Und am dritten Tage war eine
Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus
aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3 Und als
der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein
mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was geht's dich an, Frau, was ich tue?
Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den
Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6 Es standen aber dort sechs
steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer
Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 7 Jesus spricht
zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie
füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft
nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. 9 Als aber
der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht
wußte, woher er kam - die Diener aber wußten's, die das
Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den
Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten
Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den
guten Wein bis jetzt zurückbehalten. 11 Das ist das erste Zeichen,
das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte
seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.
Liebe Gemeinde,
Jesus ist der verheißene Messias, der menschgewordene Gottessohn,
der aus der Ewigkeit in unsere Welt gekommen ist, der dort mitten unter
uns seine Herrlichkeit offenbart hat. Im Zusammenhang damit hat Jesus
während seines Lebens auf der Erde immer wieder Wunderzeichen
getan. Warum tut Jesus diese Zeichen? Und was haben diese Zeichen mit
unserem Glauben zu tun?
"Können Sie sich ausweisen?", so fragte der Polizist den Mann.
Der hatte sich kurz vorher als hoher Gesandter einer ausländischen
Macht vorgestellt, und verlangte entsprechende Behandlung. Leider
erwies sich der Diplomatenpass als gefälscht, und so wurde er erst
einmal mitgenommen zur Polizeiwache.
"Kannst du dich ausweisen?", so fragten die Menschen in Israel vor 2000
Jahren Jesus. Denn der hatte behauptet, er sei der von Gott
verheißene Messias. Da viele von ihnen ihre Bibel kannten - unser
heutiges Altes Testament - , wussten sie, wie der Messias sich
ausweisen würde. "Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und
die Ohren der Tauben geöffnet werden. 6 Dann werden die Lahmen
springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken.
Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme
im dürren Lande." (Jesaja 35,5-6) Es waren Bibelstellen wie diese,
an die man dabei dachte. Und tatsächlich hat Jesus im Verlauf
seines Lebens viele wunderbare Heilungen vollbracht. Als Abgesandte von
Johannes dem Täufer zu Jesus kommen, weist Jesus sie auf die
Verheißungen des Alten Testaments hin. "Und Jesus antwortete und
sprach zu ihnen: Geht und verkündet Johannes, was ihr gesehen und
gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden
rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird das Evangelium
gepredigt." (Lukas 7,22)
Es ist interessant, dass Jesus als sein erstes öffentliches
Wunderzeichen keine dieser wunderbaren Heilungen wählt, sondern
ein Weinwunder. Ich finde das sehr passend, denn es zeigt auf zweierlei
Weise die Identität Jesu. Zum einen zeigt es, das Jesus wirklich
ein echter, ein wahrer Mensch ist. Er kommt als Mensch mitten in den
Alltag der Menschen, auf eine Hochzeit. Und er kennt die große
Verlegenheit, in der der Bräutigam war: Mitten im schönsten
Feiern geht der Wein aus. Das wäre auch heute noch
außerordentlich peinlich auf einer Hochzeit, und man würde
sich noch Jahre danach diese Geschichte erzählen. Jesus schwebt
nicht hoch über allem, sondern er sieht uns, mitten in
unseren menschlichen Verlegenheiten und Nöten.
Das andere hat etwas mit der besonderen Natur des Weines zu tun. Auch
im Zeitalter der Gentechnik und der Künstlichen Intelligenz kenne
ich kein Verfahren, mit dem man auf synthetische Weise wirklich guten
Wein herstellen kann. Ohne einen Weinberg und die Handwerkskunst des
Winzers ist das nicht möglich. Und wenn man nicht so betrunken ist
wie die Gäste auf der Hochzeit zu Kana, wird man das Kunstprodukt
sofort herausschmecken. Wer ist das, der aus Wasser ein derart
komplexes Erzeugnis wie edlen Wein produziert, einfach so, im
Handumdrehen? Es ist der Schöpfer der Welt,
höchstpersönlich. Deswegen beginnt Johannes sein Evangelium
so: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war
das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch
dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht
ist." (Johannes 1,1-3) Jesus ist nicht nur wahrer Mensch, sondern auch
wahrer Gott. Und für den, durch den alles erschaffen ist. Für
den ist es eine Kleinigkeit, Wasser in Wein zu verwandeln. So zeigt
Jesus auf der Hochzeit zu Kana seine wahre Identität.
Nachdem Jesus sein Weinwunder getan hat, heißt es: "Und seine
Jünger glaubten an ihn." Viele Jünger Jesu, viele
gläubige Christen können auch heute berichten, wie Jesus
schon einmal auf wunderbare Weise in ihr Leben eingegriffen hat.
Manchmal war es eine erstaunliche Gebetserhörung, mit der man gar
nicht gerechnet hat. Manchmal die Bewahrung in einer gefährlichen
Situation, in letzter Sekunde. Ich denke, wenn wir uns dazu nach dem
Gottesdienst austauschen würden. Dann käme eine ganze Menge
zusammen.
Jeder, der das schon erlebt hat, weiß, wie sehr eine solche
Erfahrung den Glauben stärken kann. Gott weiß das auch, und
deshalb schenkt er uns das auf unserem Weg als Christen. Es soll uns
Mut machen, auch weiterhin alles im Gebet von ihm zu erwarten. Manchmal
muss man allerdings etwas Geduld haben. Als Maria ihren Sohn Jesus
anspricht, dass der Wein ausgegangen ist. Da antwortet er ihr zuerst:
"Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht
gekommen."
