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HERR, zeige mir deine Wege und lehre
mich deine Steige! 5 Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich!
Denn du bist der Gott, der mir hilft; täglich harre ich auf
dich. 6 Gedenke, HERR, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte,
die von Ewigkeit her gewesen sind. 7 Gedenke nicht der Sünden
meiner Jugend und meiner Übertretungen, gedenke aber meiner nach
deiner Barmherzigkeit, HERR, um deiner Güte willen!
8 Der HERR ist gut und gerecht; darum
weist er Sündern den Weg. 9 Er leitet die Elenden recht und
lehrt die Elenden seinen Weg. 10 Die Wege des HERRN sind lauter
Güte
und Treue für alle, die seinen Bund und seine Gebote halten. 11
Um deines Namens willen, HERR, vergib mir meine Schuld, die so
groß
ist! 12 Wer ist der Mann, der den HERRN fürchtet? Er wird ihm
den Weg weisen, den er wählen soll. 13 Er wird im Guten wohnen,
und sein Geschlecht wird das Land besitzen. 14 Der HERR ist denen
Freund, die ihn fürchten; und seinen Bund läßt er sie
wissen. 15 Meine Augen sehen stets auf den
HERRN; denn er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen.
Liebe Geschwister,
ich darf Gott voller Vertrauen darum
bitten, daß er mich führt. Ich kann mein Leben voller
Vertrauen in seine Hand legen - die täglichen kleinen Schritte,
und auch die großen Entscheidungen. "Die Wege des Herrn
sind lauter Güte und Treue."
Seit einiger Zeit taucht in den
Zeitungen und anderswo immer wieder ein Wort auf - "Lebensentwurf"
- ich habe das an anderer Stelle schon einmal erwähnt. Ein
Lebensentwurf: Ich entwerfe mein Leben wie ein Architekt ein Haus.
Zeichne die Pläne und verwirkliche sie. Ein Haus - ganz auf
meinen Geschmack abgestimmt. Eine Unzahl von Lebensentwürfen
gibt es heute: Da möchte der eine am liebsten Familie, Haus und
Garten - ganz traditionell. Ein anderer will erst einmal die Welt
sehen und Geld verdienen. Ein dritter läßt einfach alles
auf sich zukommen - wofür soviel Mühe und Arbeit haben? Es
reicht, daß meine Eltern schon so gelebt haben. Aber auch die -
bei uns immer weniger werdenden - Christen haben immer wieder einmal
ihre Entwürfe. So entwerfen manche z.B. die ideale Gemeinde: Wir
verwirklichen einen Traum von geistlichem Aufbruch. Bei uns ist "viel
los", wir haben klare Grundsätze und missionarische
Stoßkraft.
Lebensentwürfe: Ich entwerfe mein
Leben und baue es nach meinen Plänen. Gibt es heute überhaupt
noch Raum für Gottes Führung? Bin ich denn ein kleines
Kind, das man an die Hand nehmen muß? Bin ich ein dummes Schaf,
das einen Guten Hirten braucht, der ihm sagt, wo es hingeht? Nein:
Ich kann selbst laufen, wohin ich will! Und wenn Gott mir beim Laufen
hilft - umso besser. Helfen, das darf er schon. Er darf dabei nur
nicht zu bestimmend, zu "autoritär" auftreten, wie man
das dann nennt.
Natürlich habe ich etwas
übertrieben. Ich denke aber, diese Fragen müssen gestellt
werden. Wollen wir Christen von heute überhaupt Gottes
Führung?
