Zeichen und Wunder - Predigt über Johannes 2,1-11

Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. 9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wußte, woher er kam - die Diener aber wußten's, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Liebe Gemeinde,
Jesus ist der verheißene Messias, der menschgewordene Gottessohn, der aus der Ewigkeit in unsere Welt gekommen ist, der dort mitten unter uns seine Herrlichkeit offenbart hat. Im Zusammenhang damit hat Jesus während seines Lebens auf der Erde immer wieder Wunderzeichen getan. Warum tut Jesus diese Zeichen? Und was haben diese Zeichen mit unserem Glauben zu tun?

1. Jesus zeigt seine Identität

"Können Sie sich ausweisen?", so fragte der Polizist den Mann. Der hatte sich kurz vorher als hoher Gesandter einer ausländischen Macht vorgestellt, und verlangte entsprechende Behandlung. Leider erwies sich der Diplomatenpass als gefälscht, und so wurde er erst einmal mitgenommen zur Polizeiwache.
"Kannst du dich ausweisen?", so fragten die Menschen in Israel vor 2000 Jahren Jesus. Denn der hatte behauptet, er sei der von Gott verheißene Messias. Da viele von ihnen ihre Bibel kannten - unser heutiges Altes Testament - , wussten sie, wie der Messias sich ausweisen würde. "Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. 6 Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande." (Jesaja 35,5-6) Es waren Bibelstellen wie diese, an die man dabei dachte. Und tatsächlich hat Jesus im Verlauf seines Lebens viele wunderbare Heilungen vollbracht. Als Abgesandte von Johannes dem Täufer zu Jesus kommen, weist Jesus sie auf die Verheißungen des Alten Testaments hin. "Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird das Evangelium gepredigt." (Lukas 7,22)
Es ist interessant, dass Jesus als sein erstes öffentliches Wunderzeichen keine dieser wunderbaren Heilungen wählt, sondern ein Weinwunder. Ich finde das sehr passend, denn es zeigt auf zweierlei Weise die Identität Jesu. Zum einen zeigt es, das Jesus wirklich ein echter, ein wahrer Mensch ist. Er kommt als Mensch mitten in den Alltag der Menschen, auf eine Hochzeit. Und er kennt die große Verlegenheit, in der der Bräutigam war: Mitten im schönsten Feiern geht der Wein aus. Das wäre auch heute noch außerordentlich peinlich auf einer Hochzeit, und man würde sich noch Jahre danach diese Geschichte erzählen. Jesus schwebt nicht hoch über allem, sondern er sieht uns,  mitten in unseren menschlichen Verlegenheiten und Nöten.
Das andere hat etwas mit der besonderen Natur des Weines zu tun. Auch im Zeitalter der Gentechnik und der Künstlichen Intelligenz kenne ich kein Verfahren, mit dem man auf synthetische Weise wirklich guten Wein herstellen kann. Ohne einen Weinberg und die Handwerkskunst des Winzers ist das nicht möglich. Und wenn man nicht so betrunken ist wie die Gäste auf der Hochzeit zu Kana, wird man das Kunstprodukt sofort herausschmecken. Wer ist das, der aus Wasser ein derart komplexes Erzeugnis wie edlen Wein produziert, einfach so, im Handumdrehen? Es ist der Schöpfer der Welt, höchstpersönlich. Deswegen beginnt Johannes sein Evangelium so: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist." (Johannes 1,1-3) Jesus ist nicht nur wahrer Mensch, sondern auch wahrer Gott. Und für den, durch den alles erschaffen ist. Für den ist es eine Kleinigkeit, Wasser in Wein zu verwandeln. So zeigt Jesus auf der Hochzeit zu Kana seine wahre Identität.

2. Die Zeichen stärken den Glauben

Nachdem Jesus sein Weinwunder getan hat, heißt es: "Und seine Jünger glaubten an ihn." Viele Jünger Jesu, viele gläubige Christen können auch heute berichten, wie Jesus schon einmal auf wunderbare Weise in ihr Leben eingegriffen hat. Manchmal war es eine erstaunliche Gebetserhörung, mit der man gar nicht gerechnet hat. Manchmal die Bewahrung in einer gefährlichen Situation, in letzter Sekunde. Ich denke, wenn wir uns dazu nach dem Gottesdienst austauschen würden. Dann käme eine ganze Menge zusammen.
Jeder, der das schon erlebt hat, weiß, wie sehr eine solche Erfahrung den Glauben stärken kann. Gott weiß das auch, und deshalb schenkt er uns das auf unserem Weg als Christen. Es soll uns Mut machen, auch weiterhin alles im Gebet von ihm zu erwarten. Manchmal muss man allerdings etwas Geduld haben. Als Maria ihren Sohn Jesus anspricht, dass der Wein ausgegangen ist. Da antwortet er ihr zuerst: "Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen."
Gott lässt sich von uns nicht vorschreiben, wann und wie er unsere Gebete erhört. Aber Maria tut in dieser Situation genau das Richtige. Sie gibt nicht auf, und sie sagt: Was er - Jesus - euch sagt, das tut. Und dann - greift Jesus tatsächlich ein, und tut das Wunder. Wenn Gott sich Zeit lässt, um auf unsere Gebete zu antworten. Dann ist Marias Vorbild für uns genau das Richtige: Wir vertrauen ihm gerade dann, und wir gehorchen seinem Wort. Und wir werden sehen, was er tut, wenn es soweit ist. Und die Zeichen werden auch unseren Glauben stärken.