Gott lässt sich von uns nicht vorschreiben, wann und wie er unsere
Gebete erhört. Aber Maria tut in dieser Situation genau das
Richtige. Sie gibt nicht auf, und sie sagt: Was er - Jesus - euch sagt,
das tut. Und dann - greift Jesus tatsächlich ein, und tut das
Wunder. Wenn Gott sich Zeit lässt, um auf unsere Gebete zu
antworten. Dann ist Marias Vorbild für uns genau das Richtige: Wir
vertrauen ihm gerade dann, und wir gehorchen seinem Wort. Und wir
werden sehen, was er tut, wenn es soweit ist. Und die Zeichen werden
auch unseren Glauben stärken.
Wenn die Zeichen den Glauben stärken, dann wären sie doch
sehr nützlich, um skeptische oder ungläubige Menschen von
Jesus und seiner Botschaft zu überzeugen. Stellt es euch vor:
Unsere große Martinikirche in Minden, voll von solchen Menschen.
Und dann fängt der Pfarrer an, und will sie mit Wunderheilungen
und besonderen Segnungen zum Glauben zu führen. Natürlich
alles im Namen Jesu. Alles nur Phantasie? Glaubt mir, ich habe solche
Versammlungen schon erlebt, wenn auch nicht in der Martinikirche.
Wäre das nicht etwas, um unseren schrumpfenden Gemeinden wieder
auf die Beine zu helfen? Und die Kirchenbänke zu füllen?
Vor 2000 Jahren, als Jesus als Wanderprediger durch Israel zog, da
stand er vor genau der gleichen Frage. Einerseits wusste er um seinen
Auftrag. Und dazu gehörte es, mit den Zeichen seine Identität
auszuweisen. Andererseits wusste er, wie zwiespältig die Menschen
auf seine Zeichen reagierten. Nachdem Jesus mit fünf Broten und
zwei Fischen über 5000 Mensch satt gemacht hat, wirft Jesus ihnen
vor: Es geht euch gar nicht um mich und wer ich bin. Das einzige was
ihr wollt, ist eure Bäuche zu füllen und satt zu werden.
(Johannes 6,26-27) Als ein königlicher Beamter zu ihm kommt, weil
sein Kind todkrank war. Da ist Jesus zuerst skeptisch, denn er kannte
die Menschen: "Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und
Wunder seht, so glaubt ihr nicht." Aber dieser Bittsteller ist
tatsächlich anders. "Der Mann sprach zu ihm: Herr, komm herab, ehe
mein Kind stirbt! Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn lebt! Der
Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin."
(Johannes 4,48-50) Und dann das: Jesus ruft den toten Lazarus aus
seiner Grabhöhle. Alle sehen, wie er wieder lebendig vor ihnen
steht. (Johannes 11) Spätestens da müssen sie begriffen
haben, wer Jesus ist, und dass man ihm glauben kann. Aber der
Evangelist Johannes stellt fest: "Und obwohl er solche Zeichen vor
ihren Augen tat, glaubten sie doch nicht an ihn, damit erfüllt
werde der Spruch des Propheten Jesaja, den er sagte: »Herr, wer
glaubt unserm Predigen? Und wem ist der Arm des Herrn offenbart?«
(Johannes 12,37-38)
Zeichen und Wunder sind der Ausweis, der Identitätsnachweis
für den Messias, den Sohn Gottes. Jesus bringt sie, weil sie nach
der Schrift verheißen sind. Aber sie sind nicht der Kern der
Botschaft Jesu, und sie führen keineswegs immer zum echten,
lebendigen Glauben. Am Anfang des Markusevangeliums finden wir die
Predigt Jesu auf den Punkt gebracht: "Die Zeit ist erfüllt, und
das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das
Evangelium!" (Markus 1,15) Von Zeichen und Wundern ist hier nicht die
Rede. In die gleiche Kerbe schlägt der Apostel Paulus, als er der
wundersüchtigen, von Starpredigern verwöhnten Gemeinde in
Korinth schreibt: "Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen
fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den
Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit." (1. Korinther
1,22-23) Und danach: "Denn ich hielt es für richtig, unter euch
nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten." (1.
Korinther 2,2)
Das heißt: Wenn ich mit dem Glauben anfangen will, dann kann ich
nicht bei Zeichen und Wundern anfangen. Sondern dann muss ich beim
Kreuz von Golgatha beginnen. Dort wo Jesus sein Blut vergossen hat, zur
Vergebung meiner Sünden. Und erst dann, wenn ich Buße getan
habe, Gott um die Vergebung meiner Sünden gebeten habe, und der
frohen Botschaft, dem Evangelium von Jesus Christus glaube. Erst dann
kann ich erkennen, wer Jesus wirklich ist: Der Erlöser, der von
Gott gesandte Retter, wahrer Gott und wahrer Mensch in einer Person.
Zeichen und wunderbare Gebetserhörungen können eine Hilfe im
Glauben sein, eine Stärkung. Aber sie sind kein Weg zum Glauben.
Wohl dem, der das gut unterscheiden kann. "Das ist das erste Zeichen,
das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte
seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn." Amen.