Ich möchte das an einem Beispiel klar machen. Ich greife einmal
ein nicht alltägliches Thema heraus: Die Mission. Vor einigen
Jahren, besser Jahrzehnten war es tatsächlich noch das Ziel von
so manchem jungem Christen: Ich möchte einmal in die Mission
gehen. Nachdem man in der Sonntagsschule die Missionsgeschichten aus
Afrika mit glühenden Ohren gehört hatte - was hielt einen
da noch in der Heimat? Zugegeben - manchmal waren unausgereifte
Wünsche, und der Betreffende wäre besser zu Hause
geblieben. Aber doch bei genug anderen: Der Wunsch, ganz für
seinen Herrn da zu sein. Der Wunsch, sich von Jesus führen zu
lassen. Auch auf ungewöhnlichen Wegen.
Heute ist es anders: Händeringend
suchen die Missionsgesellschaften nach Leuten, die gehen wollen.
Tausende von Stellen rund um die Welt können nicht besetzt
werden. Nicht nur Pastoren werden gesucht. Auch Handwerker, Ärzte,
Verwaltungsfachleute - eigentlich fast alles, was es gibt. Aber man
braucht gar nicht so weit gehen: Nur vor nicht allzu langer Zeit
wußten wir in unserer Ostdeutschen Jährlichen Konferenz
nicht, wie wir alle freiwerdenden Bezirke besetzen sollten. Erst
jetzt, mit zunehmender Finanznot und weniger freien Stellen wird das
anders. Man kann sich fragen: Gibt es keine Leute aus unseren eigenen
Reihen mehr? Besonders: junge Leute? Die sich rufen lassen, in den
vollzeitlichen Dienst?
Bitte versteht mich nicht falsch. Ich
glaube nicht, daß das Höchste an Frömmigkeit und
Hingabe der Dienst als Missionar oder Pastor ist. Ich glaube auch
nicht, daß wir am besten jetzt alle in die Mission gehen
sollten. Es wäre schön, wenn noch genügend zu Hause
bleiben, die hier auf dem Bezirk mithelfen... Aber ich sehe darin
doch ein Symptom, ein Anzeichen. In dem, was ich gerade gesagt habe.
Ein Anzeichen, daß man auch an
anderen Stellen und Themen sehen kann, nämlich für die
Frage: Wie sehr klebe ich eigentlich fest? An meinem "Lebensentwurf"?
An meiner Heimat? An liebgewonnenen Vorstellungen? Usw. Usw. Wollen
wir überhaupt noch Gottes Führung? Auch auf
ungewöhnlichen
Wegen? "Herr, zeige mir deine Wege und lehre mich deine Steige!"
Was passiert wohl, wenn ich das bete? Und auf einmal tut Gott etwas,
mit dem ich überhaupt nicht gerechnet habe? Zeige mir deine Wege
und lehre mich deine Steige! So kann ich beten - und getrost
vertrauen, dass er mich richtig führen wird - wenn es sein muss,
auch auf ungewöhnlichen Wegen.
So manches Mal, wenn sich dann ein
Mensch aufrafft. Und sagt: Jetzt. Jetzt will ich mich auch in dieser
ganz bestimmten Angelegenheit von Gott führen lassen. Jetzt will
ich seine Wege gehen, und nicht meine eigenen. Herr, lehre mich...!
So manches Mal geschieht das erst, wenn ich mich gründlich
verrannt habe. Wenn ich müde geworden bin. Wenn ich mir ein
ganzes Paket an Schuld aufgeladen habe. "Gedenke nicht der
Sünden meiner Jugend und meiner Übertretungen, gedenke aber
meiner nach deiner Barmherzigkeit, Herr, um deiner Güte willen!"
Bei Menschen ist es ja manchmal so. Da
heißt es dann: Du wolltest nicht auf mich hören? Nun sieh
selbst zu - wer nicht hören will, muß fühlen. Aber
laß´ mich in Ruhe.
So ist unser Herr nicht. Überhaupt
nicht. "Der Herr ist gut und gerecht; darum weist er Sündern
den Weg." Und wenn so ein Sünder zu ihm kommt. Müde
und beladen. Dann kann er tatsächlich "bei Null"
anfangen. Unser Herr kann tatsächlich einen Schnitt machen. Und
mit einem Wort sagen: Deine eigenen Wege sind jetzt Vergangenheit.
