Leben mit Zukunft

Predigt über Römer 13,8-14

8 Seid niemand etwas schuldig, außer, daß ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. 9 Denn was da gesagt ist: »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren«, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefaßt: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« 10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.
11 Und das tut, weil ihr die Zeit erkennt, nämlich daß die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. 12 Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So laßt uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. 13 Laßt uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; 14 sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, daß ihr den Begierden verfallt.

Liebe Geschwister,
als Christen wollen wir zukunftsorientiert leben. Daran erinnert uns die Adventszeit. Dazu wollen wir fragen: Welche Zukunft ist hier gemeint? Und: Wie sieht zukunftsorientiertes Leben in der Praxis aus?

1. "Ganz moderne Menschen", oder: Die christliche Zukunft

Nach der Zukunft fragen - das ist ja zur Zeit wieder große Mode: Wie hat unser Land wieder Zukunft? Wie haben unsere Arbeitsplätze Zukunft? Wie hat unsere Jugend Zukunft? Zumindest an Rezepten und Versprechungen für unsere Zukunft - daran mangelt es zur Zeit wahrlich nicht. Offensichtlich scheint es zum menschlichen Leben dazuzugehören. Daß der Mensch sich Gedanken über seine Zukunft macht. Und sich vor allem fragt: was hat eigentlich Zukunft? Was hat Bestand? Und: wie wird es mir ergehen in Zukunft?
Der Christenmensch hat hier tatsächlich ein großes Privileg - vor allen anderen Bürgern unseres Landes. Er darf nämlich Entscheidendes über die Zukunft erfahren. "Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen." Und: "Unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden." Wenn unsere Mitbürger heute immer wieder fragen: Was kommt? Wohin geht der "Trend der Zeit"? Was ist wirklich modern? Ich will nicht "Schnee von gestern" sein! Dann können wir als Christen eine eindeutige Antwort geben. Eine Antwort, allerdings, wie sie eigentlich nur absolute "Querdenker" geben können. Eine Antwort, die besagt: Wir wissen nicht hundertprozentig, was kommt. Aber wir wissen genau, wer kommt: Jesus Christus, der Herr der Welt. Er wird kommen. Nicht in einem Winkel. Nicht in einem vergessenen Stall in Bethlehem. Sondern er wird so kommen, daß ihn alle sehen. "Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, so wird der Menschensohn an seinem Tage sein." (Lukas 17:24) Wenn wir  nach einem "absolut sicheren Trend" fragen. Dann können wir als Christen eigentlich nur eine Antwort geben: Der Trend geht ganz klar in Richtung Jesus Christus. Eindeutig und unaufhaltsam. Das ist das Neueste und "Modernste", das, was "angesagt" ist. Wir sind schon viel näher dran als vor 2000 Jahren. Ja, wir sind schon viel näher dran an diesem Tag, wenn wir allein nur die Jahre betrachten. Die nach unserer eigenen Bekehrung vergangen sind. "Näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden."
Wir könnten als Christen daher auch sagen: Wenn wir das Wort Gottes ernst nehmen. Wenn wir diesen "Trend" ernst nehmen. Dann sind wir die modernsten Menschen, die es überhaupt gibt. Wer uns Christen als "Ewig-Gestrige" abtut. Als solche, die in der Vergangenheit steckengeblieben sind. Die nicht mit dem Lauf der Zeit gehen. Oder angeblich "mittelalterlichen" Vorstellungen anhängen - statt auf die Zukunft zuzugehen. Der hat noch nicht begriffen, worum es beim Christentum geht. Oder - der hat noch nicht begriffen, worauf der "Trend der Zeit" letztlich zugeht. Denn, recht betrachtet: Die Welt bewegt sich im Letzten weder politisch nach links noch nach rechts. Weder zum Weltkapitalismus noch zum Weltkommunismus. Weder Richtung Paradies auf Erden, noch auf den atomaren Weltuntergang zu. Weder zur christlichen Weltkirche, noch zum weltweiten Islam. Weder in Richtung einer absolut freien Gesellschaft, noch auf einen autoritären Führerstaat hin.
Nein. Wer so denkt, denkt letztlich kurzsichtig und im wahrsten Sinne des Wortes "unmodern". Der bleibt im Kleinen stecken und übersieht das eigentliche Ziel der Weltgeschichte. Er übersieht den letzten, wichtigsten "Trend". Das Ziel. Eben den Tag, von dem es hier heißt: da wird es keine Dunkelheit mehr geben. Den Tag, an dem alles ans Licht kommt. Den Tag, an dem Jesus Christus kommt: "Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen."
Die Adventszeit. Die Zeit, in der ich an die Ankunft, an den Advent Jesu denke. Sie enthält also im Tiefsten eine sehr ernsthafte Frage. Nämlich, ob ich einer der Menschen bin, der "die Zeit erkennt". Ob ich ein wirklich im tiefsten Sinne "moderner" Mensch bin. Der sich auf diesen entscheidenden Trend eingestellt hat. Auf den Tag, an dem Jesus kommt. Oder ob ich einer der Menschen bin, die immer noch im Alten steckengeblieben sind. Und die viel zuviel über das nachdenken - was demnächst Vergangenheit sein wird. Nein - wir wollen nicht in die Vergangenheit starren. Nein - wir wollen statt dessen lieber darüber nachdenken, wie denn nun ein solches Leben aussieht. Das wirklich zukunftsorientiert, "trendbewußt" aussieht. Deshalb:

2. Ein zukunftsorientiertes Leben ist ein Leben unter der gnädigen Herrschaft Jesu Christi

"Laßt uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Auschweifung, nicht in Hader und Eifersucht, sondern zieht an den Herrn Jesus Christus  und sorgt für den Leib nicht so, daß ihr den Begierden verfallt." Irgendwie, so habe ich den Eindruck. Spiegelt unsere Zeit das genaue Gegenteil wider. Das Gegenteil von diesen Worten des Paulus. Anscheinend ist. Zumindest was diese Worte betrifft - zur Zeit etwas ganz anderes "angesagt". Ständig kommen neue  Skandale und heimliche Vergehen ans Licht, von bedeutenden Politikern und anderen Persönlichkeiten. Wer lebt heute noch wirklich "ehrbar wie am Tage"? Gefressen wird, was das Zeug hält - Übergewicht ist eines der großen Probleme für unsere Volksgesundheit. Vom Saufen brauchen wir gar nicht erst zu reden - in allen Gesellschaftsschichten, vom Manager bis zum einfachen Arbeiter gibt es Alkoholsüchtige, viel zu viele. Unzucht und Ausschweifung machen uns die Medien ständig vor - jede bessere Autowerbung ziert sich heute mit Nackedeis oder Fast-Nackedeis. Für das Fremdgehen kann man sich professionell Partner vermitteln lassen, und wem die klassische Prostituierte nichts ist, der schaut im Internet unter "www.ganz-schneller-seitensprung.de". Und von Hader und Eifersucht, davon lebt eine ganze Branche - die ständig wachsende Prozeßsucht hält ganze Heerscharen von Anwälten in Lohn und Brot. Schließlich hat man gelernt, daß sich mit dem Verklagen eine Menge Geld machen läßt.
So könnte man denken, das Lebensmotto unserer Zeit heißt: Ich will haben, was mir Spaß macht - aber sofort, und ohne Rücksicht auf Verluste. Warum soll ich mir künstliche Beschränkungen auferlegen? Man lebt schließlich nur einmal. "Laßt uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot." (1. Korinther 15,32), wie schon Paulus im 1. Korintherbrief zitiert. Und so ist es oft genug: wer den Sinn für sein Leben verloren hat, der verliert auch die Kontrolle über sein Leben. Viele von uns könnten Beispiele erzählen, aus nächster Nähe, über verkorkste Lebensläufe, zerbrochene Familien u.a.
Und so könnte man Paulus hier auch so verstehen, daß er uns sagt: ihr gläubigen Christen - laßt euch nicht von euren Stimmungen, Wünschen, Bedürfnissen umhertreiben, gefangennehmen. Ihr wißt doch, worauf ihr zulebt. Ihr wißt doch, welcher Trend wirklich "angesagt" ist. Ihr lebt auf einen ganz besonderen Tag zu - an dem ihr eurem Herrn Jesus Christus begegnet. Den Tag, wenn er kommt. Euer Leben ist nicht sinn- und zwecklos. Es hat eine Zielrichtung. Darum "zieht an den Herrn Jesus Christus".
Und wenn Paulus hier so schön bildhaft beschreibt, daß wir in die Natur und Wesenart unseres Herrn. Daß wir in sie hineinschlüpfen sollen wie in ein Kleidungsstück, das uns hingehalten wird. So drückt er das an anderer Stelle noch etwas klarer aus. Wenn er erklärt, wie der Heilige Geist an uns gläubigen Menschen arbeitet (Galater 5,22-23): "22 Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, 23 Sanftmut, Keuschheit..." Es ist schade, daß gerade der letzte Begriff in der Lutherbibel so mißverständlich übersetzt ist, nämlich mit "Keuschheit". Gemeint ist eigentlich etwas viel Allgemeineres, und man sollte statt dessen übersetzen: "Selbstbeherrschung". Oder anders ausdrückt: Der Heilige Geist will und kann uns befreien. Von unseren Stimmungen, Wünschen, Bedürfnissen. Die uns sagen: "Ich will haben, aber sofort". Dieses "Ich-will-haben" - das schon so viele Leben zerstört hat.
Ja, ich weiß - das geht nicht von heute auf morgen. Dieser mühsame Prozeß. Bei dem das "Ich will haben" immer kleiner wird. Und der Heilige Geist in meinem Leben immer stärker. Jeder, der mich kennt, der weiß. Ich meine damit nicht  jenen verbiesterten Lebenstil, den manche mit Heiligung verwechseln. Bei dem die Grundregel des Christenlebens heißt: "Alles, was Freude macht, ist  verboten." Nein, es geht nicht um das Abstreiten aller unserer Bedürfnisse. Es geht darum, daß unsere Bedürfnisse nicht entarten und uns beherrschen. Sondern daß der Heilige Geist in uns Selbstbeherrschung bewirkt. Ja - dieser mühsame Prozeß, der macht aus mir einen wirklich zukunftsorientierten Menschen. Der macht mich wirklich "modern". "Trendgemäß". Gemäß dem Trend, der Bewegung, die auf unseren Herrn Jesus Christus zuläuft. Gemäß der Adventszeit - wenn wir "Advent" richtig verstehen. Ja, so ein Leben hat Zukunft. Ein Leben unter der gnädigen Herrschaft Jesu Christi.

