht eine Botschaft, die wir den Menschen sagen
könnten? Die gute Nachricht, die wir ihnen weitergeben? Käme
da nicht eine berechtigte Hoffnung auf, die sich langsam ausbreiten
könnte?
Nein - ich möchte niemandem ausreden, sich Jesus zum Vorbild zu
nehmen. Wenn wir allerdings dabei stehen bleiben. Oder wenn wir das zur
Mitte unserer Botschaft machen: Jesus, das Vorbild der Gerechtigkeit
schlechthin. Ja dann - werden wir in unserer Hoffnung am Kern des
Evangeliums vorbeigehen.
Manchmal ist es gut, die Worte der Bibel wirklich Wort für Wort
"auseinander zu nehmen". Denn es heißt hier, genau genommen,
nicht: Jesus ist die
Gerechtigkeit. Sondern es heißt: Der Herr, unsere Gerechtigkeit. Das ist der
Kern des Evangeliums: Jesus ist in die Welt gekommen, um uns seine
Gerechtigkeit zu geben. Er will uns seine Gerechtigkeit nicht nur
vorleben. Sondern er will sie an uns weitergeben. Jesus ist sozusagen
sehr "mitteilsam", was seine Gerechtigkeit angeht.
Es geht dabei um die Gerechtigkeit, die aus Sündern Gottes Kinder
macht. Die Gerechtigkeit, die den Heiden in einen Christen verwandelt.
Die Gerechtigkeit, die aus verkrampften Christen frohe Diener Gottes
macht. Ja, ich bin überzeugt: wie viel Unklarheit gibt es selbst
in christlichen Kreisen darüber, was mich zum Christen macht!
Worauf es wirklich ankommt. Wie viel Unklarheit gibt es bei der Frage:
Was mich vor Gott recht macht, was mich gerecht macht. Was mir den
Eingang zum Himmel verschafft.
Da singt so mancher Christ von der Erlösung durch Jesus und preist
seine Gnade. Aber er denkt dabei in seinem Herzen: Die Gnade des Herrn
ist wunderbar - aber selbstverständlich muss ich mich als Christ
auch noch bemühen. In seinem Dienst aktiv sein. Seine Gebote
halten. Für meine Mitmenschen da sein. Er, der gerechte Herr - er
soll das einzige Vorbild meines Lebens sein. Es muss etwas von seinem
gerechten, vollkommenen Wesen bei mir sichtbar sein, von seiner
Gerechtigkeit. Wenn ich soweit gekommen bin. Dann wird Gott mich wohl
annehmen. Dann ist es in Ordnung. Dann bin ich ein Christ.
Was für ein tragisches Missverständnis! Wie viele
ängstliche, verkrampfte, unfrohe Christen sind daraus schon
entstanden! "Der Herr, unsere Gerechtigkeit." Das ist die befreiende
Botschaft im Advent. Die Botschaft von Jesus, der nichts von seiner
Gerechtigkeit für sich behalten kann. Und so nimmt er seine
Vollkommenheit. Seine absolute Gerechtigkeit. Sein vorbildliches Leben.
Seine Erlösung, die er am Kreuz erworben hat. Und er schenkt es
mir alles. Ganz persönlich. Im ersten Korintherbrief schreibt
Paulus über Jesus, dass er uns "von Gott gemacht ist zur Weisheit
und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung." (1.
Korinther 1:30) Jesus - der Herr, unsere Gerechtigkeit. So ist das
gemeint.
Stellen wir uns vor, wir wären ein Bettler, in einem kalten Land,
mitten in der Adventszeit. Die Menschen gehen an mir vorüber, und
denken verächtlich: Na, der hat es wohl nicht weiter gebracht. Da
kommt einer, und hüllt mich in einen prächtigen,
königlichen Mantel. Der Mantel wird um mich, um einen armen,
frierenden Bettler gehüllt. Und dann wärmt er mich, ja nicht
nur das, er schmückt mich auch mit königlicher Pracht. Und
auf einmal schauen mich die Vorübergehenden ganz anders an als
zuvor.
So ist es auch mit dem Mantel der göttlichen Gerechtigkeit. Gott
selbst hat ihn um mich gelegt. Und wenn Gott mich ansieht. Mich, einen
gläubigen Menschen. Mich, einen Menschen, der sein ganzes
Vertrauen auf Jesus setzt. Dann sieht er nicht die Schwachheit meines
Christenlebens. Dann sieht er nicht meinen - nur zu oft! - armseligen
Umgang mit meinen Mitmenschen. Dann sieht er nicht meine
kläglichen Versuche, dem Vorbild Jesu nachzueifern. Sondern er
sieht die Gerechtigkeit Jesu. Und sonst nichts. "Und dies wird der Name
sein, mit dem man ihn nennen wird: "Der Herr, unsere Gerechtigkeit."
Nicht meine eigene Gerechtigkeit. Sondern seine. Die mein Herr mir
schenkt. Das ist der Kern des Evangeliums. Das ist der Kern unserer
Hoffnung.
Wenn wir das nur alle glauben könnten! Ohne Abstriche! Wie viel
Ausstrahlung würde von uns ausgehen. Denn ich bin sicher: Da, wo
ein Mensch diese Botschaft ganz begreift. Da wird nicht nur er selbst
froh und frei in seiner Seele. Da wird es auch in seiner Umgebung
schöner. Da wird nicht gleich die ganze Welt verbessert. Aber
vielleicht die Atmosphäre in der Familie oder auf der Arbeit.
Um ein Beispiel zu nehmen. Im Text heißt es ja, wenn der Messias
kommt, dann gilt: "...Israel wird sicher wohnen." Ich denke, man kann
darunter nicht nur eine äußere Sicherheit verstehen. Sondern
auch eine innere Gelassenheit der Menschen. Eine Gelassenheit, die
ihren Halt nicht an dem festmacht, was die anderen über mich
denken. Sondern die allein auf den Herrn schaut. Wie gut tut das gerade
in unserer Zeit! Wenn es Menschen gibt. Die nicht ängstlich
bemüht an ihrem Image polieren. Die nicht ständig
überlegen, wie sie vor anderen gerecht, rein, erfolgreich, fromm
oder wie auch immer da stehen. Eben weil sie wissen: Der Herr ist meine
Gerechtigkeit. Und wenn ich auch selbst keinen Heiligenschein verdient
habe. Er ist mein Licht. Es zählt zuerst, was ich vor ihm bin.
Nicht das, was die Menschen über mich denken und sagen. Ja - was
für eine Gelassenheit würde das sein! Im Umgang mit mir
selbst. Und im Umgang mit meinen Mitmenschen. Da würde man in der
Tat etwas davon spüren. Wie der Herr einen Menschen regiert. Mit
seiner Gerechtigkeit.
So wünsche ich mir. Und uns allen. Dass wir uns nicht von falschen
Hoffnungen und Versprechungen blenden lassen. Sondern dass wir die
wahre. Die wirklich begründete Hoffnung im Advent ergreifen. Und
zu einem kleinen Licht werden, das für diesen und jenen in meiner
Umgebung scheint. Lasst uns nicht auf unsere Armseligkeit schauen.
Sondern auf ihn. Auf Jesus. Denn "das wird sein Name sein, mit dem man
ihn nennen wird: "Der Herr, unsere
Gerechtigkeit." Amen.