Ich trage dir nichts nach. Und jetzt komm mit. Und folge mir nach,
auf meinen neuen Wegen.
Ich will hier keine Beispiele bringen.
Ihr kennt sie wahrscheinlich schon - die drastischen Beispiele mit
dem verkorksten Leben, der Alkoholsucht, dem Gefängnisaufenthalt
und allem drum und dran. Oder die ganz alltäglichen Beispiele.
Oder die irgendwo "dazwischen". Keine Beispiele möchte
ich bringen - sucht in eurem eigenen Leben, nach bitteren
Erfahrungen, die ihr machen mußtet - und ebenso nach den Spuren
Gottes, mittendrin. Aber ich eines möchte sagen: Nur Mut! Er
trägt uns unsere eigenen Wege nicht nach. Auf denen wir uns
verrannt haben. Wenn wir in eine Sackgasse geraten sind und "so
richtig Mist gebaut" haben. Dann dürfen wir Gottes Wort
hören: "Der Herr ist gut und gerecht; darum weist er
Sündern den Weg." Wohlgemerkt, Sündern weist er den
Weg - nicht Heiligen. Deshalb: Nur Mut!
Das ist nun eine interessante Frage!
Wenn ich mich dazu entschlossen habe, daß er mich führen
soll. Dann muß ich auch wissen, wie. Es wird ja höchst
selten der Fall sein, daß mir ein Nachtgesicht erscheint wie
den Propheten. Oder daß der sprichwörtliche Zettel vom
Himmel fällt... Ich stehe vor einer Entscheidung? Wie kann ich
nun wissen, wohin mich Gott führt? Die Antworten sind einfach zu
verstehen - und schwer genug umzusetzen.
Daß wir unseren Verstand
gebrauchen sollen - davon gehe ich aus. Dafür hat Gott ihn uns
schließlich gegeben. Und eine Frage wie: Soll ich mir das
schicke neue Auto auf Ratenzahlung kaufen? Ist ja nicht unbedingt
eine geistliche Frage. Sondern läßt sich meistens sehr
schnell mit einem Griff zu meinen Kontoauszügen und zum
Taschenrechner beantworten... Aber nicht alles ist so schnell zu
entscheiden. Und auch der schärfste Denker stößt an
Grenzen bei seinen Planungen.
Ich will deshalb weitermachen - mit der
Bibel. "Die Wege des Herrn sind lauter Güte und Treue für
alle, die seinen Bund und seine Gebote halten." Sein Bund - das
betrifft alles, was Gott uns schenkt. Vor allem das, was er uns mit
Jesus schenkt. Seine Gebote - das betrifft alles, was Gott von uns
will. Die Zehn Gebote. Und wie Jesus, Paulus, Jakobus und all die
anderen die Gebote auslegen. Gottes gute Wege in meinem Leben erfahre
ich, wenn ich auf sein Wort höre. Wenn ich ein Bibel-Mensch bin.
Einer, der die Bibel kennt und lebt.
Ein alter Vergleich sagt: Die Bibel ist
so etwas wie eine Landkarte für ein gelungenes Leben. Sie zeigt
mir die richtigen Wege. Und wenn ich sie gehe, dann habe ich eine
gesegnete Reise. Und ich komme am Ziel an. Am Ziel: bei Jesus, im
ewigen Leben.
Je besser ich meine Landkarte kenne,
desto besser und sicherer die Reise. Wer nur die Autobahnen kennt,
wird Schwierigkeiten bekommen. Spätestens, wenn er durch´s
Erzgebirge will. Und auch noch auf die vielen Umleitungen
stößt.