3. Ein zukunftsorientiertes Leben ist ein Leben in den Ordnungen der Liebe

Wir wollen am Schluß das Ganze noch einmal von einer anderen Seite betrachten. Die vielleicht noch einfacher zeigt, was praktisch gemeint ist, mit einem zukunftsorientierten Leben. "Denn was da gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren, und was das sonst an Geboten ist, das wir in diesem Wort zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."
Zukunftsorientierung hat offenbar mit Gottes Geboten und mit der Nächstenliebe zu tun. Nun, über Liebe, oder Nächstenliebe hört man heutzutage so Manches, auch sehr Kurioses. Liebe leben - das ist durchaus "angesagt". Manchmal denke ich allerdings, heute kann jeder nach eigenem Gutdünken festlegen, was denn "gemäß der Liebe" ist, wie man die Liebe lebt. Da sagt die Frau, nach vielen Sitzungen mit ihrem Therapeuten: "Ich habe erkannt, daß ich mich von meinem Mann scheiden lassen muß. Wir lieben uns nicht mehr. Und es wäre wirklich lieblos von ihm, mich festzuhalten." Ja, so etwas gibt es tatsächlich, das habe ich mir nicht ausgedacht! Oder da sagt der Politiker, der in die Staatskasse gegriffen hat, um Schmiergelder zu zahlen: "Glaubt mir, ihr Bürger. Ich wollte damit nur das Beste. Ich habe es doch aus Liebe zu meinem Land getan." Ja, was gibt es heute nicht alles an liebevollen Menschen... Ob wir in Wirklichkeit nicht doch in einem Land leben, das wirklich zukunftsorientiert ist, voller Liebe - und wir Christen haben es nur nicht bemerkt?
Wie gut, daß Gott uns nicht im Unklaren darüber gelassen hat. Sondern genau gesagt hat, was er sich unter Liebe vorstellt. Unter der Liebe, die wirklich "angesagt" ist. Das ist nämlich genau das, was er in den Zehn Geboten gesagt hat. Und so wäre "liebe-gemäße" Verhalten der scheidungswilligen Frau von oben zu prüfen, zu prüfen am Gebot "Du sollst nicht ehebrechen". Und die Liebe des korrupten Politikers, die "Liebe" zu Land und Bürgern. Die wäre zu messen an den Geboten "Du sollst nicht stehlen" und "Du sollst nicht begehren".
Paulus sagt hier, daß das Gebot der Liebe eine Zusammenfassung ist. Eine Zusammenfassung der Zehn Gebote. Jeder Schüler lernt im Deutschunterricht: Wenn ich einen Text zusammenfassen soll. Dann darf bei der Zusammenfassung nicht etwas ganz Anderes herauskommen, als der Text gemeint hat. Und so will Gott uns wissen lassen: Das Gebot der Liebe. Das ist keine leere, wolkige Worthülse. Wo jeder selbst bestimmen kann, was er unter Liebe versteht. Sondern das Wort von der christlichen Liebe - das ist eine Zusammenfassung der Zehn Gebote. Nicht mehr und nicht weniger.
So könnte man also sagen - auch wieder ganz und gar als "Querdenker". Als Querdenker gegen die öffentliche Meinung. So könnte man sagen - um einmal wie ein Politiker zu reden: Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein wirklich zukunftsorientiertes Leben. Das ist ein Leben, das sich nach Gottes Geboten ausrichtet. Das so die Liebe praktisch werden läßt. Das wäre doch einmal ein echtes "Zukunftsprogramm" für unser Land... "So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung. Und das tut, weil ihr die Zeit erkennt..." Das tut, weil es Zukunft hat.
Liebe Geschwister. Recht betrachtet, müßten die Christen also - theoretisch - die modernsten Menschen in unserem Land sein. Sie wissen, "was die Stunde geschlagen hat". Was der "modernste Trend" ist. Sie leben nicht unter der Herrschaft des "Ich-will-haben, und zwar sofort." Sondern sie leben unter der gnädigen Herrschaft Jesu Christi. Sie leben nicht nach ihrem Gutdünken. Sondern sie leben nach den Geboten Gottes - und zeigen so, was echte Liebe ist. Sie leben nicht ohne Sinn in der Welt, sagen nicht zynisch "Laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot." Sondern sie wissen. Alles. Ihr eigenes Leben. Und die Weltgeschichte. Alles hat ein Ziel - nämlich Jesus Christus. "Denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden." Laßt uns solche "modernen Menschen" sein! Ganz bewußt. Gerade jetzt, wenn wir an die Ankunft unseres Herrn denken. Gerade jetzt, in der Adventszeit. Amen.

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