3. Die Zeichen bewirken keinen Glauben

Wenn die Zeichen den Glauben stärken, dann wären sie doch sehr nützlich, um skeptische oder ungläubige Menschen von Jesus und seiner Botschaft zu überzeugen. Stellt es euch vor: Unsere große Martinikirche in Minden, voll von solchen Menschen. Und dann fängt der Pfarrer an, und will sie mit Wunderheilungen und besonderen Segnungen zum Glauben zu führen. Natürlich alles im Namen Jesu. Alles nur Phantasie? Glaubt mir, ich habe solche Versammlungen schon erlebt, wenn auch nicht in der Martinikirche. Wäre das nicht etwas, um unseren schrumpfenden Gemeinden wieder auf die Beine zu helfen? Und die Kirchenbänke zu füllen?
Vor 2000 Jahren, als Jesus als Wanderprediger durch Israel zog, da stand er vor genau der gleichen Frage. Einerseits wusste er um seinen Auftrag. Und dazu gehörte es, mit den Zeichen seine Identität auszuweisen. Andererseits wusste er, wie zwiespältig die Menschen auf seine Zeichen reagierten. Nachdem Jesus mit fünf Broten und zwei Fischen über 5000 Mensch satt gemacht hat, wirft Jesus ihnen vor: Es geht euch gar nicht um mich und wer ich bin. Das einzige was ihr wollt, ist eure Bäuche zu füllen und satt zu werden. (Johannes 6,26-27) Als ein königlicher Beamter zu ihm kommt, weil sein Kind todkrank war. Da ist Jesus zuerst skeptisch, denn er kannte die Menschen: "Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht." Aber dieser Bittsteller ist tatsächlich anders. "Der Mann sprach zu ihm: Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt! Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn lebt! Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin." (Johannes 4,48-50) Und dann das: Jesus ruft den toten Lazarus aus seiner Grabhöhle. Alle sehen, wie er wieder lebendig vor ihnen steht. (Johannes 11) Spätestens da müssen sie begriffen haben, wer Jesus ist, und dass man ihm glauben kann. Aber der Evangelist Johannes stellt fest: "Und obwohl er solche Zeichen vor ihren Augen tat, glaubten sie doch nicht an ihn, damit erfüllt werde der Spruch des Propheten Jesaja, den er sagte: »Herr, wer glaubt unserm Predigen? Und wem ist der Arm des Herrn offenbart?« (Johannes 12,37-38)
Zeichen und Wunder sind der Ausweis, der Identitätsnachweis für den Messias, den Sohn Gottes. Jesus bringt sie, weil sie nach der Schrift verheißen sind. Aber sie sind nicht der Kern der Botschaft Jesu, und sie führen keineswegs immer zum echten, lebendigen Glauben. Am Anfang des Markusevangeliums finden wir die Predigt Jesu auf den Punkt gebracht: "Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!" (Markus 1,15) Von Zeichen und Wundern ist hier nicht die Rede. In die gleiche Kerbe schlägt der Apostel Paulus, als er der wundersüchtigen, von Starpredigern verwöhnten Gemeinde in Korinth schreibt: "Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit." (1. Korinther 1,22-23) Und danach: "Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten." (1. Korinther 2,2)
Das heißt: Wenn ich mit dem Glauben anfangen will, dann kann ich nicht bei Zeichen und Wundern anfangen. Sondern dann muss ich beim Kreuz von Golgatha beginnen. Dort wo Jesus sein Blut vergossen hat, zur Vergebung meiner Sünden. Und erst dann, wenn ich Buße getan habe, Gott um die Vergebung meiner Sünden gebeten habe, und der frohen Botschaft, dem Evangelium von Jesus Christus glaube. Erst dann kann ich erkennen, wer Jesus wirklich ist: Der Erlöser, der von Gott gesandte Retter, wahrer Gott und wahrer Mensch in einer Person. Zeichen und wunderbare Gebetserhörungen können eine Hilfe im Glauben sein, eine Stärkung. Aber sie sind kein Weg zum Glauben. Wohl dem, der das gut unterscheiden kann. "Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn." Amen.

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