Manch ein Christ hat sich im Leben schon hoffnungslos verfahren. Weil
er nur die großen "Autobahnen" in der Bibel kennt:
Die zehn Gebote. Die wichtigsten Berichte über Jesus. Und noch
einige schöne Verheißungen. Vorzugsweise solche, die mit
"Fürchte dich nicht!" beginnen. Dabei wären es
manchmal gerade die biblischen "Nebenstraßen"
gewesen, die mich gut ans Ziel gebracht hätten. Hätte ich
sie doch gekannt! Dann hätte ich den Weg gefunden.
Manch einer, der sich die Zeit und Mühe
genommen hat. Stellte schon überrascht fest. Dass im Buch der
Sprüche die langgesuchte Antwort auf meine Familienprobleme
steht. Dass ich in den Opfergesetzen in den Mosebüchern erfahre,
wie meine Beziehung zu Gott noch viel tiefer werden kann. Wie der
Prophet Hosea mir hilft, in den verwirrenden Strömungen und
Gedanken heutzutage den "Durchblick" zu behalten. Usw. Usw.
Ach ja, wenn die Bibelstunden doch wenigstens halb so voll wären
wie die Gottesdienste... "Die Wege des Herrn sind lauter Güte
und Treue für alle, die seinen Bund und seine Gebote halten."
Mein Herr führt mich durch sein Wort - durch seine "Landkarte".
Das Andere würde ich gern
"gelebtes Gebet" nennen. "Leite mich in deiner
Wahrheit und lehre mich!" All meine Fragen kann ich meinem Herrn
sagen. Ihn bitten: Daß er mir nicht meine Wunschwege zeigt.
Sondern die richtigen Wege. In schönen Stunden. Im normalen
Alltag. Und in großen Schwierigkeiten. Und dann kann ich damit
rechnen. Daß er etwas tut.
Schauen wir, was David hier alles
versammelt hat, wie er diese Art von Führung beschreibt: Da
greift mir Gott unter die Arme: "Du bist der Gott, der mir
hilft." Der Herr vergibt mir auch meine falschen Entscheidungen:
"Gedenke an deine Barmherzigkeit und Güte, die von Ewigkeit
her gewesen sind." Er übt mit mir, wie ich als Christ leben
kann: "Er...lehrt die Elenden seinen Weg." Er lehrt - und
gemeint ist keine Unterricht wie im Klassenzimmer, sondern eher eine
Art Trainingslager. Denken wir daran, wie Jesus mit seinen Jüngern
drei Jahre lang geübt hat. Tag für Tag.
Nicht zu vergessen bei alledem: Er
öffnet Türen - und verschließt andere. Wenn ein
junger Mensch z.B. überlegt und betet: Herr, welchen Beruf soll
ich lernen? Dann kann er wissen: "Wer ist der Mann, der den
Herrn fürchtet? Er wird ihm den Weg weisen, den er wählen
soll." Ich kann getrost suchen, und wenn ich gefunden habe, kann
ich mich getrost bewerben. Wenn es sein soll, werde ich den
Ausbildungsplatz bekommen. Und wenn nicht, dann wird er mir etwas
anderes geben.
Und wenn ich einmal in große Not
komme. Und es sieht so aus, als ob es nicht mehr weitergeht. Dann
sieht er weiter. Und weiß eher als ich, wie er mir heraushilft:
"Meine Augen sehen stets auf den Herrn; denn er wird meinen Fuß
aus dem Netze ziehen." Gelebtes Gebet - und ich werde erfahren,
wie der Herr mich an seine Hand nimmt. Und mir seine guten Wege
zeigt.
Liebe Geschwister. So laßt es uns
immer wieder wagen. Und ihn bitten: "Herr, zeige mir deine Wege
und lehre mich deine Steige!" Laßt uns immer mehr
erfahren, was das heißt: "Die Wege des Herrn sind lauter
Güte und Treue." Er hat unser Vertrauen wirklich verdient.
Wir werden es nicht bereuen, wenn wir uns von ihm führen lassen.
Amen.